Blue Moon

Ein Gespräch mit Andrea Dusl, Wiener Zeitung, 22. Nov. 1996

Das Café Lapinski in der Wiener Marc-Aurel-Straße atmet den Charme von Bars in Brüssel, Paris oder Stockholm. Andrea Dusl hat größere Augenringe als andere Mitdreißigerinnen. Noch dunkler als diese Spuren der letzten Nacht ist nur ihre St. Petersburger Kapitänsjacke. Im Café Lapinski ist es nicht kalt, dennoch hat Dusl den Kragen hochgestellt.

Auf ihre Empfehlung löffeln wir Muligatawny, eine indische Suppe, die Dusl zur Geschmacksverstärkung mit einer unglaublichen Dosis von Chillipaste verschärft.

„Wiener Zeitung“: Sie schreiben, zeichnen, lomografieren, jerzt machen sie Film, was sind sie eigentlich, Journalistin, Illustratorin, Lomografin oder Filmemacherin?

Andrea Dusl: Ich weiß es selbst nicht. Es hat sich einfach ergeben. Das eine hat sich aus dem anderen ergeben. Um ein Sprichwort abzuwandeln – ich tanze nicht auf vielen Kirtagen, es ist eigentlich alles ein einziger Kirtag.

„W.Z.“: „Blue Moon, die Abenteuer von Steinyo Pichler“ ist einer von elf Filmen, die Michael Glawogger in seinem Film „Kino im Kopf“ porträtiert. War das ihre erste cinematografische Arbeit?

Andrea Dusl: Eigentlich nicht. Die Geschichte hat vor einigen Jahren mit einer Fotografie begonnen. Rainer Egger und ich sind zum Pferderennen gegangen. Ich habe mit einer alten Canon und einem ganz langsamen Schwarzweiß-Diamaterial fotografiert. Eines dieser Bilder (siehe großes Bild oben) hat in mir eine Flut von Geschichten ausgelöst. Das sollte mein Held sein, der Mann auf dem Foto, der über die Schulter zur Seite sieht. Also sind Rainer und ich am nächsten Wochenende in die Slowakei gefahren, um Geschichten für diesen Mann zu finden. Aus den Erlebnissen, die wir dort hatten, hat sich die Geschichte für einen Film herausgelöst. Ich habe zunächst kurze Szenen geschrieben, zweiminütige Episoden, so eine Art filmischer Schnappschüsse schwebte mir da vor.

„W.Z.“: Haben Sie versucht, diese Skizzen zur Förderung einzureichen?

Andrea Dusl: Zwei von ihnen. Ich nannte das Ding „In 80 Tagen um die Welt, Tag 1 und Tag 2″. Die Stadt Wien stellte mir 20.000 Schilling zur Verfügung. Das Material schenkte mir Michael Synek, zwei Rollen 35 mm, schwarzweiß. Mein Compañero Peter Zeitlinger, der beste Kameramann, den ich kenne, lieh sich eine alte Wochenschau-Arri. Wir fuhren los, ein kleines Team von professionellen Filmmenschen und ich. Wir drehten vier Minuten Spielfilm.

„W. Z.“. Wie ging’s dann weiter?

Andrea Dusl: Peter Zeitlinger und ich haben das Material in einem obskuren Hinterzimmer in fünf langen Nächten geschnitten, vertont und um – für meine damaligen Verhältnisse – ungeheuer viel Geld kopieren lassen. Mit diesen zwei kleinen Filmen habe ich dann Subventionen für vier weitere Episoden aufstellen können.

„W. Z.“: Sind das die Szenen, die in „Kino im Kopf“ zu sehen sind?

Andrea Dusl: Nein. Aus diesen zwölf Minuten Film hat sich erst die Idee zum Roadmovie „Blue Moon“ entwickelt. Die Geschichte einer Odyssee in den Osten, der Sehnsucht nach Frauen, nach dem Meer. Ich bin mit meinem Hauptdarsteller nach Polen, in die Slowakei und die Ukraine gefahren. Dort hat sich unsere Geschichte erst geschrieben. Dieses Drehbuch gibt es, das wollen wir verfilmen.

„W. Z.“. Wurden die Szenen für „Kino im Kopf“ extra gedreht?

Andrea Dusl: Ich habe drei exemplarische Szenen aus meinem Buch ausgewählt und umgeschrieben, damit sie, auch aus dem Zusammenhang gerissen, ihre Geschichte erzählen können. Leider sieht man in „Kino im Kopf“ nicht mehr viel davon. Die Stimmung, das Spiel, der Rhythmus unserer Arbeit ging in der Montage verloren. Wir haben unsere Geschichte nicht wiedererkannt.

„W.Z.“ Sind sie enttäuscht?

Andrea Dusl: Enttäuscht? Nicht wirklich. Ich habe es befürchtet. Beim ersten Sehen war ich allerdings entsetzt. Unsere Arbeit, die fertigen Szenen, das war alles noch wunderbar. Das war noch unser Film.

„W. Z.“: Wie geht es weiter mit „Blue Moon“?

Andrea Dusl: Ich war gerade in Paris, dort sind sie sehr interessiert an solchen Geschichten Sie ist nicht mehr nur im Kopf, sie ist auch auf Papier und in den Köpfen anderer und, wenn nicht alle Stricke reißen, bald auch auf Leinwand. 

Vorerst jedoch sind nur Bruchstücke von „Blue Moon“ in dem Film „Kino im Kopf“ zu sehen, der zur Zeit im Metro-Kino in Wien läuft.

Regie und Kamera: Michael Glawogger. Schnitt: Christof Schertenleib, Musik: Armin Pokorn, Ton: Ekkehart Baumung.

Andere Teile für Kino im Kopf“ lieferten Ip Wischin, Willy Puchner, Carl Andersen, Christoph Mayr, Viktor Tremmel, Hans Weingartner, Hans Hermann Fink, Susanne Strobl, Richard Blue Lormand, Peter Budil und Boris Schafgans.

Mitgewirkt haben Rainer Egger, Gabriela Skrabakova, Andreas Sobik, Tex Rubinowitz, Thomas Kussin, Johannes Silberschneider, Barbara de Koy u. v. a.

Zu den Abbildungen:
oben: Rainer Egger als Steinyo Pichler
unten links: 1988, Hotel Modra, Slowakei
unten rechts: 1996, am Stadtrand von Odessa

Weiße Nächte in Piter

Piter.jpg„…welch ein Unterschied ., schrieb Nikolaj Gogol 1836, Moskau ist bis heute ein langbärtiger Bauer, Petersburg dagegen ist schon ein gewandter Europäer“. Gogols Einschätzung hat auch nach 160 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil: Seit dem Ende des Krieges und der Perestroika ist die Stadt am Meer wieder in ihre alte Rolle, Rußlands Tor zum Westen, geschlüpft.

