Braschedda

So, Schluss mit lustig. Schluss mit der amerikanischen Ignoranz. Die Italiener haben es schon vorgemacht. Sie verbitten sich die falsche Aussprache ihrer Landesheiligtümer. Etwa Sbagäähdi zu sagen oder Braschedda, Braschuhddou und Mahdsarälla. Und: Brahssägou.

Bei Familien- und Vornamen, dem Heiligste überhaupt, das ein Mensch besitzt, gehen sie noch ungelenker und provinzieller um. Ich will von denen nicht Dahsl genannt werden und Ähndra. Immer mit diesem kehligen Vernuscheln. Halt! Aus! Auch Kchrischdschan Sdagga geht nicht, und Ändras Bäiblar nicht, und Bijadäi Miendw-Riessindscha. Aber gut, sollen sie.

Ich schlage vor, wie im Zollstreit mit gleicher Münze zu bezahlen. US-amerikanische Namen nach hiesigen Lautgesetzen auszusprechen. Geht ganz leicht. Ählonnmusck, Dohnaltrump, Jehdehwanze.

Kaseklosett.

1. Mai

Mein 1. Mai.
Früh aufgestanden.
Italienisch gefrühstückt.
Meine Fahne eingepackt.
Mit 31er, 5er und Genossen Emanuely zur Markthalle gefahren.
Viele 8er-Sektionistas angetroffen.
Mit dem Alsergrund zum Rathaus marschiert.
Mit Andi Babler geplaudert.
Die Reden gehört.
Im Landtmann Verwandte getroffen.
Tiefrotes Beef Tartare gegessen.
Sodazitron (SoZi) getrunken.
Alte Geschichten erzählt und neue gehört.
Nach Hause gewackelt.
In Tiefschlaf gefallen.
Tradition.

Millionenshow

Es gibt die Millionenshow – für Normalos, und die Promi-Millionenshow – für Promis. Das ist zuwenig. Was ist mit Millionären und Milliardären? Die haben keine Show? Ich schlage also die Millionärs-Millionenshow, und die Milliardärs-Milliarden-Show vor. Eventuell sogar die Milliardärs-Billionenshow. Halt mit einfacheren Fragen und mehr Hilfe vom Moderator. Als Telefonjoker Minister, Landeshauptleute und Bundeskanzler. Wie im echten Leben auch.

Fůra slámy

Die tschechische Polka „Fůra slámy“ (Eine Fuhre Stroh) von Karel Vacek heißt auf Deutsch, ganz gegen jede Vernunft „Knödelpolka“. Und auf Deutsch wird zu dieser Polka folgender Volltrotteltext (auch eben heute in der ORF-Volksmusik-Fernsehsendung „Mei liabste Weis“ gesungen):

Kannst du Knödel kochen,
frag ich mich seit Wochen.
So wie einst die Mutter,
hat gekocht mit Butter.

Schön locker zart und fein,
und bitte nicht zu klein.
Jajaja dann sollst du fürs Leben,
meine Knödelköchin sein.

Dabei geht’s im Original gar nicht um Knödel, sondern um Liebesschmerz (Übersetzung weiter unten):

Fůra slámy

V lásce velkou smůlu mám
zase budu chvíli sám,
hezká jsi jak růže,
nic to nepomůže,
já nepřijdu k vám.

Ať se děje, co se děje
máme málo naděje,
už to dobře víme,
že se rozloučíme,
jak si osud přeje.

Cesty se k nám rozdvojí,
doba všechno zahojí,
nezbyde ti ani
čas na vzpomínání
žes byla mojí.

Až pojedeš do města
jako hezká nevěsta,
potkáš na náměstí
fůru plnou štěstí,
vždyť jsi jednou ze sta.

R: Fůra, fůra slámy
konec mezi námi,
smůlu v lásce máme,
štěstí nepotkáme.

Nás čeká loučení,
žádná pomoc není,
každá panna stejná,
z chalupy jak ze mlejna.

Okay, das ist Tschechisch.
Hier die etwas holprige Übersetzung:

Eine Fuhre Stroh (Fůra slámy)

Ich habe ein großes Glück in der Liebe
Ich werde für eine Weile allein sein,
du bist hübsch wie eine Rose,
nichts wird helfen,
Ich werde nicht zu dir kommen.

Was auch immer passiert, was passiert
wir haben wenig Hoffnung,
wir wissen schon,
dass wir uns verabschieden,
wie es das Schicksal wünscht.