St. Petersburg wurde im Vergleich zu anderen Metropolen erst relativ spät erbaut. Am 16. Mai 1703 ertönt mitten in den Sümpfen, die sich die Newa und der botanische Meerbusen teilen, der Lärm von Äxten und Sägen. Wenig hier existiert noch von einem, von seinen finnischen Einwohnern verlassenen Dort. Nach holländischem Vorbild lässt Zar Peter 1. ein „Fenster nach Europa“ in milde errichten. Die neue Stadt erhält den Namen „Peterburg“ (mit holländischer Aussprache: „Pieterburg“). Mit Ausnahme der bolschewistischen Zeit, in der die Stadt der Zaren und Leningrad hieß, behält die Newametropole diesen Namen. Die Russen sprechen seit einer Abstimmung während der Perestrojka wieder von ihrer ehemaligen Hauptstadt als „Sent/Sankt Peterburg/Pieterburg“. Die Petersburger selbst nennen ihre Heimatstadt schlicht „Piter“.
Was er von Piter halte, fragen wir Andrej, den Fahrer des illegalen Taxis. „I chave no been where else. I was born chere. I love it. It is my city. Wonderful.‘

Andrej berechnet einen fairen Preis für die halbstündige Fahrt ins Zentrum. Drei Dollar, den Preis für ein billiges Menü. Das ist noch immer mehr, als die legalen Taxen verrechnen, aber eines von denen zu erwischen, gleicht der berühmten Suche nach dem Heu im Nähnadelhaufen. Außerdem ist Andrej hier vorm Hotel Pribaltiskaja, einer gewaltigen Bettenburg stationiert. Andrej war Kunststudent in den Zeiten vor der Perestrojka, aber da sei es schwierig gewesen, erzählt er uns nicht ohne Wehmut. Zuviel Regeln, fade und mühsam, und jetzt sei er eben Taxifahrer. Ob wir schon gehört hätten, fragt uns Andrej in seinem selbstgestrickten Englisch, es seien gerade viele Westeuropäer da, verrückte Leute, die mit russischen Kameras herumphotographieren. „Sure“, sagen wir, „we know“, und zücken unsere Lomos.

Andrej hätte auch gerne eine Kamera, aber wenn schon, dann eine japanische. Unsere Obsession für die „Lomo-Kompakt“ hält er für dermaßen schrullig, daß sein ungläubiges Kopfschütteln kein Ende nehmen will. Unser Argument, daß wir alle mit Nikons, Canons und Olympus-Kameras großgeworden sind, die Lomo aber eine Weltanschauung für uns sei, überzeugt den verwirrten Chauffeur schließlich zumindest in Ansätzen.

Look“, sagt Andrej, „good car, Gemany car“, und deutet auf einen Konvoi schwarzer und dunkelblauer BMW’s und Mercedes‘, die uns mit aberwitziger Geschwindigkeit überholen. „Mafia people, rich!“ .

„Don’t worry, Andrej“, we love your Lada“, streicheln wir seine komplizierte russische Seele. Unser Taxifahrer grinst wieder.
„Okay, this is Newskij Prospekt.“ Wir halten vor einem blaugestrichenen Palast auf der größten Avenue St. Petersburgs. Im dritten Stock des Gebäudes hat sich jenes Fachgeschäft für Photoapparate versteckt, auf das ein kleines Schild am Portal nur einen Hinweis für lnsider geben kann. Alte Plakate und Lomokalender hängen an den Wänden, eine Vitrine präsentiert kostbare Kameras. Unter ihnen ist ein Unterwassergehäuse für die „Lomo Kompakt“. Das Ding ist seltener als Bilder von Van Gogh, und man weiß das hier.

„Sorry, only for museum, no can buy this…., only 200 piece existing in chole russia, but when you find, bring chere, we pay you good price“, sagt der Direktor des Photogeschäftes. Der Mann ist unser Verbündeter. Er weiß, wovon er spricht, wenn er mit leuchtenden Augen und zitternden Händen zärtlich über das schwarze Gehäuse einer alten Lomo streicht. Wir werden wiederkommen, um abermals nach Lomozubehör fragen.

„Kummts, hau ma si in die U-Bahn“ schlägt ErIch vor, des is a Wauhnsinn, de U-Bahn do“. Erich, der für seine russischen Frisörkollegen Haarscheren aus feinstem Stahl mit im Gepäck hat, drängt uns zu einem Petersburger Faszinosum, das es in sich hat. Einem großen Ungeheuer gleich, saugt der Eingang zur Metrostation Menschenmassen in seinen gierigen Transportrachen. Auf vierspurigen Rolltreppen geht es 50 Meter in den Bauch der Stadt. Allein die Bahnsteige da unten sind so lang, wie bei uns die Strecken zwischen den Stationen. Mit dem schnellsten Transportmittel St. Petersburgs unterqueren wir Flüsse und Kanäle, um tief unter dem schlammigen Grund der Stadt eine andere Insel zu erreichen.

Im „Planetarium“ ist inzwischen die Hölle los. Neben dem „Tunnel“ ist das der heißeste Club der Stadt. Unter Tags besuchen Schulklassen den Ort, um über Sterne und Kometen, Asteroiden und Sonnenfinsternisse zu erfahren. Heute abend aber brodelt es hier von Besuchern der Lomographischen Ausstellung, von Ravehörnchens und Fernsehteams. Die Wiener und Berliner Lomographen haben dutzende Riesentafeln mit Abertausenden von Lomographien aus Wien, Berlin und Hanoi tapeziert. DJ Amira stimmt die russischen Lomofreunde und die Lomographischen Boys and Girls aus Wien, Zürich, Bedin, Paris und New York mit Easy Listening und Slow Egypt Acid auf eines langen Tages Reise in die Nacht ein. Local Hero DJ Aliosha Freud, NYCLimelightExperte DJ Spooky und DJ The WAZ Exp aus Innsbruck bringen mit Jungle und TripHop die Tanzfläche zum Kochen. Die Lomographen tanzen sich die Sohlen durch und lomographieren sich dicke Schwielen an die Aufziehdaumen.

Abgetanzt besteigen die erschöpften Lomographen ihre Russenbusse, um das Hotel anzusteuern. Die Fahrt endet bei der ersten Brücke. Die ist nämlich hochgestellt. Wie die 20 anderen wichtigsten Brücken der Stadt. Die kurze Nacht in St. Petersburg gehört nämlich den Schiffen. Zwischen 2 und 5 Uhr Morgens heißt es warten. Nicht einmal Feuerwehr und Rettung, von der Polizei ganz zu schweigen, können um diese Zeit die Ufer der einzelnen Stadtinsein überqueren. „Wenn die Brücken hoch sind, öffnen sich die Seelen“, sagen die Petersburger. Weil das so ist, öffnen sich auch die Türen ihrer Ladas, Moskwitch‘ und Wolgas. Auch die Türe unseres Busses bleibt nicht lange verschlossen. Eine kleine feine Straßenparty entsteht. Wodkaflaschen werden zwischen Unbekannten herumgereicht. Nach drei, vier Schlucken gehören auch diese Unbekannten zum engsten Freundeskreis. „That’s the magic of the White Nights“, erklärt uns Anastassija und lehnt ihr Fahrrad ans Brückengeländer. „And no one steals my bike, when the bridges are up“. Anastassija blonde Zöpfe baumeln im milden Nachtwind. Die Designstudentin ist jetzt auch Lomographin. Sie zweifelt zwar an unserem Verstand, weil es für Russen zu den ganz unglaublichen Verirrungen westlicher Menschen gehört, sich fur russische Produkte zu interessieren, die weltumspannende Qualität der Lomomania hat aber auch sie in ihren Bann gezogen.

St. Petersburg ist eine Hafenstadt. Und wie in Hafenstädten üblich, fehlt es nicht an Kaufleuten aller Art. Dima, der sich von seinen Freunden Rotnase rufen läßt, wobei nicht ganz klar ist, ob wir ihm angesichts einer ziemlichen Fuselfahne seine Geschichte mit dem Heuschnupfen glauben sollen, Dima ist Kleinhändler. Er steht am Newskij Prospekt und wartet auf Kunden. Durch den Hinterhof eines, nach Katzenscheisse stinkenden Hauses führt uns Dima in seine Wohnung. Im Kabinett seines Großvaters, des berühmten General Wassilij, wie er uns treuherzig erzählt, hat Dima sein Verkaufslokal eingerichtet. Schwarzer Kaviar, der ungeschlüpfte Nachwuchs kaspischer Störe, im DutyFreeShop nicht unter 36 Dollar zu finden, kann bei Rotnase Dima um zehn Dollar erstanden werden. Daß so nebenbei auch Admiralsuniformen, UBoot-Kommandanten-Chronographen und Eishockeydressen aus guten alten CCCP-Zeiten den Besitzer wechseln. versteht sich von selbst.

Zwei Tage später werden die Zollbeamten am St. Petersburger Flughafen nicht schlecht staunen, was die wahnsinnigen Lomographen so alles in ihren übergewichtigen Koffem auf die Förderbänder der Röntgenschleusen hieven werden. „Good buy, Lady“, ein Beamter klopft stolz auf meine Uhr, anstatt mich wegen Zollvergehens einzulochen, „zhis watch I chan say, very good, all good production from old Sovietunion!“ Sein Gesicht wird von einem breiten Grinsen verzogen. „You come again, I give you adress, my brather sell watch like zhis, but cheaper!“

Klick“ macht es da, aus fünf Lomos.

© Andrea Maria Dusl, geschrieben für die Lomographische Gesellschaft ~1996. Möglich, daß die Geschichte auch im Falter erschien.

Tv or not tv. Mit Emergency Broadcast Network im Puff

Die Mitglieder der US-amerikanischen Multimedia-Combo Emergency Broadcast Network sind nicht nur profunde Kenner der amerikanischen Gegenwartskultur, sondern auch geeichte Besucher des Wiener Nachtlebens.

Andrea Maria Dusl für Falter ~1996.

„You know were we are?“ frage ich Bandmitglied Joshua Pearson. „Sure, great place, let´s stay here, it´s logical“. Wir stehen am Tresen einer intimen Bar, zwanglos umgeben von alleinstehenden jungen Damen. „So ähnlich“, erklärt mir Josh und stößt mit mir auf den fortgeschrittenen Abend an, „so ähnlich logisch war auch unser erstes Treffen auf der Rhode Island School of Design. Gardener Post und ich kamen durch die sehr wissenschaftliche Methode der alphabetischen Reihung im gleichen Zimmer zu liegen. Ähnlich könnte man unser Hiersein sehen: Wir sind in die Bar neben unserem Hotel gegangen,weil es eine geographische Notwendigkeit dazu gab. Jetzt sind wir in der Bar neben der Bar. Channel-Switching und Bar-Hopping sind verwandte Disziplinen und in höchstem Maße demokratisch.“ Während mir Chef-Netzwerker Pearson am Beispiel audivisueller Loops die musikalisch-technischen Zusammenhänge der Emergency Broadcast Network-Show erklärt, switche ich auf den Kanal links von mir.

Gerhard, ein profunder Kenner der Örtlichkeit referiert über Schleifen ganz anderer Art. Absolutes Muß unter ausgewählten Stammkunden dieses Etablissements sei nämlichder Lauf um den Häuserblock. Nackt, versteht sich. Das interaktive Element hierbei sei das Mitbringen der Getränkekarte aus einem Lokal an der anderen Ecke des Häuserblocks. Und so wie Emergency Broadcast Network ihre Shows mit T-Shirts promoten, gäbe es auch für den hier verkehrenden Kreis von Interaktiven spezielle Uniformierungen: Einen Bademantel, bestickt mit der eindeutig zweideutigen Message „Mitglied“.

„’S war‘ net Wean, waun ned duat wo ka Gfret is, ans wuat“, schießt es mir durch den Kopf, als aus einem der Separees das Knallen teurer Sektflaschen und der zärtliche Klang berstender Gläser dringt. EBN-Plattenreiter Ron O´Donnel, von seiner ethnischen Kondition, wie mir gesagt wird, „black irish“, hat seine Sektflöte zu heftig an die von Chefprogrammierer Gardener Post gestoßen. In logischer Konsequenz zum Vergießen des sündteueren Sprudels läßt der hauseigene CD-Player plötzlich Songs der 70ties Gitarrenband Credence Clearwater Revival vom Stapel.

Mid-Twen-Girlie Mrs. Pearson, animieren die zutiefst amerikanischen Texte von CCR und das mit größter Verve vorgetragene Desamusement der anwesenden Animiermädchen zu rythmischem Kreisen ihres Beckens. „Let´s dance“, haucht sie einen Stammgast an. Gatte Josh studiert derweil drei Trennwände weiter meinen nachmittags gekauften Mr.President-and-Mrs. Bush-Ausschneidebogen und läßt sich in eine sehr zwanglose Diskussion über die Unterwäschetrends unter den white Anglo-Saxon Protestants verwickeln. Die Damen des Lokals fühlen sich trotzdem unterbeschäftigt, und wippen gelangweilt mit ihren hochentwickelten Beinen. Sie halten unseren höchst unerotischen Austausch von Barbara-Bush-Witzen für mädchenzimmerhaft und lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß Sitzen Jazz ist, Liegen jedoch stets Rock & Roll.

„Fuck Frank Zappa“, entfährt es Josh. Er hechtet zur Bar, um das scheinbar unvermeidliche zu verhindern. Eine Bar-Dame mit professionell großem Busen hat aus Anlaß des hohen amerikanischen Besuchs den Plattenwechsler mit einer Silberscheibe des Bürgerschrecks gefüttert. „Das wäre so“ , erklärt mir Josh, „als wärst Du bei uns in Providence und wir würden Dir zu Ehren Falco spielen“.

Gerhard, der Impressario der Bar einigt sich indes mit dem Bar-Tender darauf, aus Gründen der Völkerverständigung Lieder des bekannten britischen Pop-Trios Police vorzuspielen. „Des heat die Heh a recht gern!“. Zu vorgerückter Stunde outet sich Computer-Programmierer und Eckpfeiler der Band Greg DeoCampo einerseits als Kenner der Schießeisenmaterie und andererseits als musikalisches Ex-Wunderkind. Daß er beide Wahrheitsbeweise nicht antreten kann, macht ihn nicht unsympathischer, unser Gehen hingegen zwingend.

Und daß Emergency Broadcast Network trotz einträglicher Jobs für die irische Band U2 und die Schuhfirma Nike klasse Burschen mit Verständnis für kleine Probleme geblieben sind, beweisen sie mir beim Besteigen meines Rades auf eindrückliche Art. „No light, girl, wait!“ Chefbastler Gardener Post schnalzt mit dem Zeigefinger auf mein unreparierbares Rücklicht. Das Schnippen hilft. Denn wer tennisplatzgroße Videoleinwände zum Leuchten bringen kann, für den ist auch ein kleines Rotlicht kein Problem.