Die Wege teilen uns,
Zeit der Heilung,
Du auch nicht
Zeit sich zu erinnern
Du warst mein.

Wenn du in die Stadt gehst
wie eine hübsche Braut,
du triffst dich auf dem Platz
voller Glück,
Du bist eine der Hundert.

R: Eine Fuhre Stroh
das Ende zwischen uns,
wir haben Pech in der Liebe,
wir werden nicht glücklich sein.

Erwartet uns,
es gibt keine Hilfe,
jede Jungfrau ist gleich,
vor der Hütte wo man drischt

Von Knödeln keine Rede.

Denn „Kannst du Knödel kochen“ ist jene Version, die Ernst Mosch von den „Original Egerländer Musikanten“ aus dem tschechischen Original gebastelt hat. Konnte er den traurigen tschechischen Text seinem sudetendeutschen Publikum nicht antun?

Erz, Berg, Gummi, Löcher

Nachwort zum Gedichtband ‚breaking poems‘ von Stephan Eibel Erzberg

Andrea Maria Dusl, 26.1.2018

Stephan Eibel Erzberg trat mehrmals in mein Leben. Er schritt. Er raste. Er stürmte. Er sprang. Alle eibelschen Eintritte in mein Leben haben sich in eine Erinnerung verdichtet, die sich vor dem Café Bräunerhof in Wien zutrug und neben den Protagonisten Erzberg und Dusl auch einen Kinderwagen und ein Fahrrad als Requisiten aufbrachte. Zentrales Moment dieser Erinnerungverdichtung ist jene eidottergelbe Schauwand, mit der das Café Bräunerhof außen bekachelt ist. Im Lichte dieser Kachelwand strahlen die Gesichter Begegnender doppelt hell. Die krokusfadengelbe Bräunerhofwand erzeugt Damaskuserlebnisse.

Wer von uns beiden das Rad schob und wer den Kinderwagen, ist mir nicht direkt erinnerlich, Rahmen und Gestelle der beiden Gefährte schieben sich im Wachrufen der Ereignisse zu einem eisernen Kontinuum. Das liegt auch und gerade daran, dass sich die Gegenwart in der Anwesenheit von Stephan Eibel Erzberg zu einer Singularität zusammenschiebt. Es gibt niemals ein Gestern oder ein Morgen in archimontanen Begegnungen. Alles ist glückendes Jetzt. Zurück an den Faden. Möglicherweise war Stephan Eibel Erzberg auch mit beiden Transportgestellen, dem Fahrrad und dem Kinderwagen unterwegs. Ich wäre in diesem Falle glückliche Eigentümerin poetischen Trugs. Aber auch die verdichtete Erinnerung ist verlässliche Gefährtin der Genauigkeit. Sie schiebt die Dinge zu Wahrhaftigkeit zusammen.

Die Pfeilspitze der Begegnung zwischen und Eibel und Dusl war ein tiefer freudiger Schrei. Etwas, das nach „joh“, „nah“, am ehesten aber als Verschmelzung dieser Laute in meine Sinnschale schoss. Eibel sprang mit diesem Schrei, der das Wesen einer Umarmung hatte (und eine solche wohl auch körperlich war) auf mich. Direkt aus seiner Produktion des Fahrrad-Kinderwagen-Kontinuums. Dieser Moment löschte alle Momente aus, die sich in zeitlicher und emotioneller Umgebung befanden. Erodierte und radierte alles bis auf die Begegnung vor der dottergelben Bräunerhofwand. Zehn Jahre davor und zehn Jahre danach wurden ausgelöscht von der Kraft der stattfindenden Unmittelbarkeit. Augenblicklich. „Bwou“ schrie Eibel und sprang mich an wie ein kluges Tier aus Weisheit und Liebe und führte aus, was ihm am Herzen lag: „Ein Gedicht“. Stephan Eibel Erzberg schrie mir ein Gedicht in die Seele, wie ich noch nie eines gehört hatte. Es schrieb sich ins Hier und Jetzt wie kein Gedicht je zuvor, wie nichts Gedachtes je, es war singulär, eine Ahnung des Ewigen, nein, sein Ausweis. In einem kleinen Kämmerchen im Palast meines Glücks schrieb eine Zeugin Hermeneutisches mit: Ich brauche keine Gedichte mehr aus der Kiste der Einsamkeit, sagte es in mir, als das Eibelsche Gedicht gerade verhallte, keine Lyrik aus dem Zärtlichkeitskarton, keine Poetik aus der Rock ’n’ Roll-Tasche. Ich brauche, das dachte ich und denke es seither, nur Solches. Gedichte aus dem Jetzt, aus dem Mund des auf mich springenden Erzbergs. Gewiss, mich haben schon andere Gedichte berührt in diesem Leben, davor und danach. Aber keines und keine sind vom Berg, an dem Eibel schürft. Eisen aus Gold. Gold aus Gedichten. Und kein Dichter dieses Planeten hat mich während des poetischen Berühung auch tatsächlich berührt. Das kann nur Stephan Eibel Erzberg.