Schwarzer Kater

Für meine Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 51.52-1995.

Konsum: Finland, Land der Tausend Seen, Brutstätte genialer Architekten und übermenschlich begabter Ralleyfahrer produziert nebenbei auch hervorragende Metalle. Die härtesten und elastischesten Stahllegierungen werden in der weltberühmten Messerschmiede J.Marttiini zu feinsten Finnendolchen verarbeitet. Die Samen verwenden solche Feiteln seit Jahrtausenden, um damit Rentierohren zu markieren, Elche zu zerteilen und Lachse zu filetieren. Die Schärfe der Marttiini´schen Klingen wird höchstens von Keramikschneiden übertroffen. Deren Funktionstüchtigkeit endet allerdings mit einem einzigen Fall auf den Küchenboden. Das Messer der Messer steckt in feinster Lederscheide und ist dank EU-Mitgliedschaft um knapp 56O Schlei in jedem besseren Messergeschäft zu haben. Plus.

Republik: Wolfgang Schüssel, der Mann mit der politischen Strahlkraft eines Meinl-Feinkostleiters hat sein Pokerspiel verloren. Der Abstand zu Kanzler Teflonitzky erhöhte sich auf satte zehn Prozent. Angstmacher Haiders Höhenflug wurde erstmals gestoppt, der Beweger blieb bei 22,1 % und verlor sogar ein Mandat. Heides Liberale überholten die Grünen, beide Ampelparteien verloren aber empfindlich an Rote und Schwarze. Der Wahlkater der Konservativen vergrößert sich durch das steirischen Landtagswahlergebnis. Die SPÖ konnte in der grünen Mark mit der ÖVP gleichziehen, Landesfürst Krainer gab vor laufenden Kameras seinen Rücktritt bekannt. Die parlamentarische Kräfteverteilung zwischen Schwarzblau und Ampelparteien blieb allerdings annähernd gleich. In der Fünferrunde, kurz nach Verkündigung des Wahlergebnis‘ zeigte sich der Kanzler zufrieden-euphorisch, der Aussenminister besserwisserisch-giftelnd, el minimo handzahm, Heide Schmidt zerknirscht-gefaßt und Madleine am Boden zerstört und Rücktrittsbereit. Vranitzky signalisierte Gesprächsbereitschaft mit allen außer dem Beweger, liebäugelte sogar kryptisch damit, die Liberalen in seine Regierung zu holen. Noch-Obmann Schüsselchen spuckte Gift auf Wahlsieger Vranz und erwies sich als schlechter Verlierer. Plus für sozialdemokratische Gewinne, Doppelminus dafür, das es auch auf Kosten der kleinen Oppositionsparteien ging, und schließlich Fünfachminus, daß sich Schwarzblau noch immer ausgeht.

Kultur: Das Transfersystem, bei dem Starkicker um Millionensummen zwischen Vereinen verkauft werden ist laut Urteil des EU-Gerichtshofes rechtswidrig. Fußball-Plus.

Medien: ORF-Informationsintendant Nagiller hatte große Angst, das vom ARD ausgestrahlte Video von Haiders Rede vor den „lieben Freunden“ von der Waffen-SS auszustrahlen. Minus für mangelnde Zivilcourage.

Umwelt: Matschwetter. Minus für Adventdepressionen.

Die Wahl der Qual

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 50-1995.

Konsum: Daß Wien eine Stadt hochstehender Wurstkultur ist, zeigte vor einigen Jahren die Durchschlagskraft der Käsekrainer, die mühelos Haasse, Woedviatla und Frankfuata auf die Plätze verwies. Die neueste Innovation gediegener Esskultur nennt sich Lange Wilde und soll mörder schoaf sein. Plus. Einer wissenschaftlichen Untersuchung ist zu entnehmen, daß etwa 18% der Lebensfreizeit damit vergeudet wird, elektronische Produkte per Fernbedienung zu triggern. Grund für diesen auffallend hohen Wert ist laut Studie das durchgehend schwarz in schwarz gehaltene Design der kleinen Infrarotsender. Es sei unmöglich, ohne spezielle Begabung oder Ausbildung remote controls richtig zu bedienen, bzw. die winzigen Codes auf den Tasten spezifischen Programmschritten zuzuordnen. Minus für Zeitraub.

Republik: Vier knappe Tage stehen für Wahlentscheidungen noch zur Verfügung. Der Teflonkanzler, der begabte Boogie-Woogie-Interpret Wolfi S., Giftschleuder el minimo, Heide“James-Bond-Pullover“Schmidt und Grünfranse Madeleine waren bei Nagiller auf Besuch und versuchten zu retten, was jeweils zu retten war. Die Angst ging um. Trotz Zweckoptimismus und flotten Sprüchen konnte man in den letzten Tagen aus den verschiedenen Äußerungen der wahlwerbenden Parteien nicht viel mehr als folgendes extrahieren: Die Roten fürchten sich vor schwarz-blau und damit verbundenem Verlust der Regentschaft. Die Schwarzen haben Reisgang, ein weiteres mal hinter den Roten zu bleiben. Die F-Beweger haben weder vor Tod noch Teufel Angst, sondern nur, daß Seine Ehrlichkeit zuwenig rechten Anklang findet. Die Heideblauen wiederum fürchten schwarz-blau gefolgt von schwarzrot (oder umgekehrt), schwarzrotgrün und alle anderen Varianten, die ohne Liberale gespielt werden. Die Grünen fürchten überhaupt alles, ihre eigene Courage eingeschlossen. Angst essen Ampel-Parteien auf. Minus.

Kultur: Das Forum, die wichtigste Publikation der II. Republik hat sein Erscheinen widerruflich eingestellt. Schleichender Rechtsruck und zunehmend lethargisches Desinteresse der linken Intelligentsia hungerten die Zeitschrift im 42. Jahr ihres Erscheinens bis auf die blanken Knochen aus. Weil der Fortbestand des Forum in Zeiten wie diesen dringender denn je ist, sei an dieser Stelle zu Solidarität Arbeit mit Herausgeber Garherd Iberschlock aufgerufen. Hoffnung auf Plus.

Medien: Jens Tschebull, Herausgeber des mager recherchierten WirtschaftsBlatt outet sich im profil als F-Wähler. Wegen „symbolischer Entschuldigung für die haßerfüllte, unobjektive Berichterstattung mancher meiner Berufskollegen.“ Minus für schlechte Symbolik.

Umwelt: Santa Claus schickt Schnee aus Finland. Plus.

Halbrunde Tische

Für meine Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 48-1995.

Konsum: Seit 11.11., elf Uhr elf befindet sich Schnitzelland im Fasching. Hopfenkönigin Manuela II. bereist die Lande, um die Zwettler Bierinnovation „Eisbock“ an den durstigen Mann zu bringen. Die Waldviertler Brauer bringen – erstmalig in Österreich – unfiltriertes Starkbier auf den Markt. Plus für neue Methoden, den Führerschein auf Eis zu legen. Eisig wird es auch für Pedalritter. Bikende Camouflageexperten statten sich mit russischen Panzerhauben aus und fetten Lager und Ketten für grausam romantische Fahrten durch schneeverwehte Adventstraßen. Plus für gut gerüstete Winterradler. Väterchen Frost liebt Produkte mit „M.“. Kratzende Kehlen schützen Schals aus Mohair, kalte Finger wärmen sich an knusprigen Maroni, Manteltaschen füllen sich mit süßen Mandarinen und im Flachmann wartet Freund Fernets mahagonifarbener Magenbitter auf Mittagsdepressionen. Plus für kleine Freuden.

Republik: Nach entäuschendem Fußballspiel gab Propellerkrawatte Wolfgang Schüssel dem Kameraden mit dem blauen Schal kalt-warm. Der Führer der F-Bewegten verstrickte sich in Widersprüche, hatte schlecht stehende Taferln mit und mußte vor Millionenpublikum ein technisches K.O. gegen den schwarzen Kanzleraspirant einstecken. Plus für den spannenden Nagillertisch. Weitaus unspektakulärer hingegen die Halbrunde Einem-Kier. Fadgasminus. Der Sandmann blies seinen müdemachenden Glitzerstaub durchs Hohen Haus. Nachtwachende Volksvertreter hatten in weiser Voraussicht Schlafsäcke und Feldbetten für des langen Tages Reise in die Nacht mitgebracht. Plus für marathonsitzende, rotäugige Parlamentarier.

Kultur: Robert Meyer trat wegen chaotischer Zustände als Ensemblesprecher der Burg zurück. Theatermacher Claus Peymann respondierte beleidigt per offenem Brief und warf darin den Schauspieler in einen Topf mit seinen Gegnern aus der F-Bewgung. Minus für unsensible Untergriffe. Aus der Traum von der Europameisterschaft für Schneckerl Prohaskas schlechtgeölte Kickertruppe. Die Nordiren bombten die verzweifelten Österreicher mit 5:3 vom nasskalten Feld. Trauriges Minus.

Medien: Die Brüder Fellner präsentierten ihr neuestes Flappenprodukt. tv-media ist 208 Seiten stark, bietet also täglich exakt 26,857 Seiten Medieninformation und 2,857 Seiten Inserate. Abwartendes Plus für die, von Altbürgermeister Zilk beratene Publikation. König Slalom löst Großherzog Boxenstop und Markgraf Centercourt ab. Plus für Wintersportfreunde.

Umwelt: Bangkok wolkig, 22°. Nairobi bedeckt, 25°. Casablanca heiter 29°. Wien, stürmisch, -3°. Sogar in Moskau ist es um sechs Grad wärmer. Depressives Minus.

Novemberstille

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 46-1995.

Konsum: Hasi „Ostbahnhofs“ Lapinski überzeugt zufälige, wie Stammgäste mit einer Leberknödelsuppe superber Qualität. Die Bouillon sah Rindsknochen und Fleisch von Innen. Die lebernen Knedli waren von geschmeidiger Eleganz, die Temperatur der Soupe von ausgesucheter Moderatheit und gezielter Würze. Plus für programmatisch unethnisch, aber gut arbeitende Wiener Küche des aussenpolitischen Profilisten. Das Schweizerhaus schließt die Tore dieser Saison. Jan Karl Kolarik feiert 220 Jahre Biergarten im Prater und sein eigenes halbhundertjähriges Wiegenfest. Plus für böhmische Tradition in stürmischen Zeiten. Die täglichen Nachtbusse erfreuen sich großer Beleibheit. Der Zorn der Taxler hält sich in Grenzen. Ihr Geschäft erleidet durch Öffi-fahrende Kids nicht die Einbußen, die große Fuhrunternehmer herbeigezetert hatten. Plus für friedliche Nachtheimreise.

Republik: Seltsame Ruhe vor dem Sturm. Die politischen Parteien schmieden Parolen und Konzepte für den heissen 17. Dezember. Runde Tische werden guter Schminke bedürfen, heißt es, oder televisionärer Tauglichkeit. Uralt-Bänder der Nixon-Kennedy-Fernsehdebatte werden studiert und Wolfgang Schüssel scharrt in den Archiven, wie denn das damals, zu Raab-Kamitz’ Zeiten war. Wahlentscheidend, so vermuten alle, werden weder persönliche Briefe ans Volk, noch popularisierende Plakate, nicht Streetwork, noch meinungsbildende Komentare aufmerksamer Journalisten, sondern einzig allein die brutale Wirklichkeit Live gesendeter Konfrontationen der Stimmwerbenden Parteimagnaten sein. Plus für offene Runden.

Kultur: Ernst, des schweigsamen, Dokupils Grünweiße besiegten Sporting Lissabon nach Verlängerung 4:0. Ein großer Heimsieg der Rapidler öffnet die Tür zur dritten Runde im XXX. Ein moderater Johann Krankl, der Metalliseewolf, konnte seine Emotionen nur mit Mühe unterdrücken. Schöner als Rapidspieler zu sein, kann es nur sein, Trainer der Hütteldorfer zu sein. xxx spielten ein fulminates Konzert in der Szene Wien. Anläßlich des Weltspartages fanden sich zahlreiche Gäste in der Lenaugasse ein, um dem Spargedanken zu huldigen. Plus für anonyme Anleger.

Medien: Das Wuk, Alsergrunder Kulturwerkstatt, entwächst nach 15 Jahren den Kinderschuhen und verpaßt sich eine Corporate Identity. Seine neue Zeitung nennt sich Triebwerk. Plus. Willi, Dr. Ostbahn, Resetarits, Kämpfer für Gleichheit vor dem Herrn und Integration vor dem Österreicher ist dem Spiegel zwei Seiten wert. Plus für aufmerksame Bundesdeutsche. Das Wirtschaftsblatt ist bis jetzt noch nicht eingegangen. Minus für Bronner, der aus Angst vor der zweifelhaft finanzierten Postille viel Energie entwickelte. Heißluftballone brauchn Wind. Wind bläst nicht auf Kommando.

Umwelt: November entzückt mit Schneewolken und kräftigen Winden. Es ist kalt, und doch nicht Winter. Depressive buchen Flüge nach Helsinki, dort ist es noch kälter und noch depressiver.

Bananenrepublik

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 44-1995.

Konsum: Nie zuvor war es einfacher, Elektronikkübel der Firma Apple zu besitzen. Befreundete Macintoshbesitzer raufen sich die Haare, wenn man ihnen von den neuesten Spielsachen erzählt. War es einst möglich, mit exklusiven 80-MB-Angeber-Festplatten und schwarzweiß-Tintenstrahldruckern im Gegenwert eines Mittelklassewagens zu protzen, gelingt das heute mit 800 Megabyte und Farbdeskjets zum Preis eines rostigen Mopeds. Der Transport von geschnorrter Software war – noch vor kurzem – nicht unter 20 Disketten zu managen. Seit gestern schließen vife Desktop-Publizisten ihre walkmangroßen zip-Kastln an und spulen in Sekundenschnelle 100 MB elektronisches Diebsgut auf Diskette. Computer-plus. Die Tage werden kürzer, das nächtliche Fortgehen länger. Hervorragende Gesprächsrunden im Alt-Wien bedeuten Plus. Einem Schlaganfallpatienten wurden im AKH beide Hoden entfernt. Er war mit einem Krebspatienten gleichen Namens verwechselt worden. Minus für tragischen ärztlichen Kunstfehler.

Republik: Stellen wir uns vor, ein Freund käme von einer Südamerika-Reise zurück und berichtete von der politischen Situation in der Republik Banania. Die Regierung dort hätte sich aufgelöst, Neuwahlen stünden an, ein äußerst populärer Rechter strebte die Macht im Staate an und aus Anlaß des Staatsfeiertages Bananias marschierte Militär über den größten Boulevard der Hauptstadt. Typisch Bananenrepublik würden wir sagen, die haben Nachholbedarf an Demokratie. Minus für Banania-Zustände in Schnitzelland. Während der Parade light am Ring blieben größere Zwischenfälle aus, Abfangjäger und Hubschrauber pflügten durch den Feiertagshimmel, fußgehende Truppenformationen und allerlei fahrbares Gerät wurden bestaunt und beklatscht. Hohe Militärs und Republikvordere standen sich vor dem Parlament die Füße in den Bauch – Tribünen waren dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das Publikum war hinter Absperrungen verstaut und nur in den ersten Reihen konnten zwischen Polizistenköpfen Marschkörper ausgemacht werden. Minus für diletantische Präsentation.
Kultur: Die, für 15. Dezember in Wien vorgeseheneUnterzeichnung der Rechtschreibreform Österreichs, Deutschlands und der Schweiz wurde von deutschen Ministerpräsidenten verschoben. Kritisiert wird die monopolartige Beteiligung der Duden-Redaktion und die geplante Eindeutschung von Fremdwörtern. Sett giffs Meinas for Matsch Adu Abaut Nassing.

Medien: Die Küniglberger planen neue Samstag-Hauptabend-Shows. Lizzy Engstler wird „Happy-End“, Wolfram Pirchner „Jackpot“ moderieren. Angst und Grauen machen sich in mir breit. Minus.

Umwelt: Buntes Laub, Nebel, Heizperiode, Husten, Plus.

Stadtfrisuren

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 43-1995.

Konsum: Drei Freunde braucht der Mensch im Leben. Einen guten Schallplattenhändler, einen noch besseren Zahnarzt und schließlich jemanden, der für die Frisur zuständig ist. Für die äußere, p.t. Haircut genannt, und – vielleicht noch wichtiger– für die innere, den Soulcut. Selbst schweigsame Naturen vertrauen dem Coiffeur intimere Details an, als dem noch-so-besten Freund und der noch-so-verschwiegensten Freundin. Ein Mann aus dem Holz, aus dem Analytiker, Mikrochirurgen und Mütter Theresae geschnitzt werden, darf in Stefan Halmer, vormaligem Gruppa L’Ultima-Mitarbeiter vermutet werden. Der Meister der flinken Schere und der gut geölten Kämme hat seine Werkstatt in einer Subdivision der Slezak Division in Er-Ich’s dependance vis a vis eingerichtet. Plus für fabelhafte Stadtfrisuren.

Republik: Halbrunde Tische en masse, Pressestunden zum Saufüttern, Elefantenrunden am laufenden Band beweisen: politics go TV-screen. Aber so heiß konnten die Diskussionen dieser Woche gar nicht auf den gebogenen Tisch kommen, daß sie am nächsten Morgen nicht wie kalte Suppe von gestern schmeckten. Opa ist der Beste (fanden rote Wahlkampfstrategen), nur Alexander van der Bellen war noch gescheiter als der Kanzler (fand das Publikum). Plus für grüne Wirtschaftssprecher. Viktor Klima wurde anderntags gegen den Goldreservenexperten el minimo in den Ring geschickt und entzauberte den F-Beweger bis zur Unkenntlichkeit. Plus für harte Bandagen. Wolfgang Schüssel wiederum holte sich Schützenhilfe vom großen Kanzler aus Deutschland. Nichts konnte den Unterschied zwischen den beiden Konservativen besser illustrieren, als die reine physische Differenz zwischen Helmut K. und Wolfi S. „…wir sind jetzt auch bei Euch auf dem Vormarsch…“, sprach es aus dem Deutschen. Minus für schlechte Wortwahl.

Kultur: Kokain. Wecker, Meister des schweissgebadeten Klaviers ging beim Schneeschaufeln Meier. Just als ein Film, in dem der große lyrische Pianist einen Drogenfahnder mimte, durch den Äther strich, klopfte das wirkliche Leben an seine Münchner Haustüre. Minus für Künstlerpech. „Ideal für jung und alt, für daheim und auf Reisen“ ist die CD von Sparvereinsmusiker und Hip Hop Finger Chrono Popp. Eine Kompilation seiner Arbeiten verdient ein dickes Plus.

Medien: Für´s Grobe sind bekannterweise der tägliche Schiejok und Megaperle Vera zuständig, aber auch auf den seichten Schienen des Küniglbergs wirds immer brutaler. Marie-Christiane Giuliani trippelt in Peter Rapp´s kleinen Fußstapfen und moderiert Millionenrad, die Sendung der tausend Tränen. Nur das Märchen von der Goldmarie ist menschenverachtender. Minus.

Umwelt: Nie war ein November widerlicher. Minus.

Schwarzer Oktober

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 42-1995.

Konsum: Eierschwammerl, Herbstes goldgelbe Gottesbeweise, sind Mangelware auf Wiener Märkten. Steinpilze enttäuschen durch gummiartige Konsistenz, sind durchgehend wurmstichig, von fahler Hutfarbe und werden um astronomische 70 Schilling per Viertelkilo gehandelt. Fungiphiles Expertenminus. Cäsium bunkernde Riesenchampignons aus ungarischen Zucht­kellern überraschen durch Festig­keit und Aroma. Vorsicht ist allerdings auch hier angebracht. Zweites Minus. McDonalds feiert Fischwochen. Die skandinavischen Staatsfrauen, Norwegens Gro Harlem Brundtland und Islands Vigdís Finnbogadóttir lukrieren so noch mehr Erträge aus ihren nordatlantischen Fangflotten. Spezialisten essen trotzdem im besten Fischrestaurant der Stadt, dem dalmatinischen Kornat. Plus.

Republik: Als Hasardeur („profil“) wird Propellerkrawatte Wolfgang Schüssel nach dem eigenwilligen Aufkündigen der Koalition in die Geschichtsbücher eingehen. Die Fahrkarte der SPÖ unter Vranz Teflonitzky dürfte mit Ampelkoalition bedruckt werden, die Rolle als Juniorpartner einer großen Koalition unter Kanzler Schüssel schließt die Löwelstraße aus. Mit dem Scheitern der rot-schwarzen Regierung scheint auch Österreichs Reputation als politisch und wirtschaftlich sicheres Land mit einem Schlag dahin zu sein. Zukunftsangst, Unsicherheit und kopfschüttelnde Ratlosigkeit sind die Antwort der Bevölkerung angesichts der paralysierten SP und einer von Neuwahleuphorie beseelten VP. Hunderte Millionen schwachwerdender Schillinge werden nun nicht in den Staatshaushalt, sondern in die Werbemühlen des Adventkrimis fließen. Dreifachminus für Schüssel und seine von Umfragedaten hypnotisierte Volkspartei. Die Starhemberger meldeten sich wieder: Briefbomben, die Vierte. Eine prominente Flüchtlingshelferin und zwei Ärzte waren Adressaten der jüngsten Serie. Minus

Kultur: Österreichs Kicker konnten trotz ausverkauftem Happelstadion gegen die Samba tanzenden Portugiesen nicht mehr als ein mageres Unentschieden einfahren. Die Chancen auf die EM-Teilnahme marginalisierten sich damit. Gurkentruppenminus.

Medien: Die Neuwahl am 17. Dezember bringt Schnitzelland nach Waldheim wieder einmal auf die Titelblätter sämtlicher Zeitungen rund um den Globus. Minus. Zur Frau des Jahres wählten Viva-Hörerinnen Erika Bogner, Oma eines HIV-Positiven Enkelkindes, dessen Eltern bereits an Aids gestorben sind. Plus für die unverbissen weiterkämpfende Frau.

Umwelt: Krisen lösen Verkehrsstaus und Kometenängste aus. Unterbrochen von sporadischen Nebelschwaden glänzt der Herbst durch Sonnenschein. Schönstes Altweibersommerplus.

Kirtag in Altaussee. Hietzinger Schuhplattler

Jedes erste Septemberwochenende ist im kleinen obersteirischen Salzkammergut der Teufel los. Tausende von Wienern hupfen in Lederhosen und Ausseerdirndln herum, Altgrafen wie Neureiche, Dichterlinge wie Medienmenschen.

 Andrea Maria Dusl für Falter 37/95.

Kirtag Altaussee.jpgAlle Jahre wieder, wenn sich zum Ausklang der Sommerfrische im kleinen Zweitausendseelennest Altaussee den hier seit Generationen urlaubenden Großbürger- und Grafenfamilien 7000 weitere Salonsteirer aus der Metropole anschließen, platzt der Ort am Fuße des Toten Gebirges aus allen Unterhosennähten.

Alle wollen vom großen Kuchen „Tradition“ naschen. Den haben die hier schon seit langem in ihren Salzkammergutvillen sitzenden altösterreichischen Magnatenfamilien zwar auch nicht selber gebacken, Graf Krethi und Komtesserl Plethi aber noch nie daran gehindert haben, in maßgeschneiderten Lodenjopperln den Einheimischen mit gespieltem Rustikalismus auf die Nerven zu gehen.

Großes und altehrwürdiges Vorbild für die bisweilen grotesken, stets aber peinlichen Formen des Wiener Verkleidungswahns ist der Nationalheld der Gegend, Erzherzog Johann. Dieser hat sich, wie an allen Ecken und Enden des Winkels auf Gedenktaferin und in Gästepostillen ausgebreitet wird, hier am 22. August 1819 in die Postmeisterstochter Anna Plochl verknallt. Mit des Erzherzogs Worten: „Ist sie mir guth?“ hat der ganze Rummel damals angefangen. Lange vor der um einiges bekannteren Romanze zwischen Franzl und Sisi in Ischl.

Schon zu Johanns Zeiten notierten die Chronisten des Salzkammergutes: „Aus der Fäulnis der Wiener Zeit unter Franz stammten auch die falschen Steyrer. Sie meinten, dem löblichen Beispiel des Erherzoges Johann nachzueifern, allein dieser Prinz hatte durch sein inniges Zusamrnenleben mit dem steyrischen Volke ein gewisses Recht auf den großen Lodenrock erworben. Die falschen Steyrer hingegen waren meist blasierte Gecken aus der Residenz.“

Seit den Tagen der Postkutschen hat sich daran nicht wesentlich viel geändert. Mit GTI und BMW kommt die „Jeunesse doree“ aus der Bundeshauptstadt auf Kurzbesuch in die Domizite der hier logierenden Eltern. Im Reisegepäck blähen sich die Koffer über Loden-Plankl-Jankern und Gexi-Tostmann-Dirndln. Wer auf sich hält, beeindruckt mitgebrachte Freunde mit uralten „Hirschledernen“. Nicht irgendwelche Lederhosen, sondern Altausseer müssen es sein, mit weißem „Bürsl“ einer kleinen weißen, aber wahnsinnig wichtigen Naht, zwei Fingerbreit überm Knie. Der Vorsprung an Einheimischkeit, der mit dieser stilistischen Marginalie gegenüber ähnlichen Produkten des Ausseerlands gewonnen wird, ist in irdischen Dimensionen nicht zu messen.

Das Alter der Hose muß dem des eigenen Großvaters nahekommen, was daran zu erkennen ist, daß das ursprüngliche Schwarz des Leders einem sandfarbenen, verschlissenen Teint gewichen ist. Mit einer Sepplhose vom Flohmarkt oder gar einer Bikerjean aus Favoriten anzutanzen gilt als Mißgriff und wird als proletenhafte Minderschätzung der hochnoblen Region und ihrer Sommerbewohner ausgelegt.

Den Gipfel der Verkleidungskunst stellt jedoch die Auswahl des richtigen Schuhwerkes dar. Die Debatte, welche Version zu welchem Zustand des Bodens paßt, ist um einiges schwieriger zu führen als die, welche violette Dirndlschürzenfarbe zu welcher Sorte grellrosa Kittel passen könnte. Der Aussee-Novize ist verblüfft, wie viele Farbnuancen der gelernte Sommerfrischler zwischen „grellrosa“ und „grellrosa“ zu unterscheiden vermag. Wirkliche Profis in dieser Disziplin sind die Bubis und Mädis aus „gutem Haus“, Hietzing und Pötzleinsdorf, natürlich nie und nimmer. Trotz redlicher und finanzintensivster Bemühungen kommen sie über den Status des „Postkartenausseers“ nie hinaus. Und so wundern sie sich Jahr für Jahr aufs Neue, wenn sie von den Einheimischen mit zugehaltenen Augen und Ohren und gegen den Wind als „Scheißweana“ entlarvt werden.

40er Kirtagszelt.jpgAlljährlicher Höhepunkt des Verkleidens und Enttarntwerdens ist der traditionelle „Altausseer Kirtag“ am ersten Septemberwochenende. Begonnen hat das Fest vor 35 Jahren relativ klein und bescheiden. Es dauerte zwei Tage, wegen des großen Erfolgs wurde jedoch in Anlehnung an den Faschingsmontag der sogenannte“Kirimontag“ dazugenommen, eine sehr raffinierte Idee der Altausseer, denen Samstag und Sonntag zu sehr verwienerten und die sich auf diese Art einen eigenen Einheimischen-Tag anhängen wollten. Mittlerweile ist auch der Kirimontag“ fest in den Händen der Horden aus der Wienerstadt.

Drehscheibe des Kirtages ist das Bierzelt, umringt von den für alpine Kirchweihfeste obligatorischen Vergnügungsattraktionen wie Schießstände, Autodromanlagen, Schaukeln und Ringelspiel. Mit der Eröffnung beginnt ein erbitterter Kampf zwischen Wienern und den Bewohnern der drei Ausseerlandgemeinden Altaussee, Grundlsee und Bad Aussee um Einlaß und Sitzplatz. Als Verstärkung der Ausseer sind auch noch Mitterndorfer, Goiserer, Hallstätter und andere Salzkammergutbewohner mit im Rennen.

Das Innere des Kirtagstempels ähnelt einer dreischiffigen Basilika. Im linken Seitenschiff blasen sich die Altausseer und Lupitscher Feuerwehrmusiker die Wangen blutig. Im rechten Seiten-Schiff bieten NebenkapelIen, die den Göttern „Nikotin“, „Pommes-frites“ und „Sprit“ gewidmet sind, Anlaß zur Einkehr. Die Apsis wird vom Hauptaltar „Alkoholfrei“ beherrscht, flankiert, von St. Mokka und St. Zirbenschnaps. Die linke Seitenapsis huldigt dem Martyrium der Heiligen Würstel, Räuchersaibling und Grillhenderl, die rechte ist den Anhängern der Volksheiligen Bier und Selbstbedienung geweiht.

40er Grillhendl.jpg250 Altausseer arbeiten sich die Hände wund, bringen an die 40.000 Biere, 6000 Hendln, 7000 Paar Bratwürstel, 14.000 Semmeln, 1500 Liter Wein und 7000 Liter Kracherl unter die Leute. Einen ersten Gipfel der Stimmung erklimmen die Festzeltbesucher während des Einzugs der 40köpfigen Delegation aus Ebensee. Der zweitägige Fußmarsch übers schneeverwehte Tote Gebirge wird unter großem Gejohle und Intonierung des „Ebenseer Fetzenmarsches“ im Zeit beendet. 14 Tage später gibt es den Gegenbesuch aus Aussee.

Absoluter Höhepunkt und größte Attraktion des Dreitagefestes in Altaussee ist der Auftritt von Emil. Emil ist der berühmteste Ausseer, fast so berühmt wie Klaus Maria, der wider die landläufige Meinung der „Zuagrasten“ tatsächlich von hier ist. Emil Strenberger ist pensionierter Müllmann, seine famose Karriere als Bierzelt-Entertainer begann vor 15 Jahren, sein lokaler Ruhm hat Phettberg’sche Dimensionen und die Wiener Freizeitsteirer versuchen so zu tun, als wären sie mit Emil groß und lustig geworden.

Kirimontag pünktlich um 21 Uhr – um diese Zeit trifft der von ihm rituell verwendete Postautobus ein, klatscht das Zeit mit Emil-Rufen den Mistkübler auf die Bühne. Sein Repertoire ist bescheiden und umfaßt die vier Megahits. „Und wenn du eine böse Schwiegermutter hast“, „Im Wald, da sind die Räuber“, „Ja, mir san min Radl da“ und „Wenn auf Capri…“
Emil freut sich das ganze Jahr auf seinen Auftritt nicht zuletzt, weil Klaus Maria Brandauer jedes Jahr hinter der Bühne steht und ihm nach vollbrachtem Sangeswerk anerkennend auf die Schulter klopft. Der Mime genießt den Rummel um die eigene Person nicht wirklich und verbringt den Kirtag hinter den Kulissen. Im Vergleich zu denen, die sich hier ins Rampenlicht drängen, strahlt sein Licht aber umso angenehmer.

Kirtag Innen.jpgZwischen all den echten Grafen, den Eltz‘ und Czernins, Merans, Harnoncours und Hohenlohe-Schillingsfürsten zeigt auch Horst Friedrich Mayer, Ritter von Küniglberg, gern die Schönheit seiner von abgewetzten Lederhosen nur notdürftig bekleideten Säbelbeine. Doch des Marinekenners Beine sind nicht die einzigen falschen Promihaxen vor Ort. Frisch gekampelt und geschneuzt, das Gamsjopperl und die jahrzehntealte Krachledeme angelegt, zieht Hannes Androsch, seine Mutter Lia am Arm und eine Truppe Ditndlträgerinnen im Schlepptau, in großer Prozession ins Zelt ein. Nichts an seinem Habitus erinnert an Floridsdorf, nichts an Sozialdemokratie und höchstens ein bißchen noch an seine Jugendtage als Kronprinz des alten Sonnenkönigs Kreisky. Alles am „Schönen Hannes“ sieht statt dessen nach gekauftem Landadel aus und fügt sich harmonisch ins Bild der hier vertretenen Seitenblicke-Prominenz.

Das Defilee und Herumgesitze bekannter Kapazunder dürfte nicht unwesentlich am ungebrochenen Erfolg Altaussees als supermegatrendige Sommerfrische verantwortlich sein.

Wie fast immer, entdeckte der Geldadel die Gegend erst, nachdem Künstler die Region für sich erobert hatten. Schon Thornas Bernhard graute in „Elizabeth 11“ vor dem angereisten Klüngel: „Schriftsteller Komponisten Komödianten/dieses ganze Gesindel“, schimpfte er“, gehen in Dirndlkleidern herum und in Lederhosen und machen sich mit Fleischhauern und Holzhackern gemein.“

Doch die Fratemisierungsversuche der Wiener fruchten wenig, die Ausseer lieben ihre Gäste nicht wirklich, tun ihnen nur schön und reiben sich die Hände. Besonders einträglich und beliebt ist alles, was dem Besucher die Illusion des alpinen Waidwerkes vermittelt. So gibt ein ausgiebiger Besuch des Armbrustschießzeltes jedem Wannabee-Wilderer die Chance, mit kleinen Armbrüsten auf kleine Scheiben zielen zu dürfen. Im direkten Wettkampf mit den real existierenden und anwesenden „Jagern“ der Gegend haben die Besucher aber keine Chance. Den von der Freiwilligen Feuerwehr Lupitsch ausgesetzten Schützenpreis – meist ein Fernsehapparat – will dennoch jeder gewinnen.

Im Zelt sitzen zumeist auch Lupitscher mit Knopferlharmonikas und spielen Marathons von Steirern und Gstanzln, meist mit schweinischen Texten. Dazu klatschen sie mehrstimmig. Das nennen sie „Paschen“. Die Wiener paschen sofort mit, worauf die „Musi“ verstummt, weil die Wiener weder Einsatz noch Lautstärke der rhythmischen Handschläge kennen und den Ausseern damit jeden Spaß verderben.

Gegen vier Uhr nachts versiegen die Bierquellen, die letzten Autodromaddicts drehen einsame Runden, Graf Krethi und Komtesserl Plethi treten den Heimweg an. Familienvilla, Ferienwohnung und Frühstückspension werden wankenden Schritts oder schlingender Fahrt angesteuert, der Tanz aus der lehmbeschmierten Lederhose und das Abwickeln der brathendlsaftverschmierten Dirndln beginnt.

Mit der Abreise der Wiener nach dem Kirtag wird es abrupt leer im Tal. Tennisplätze und Paragliding-Rampen verwaisen, Elektroboote und Erlebnisplätten werden eingewintert. Gaststätten kürzen ihre Speisekarten, und die Promenaden sind aper von urlaubenden Prominenten und Sommerfrischlern. Die Einheimischen genießen ihre Gegend und Schulkinder sprechen wieder ungeniert im Dialekt. Ein, zwei Monate lang. Bis die Schifahrer kommen. Dann beginnt alles von neuem.