Eines Tages werde ich ein Theaterstück schreiben, das vor jener herrenlulugelben Bräunerhofkachelwand spielt, an der mich Stephan Eibel Erzberg mit der Großartigkeit infizierte. Meister Erzberg produziert Großartiges. Großartige Gedichte, großartige Gedanken, großartige Begegnungen. Sein Schatten hinterlässt großartige Ideen. Heldenhaft aufmüpfige. Haltlos dauerhafte. Handfest gegenwärtige.

Dazu muß man nicht wissen, dass Stephan Eibel Erzberg und mich eine spezielle Deformation verbindet – das ins Steiermärkische Gerissene. Jede Begegnung mit Stephan Eibel Erzberg ist auch jene (fiktive) Begegnung, in der wir beide noch steirische Schulkinder sind, die auf steirischen Puch-Fahrrädern sitzen, deren Sättel so weit hinuntergeschraubt sind, dass sich auch mit steirischen Kinderbeinen noch die Pedale erreichen lassen. Die Pedale wohlgemerkt, nicht aber die steirische Landstrasse. Ein Stratum aus Steinchen und hellgrauem Aphalt, darin der steirische Winter kürbishälftengroße Löcher gerissen hat, in denen sich winzige Lacken aus Mopedreifengummi, Zweitakterruß und Kernölhusten sedimentiert haben.

In der Beschreibung dieser Bilder ist nicht störend, dass sich die eine Straße im salzigen Aussee befindet und die andere im rostigen Eisenerz. Auf steirischen Straßen und steirischen Fahrräder fahrend kommt man jederzeit vom einen zum anderen Bergarbeiterstädtchen. In Gedanken sowieso. Zur Begegnung. Auf den wackeligen Packlträgern der Puchradln ist stets die Schultasche festgeschnallt, die Legitimation für die Welterkundung, mit einem hakenendigen Gummi, der soviel Kraft hat, dass sein Losschnalzen jederzeit in die Bewusslosigkeit führen kann. Die Schultasche ist aus Rindsleder genäht, riecht nach Schule und mit etwas Glück, das in den Straßenlöchern aufgetunkt wird, nach der Weite jenseits allen Steiermärkischen. Das größte, das heilige Glück aber verdichtet sich in jenem ovalen Aufkleber, ohne den eine steirische Schultasche der Sechzigerjahre nicht komplett war: Ein Werbeaufkleber der Motorenölkompanie STP. Kein steirisches Kind dieser Zeit wusste, was das Kürzel bedeutete. Aber allen steirischen Schulkindern standen diese Buchstaben wie Heilige Zeichen vor Augen. Stets und immerdar. Auch den Kindern Eibel und Dusl. Die Heiligkeit dieser Buchstaben, sie übertraf jederzeit jene von IHS und ÖVP hat gewiss in Stephan Eibel Erzberg die milde Zuneigung für die Kleinschreibung ausgelöst. Denn nichts anderes konnte neben STP je groß geschrieben werden. Sollte Eibel Erzberg andere Gründe für seine Minuskulophilie anführen, werde ich sie ihm nicht glauben. Alles andere glaube ich Stephan Eibel Erzberg jederzeit. Er ist der einzige Schreibende, dessen Schriften, der einzige Dichter, dessen Gedichte ich jederzeit und immerdar glaube. Sie sind in Wahrhaftigkeit getränkt und in der Ewigkeit des Jetzt.

Dies alles werde ich in einem Theaterstück bekennen, das vor einer sinalcofarbenen Kachelwand vor dem Café Bräunerhof im fernen salzigrostigen Wien spielt, das seine Kraft und Heiligkeit einzig den Begegnungen und Bewegungen verdankt, die von Dichtern wie Stephan Eibel Erzberg erzeugt werden. Er hat sich alles ausgedacht, Aussee, Eisenerz, Wien. Das Bräunerhof. Mich. Alles ein Gedicht.

ein gedicht.

Viktor, ich und die Profis

Falter 1,2/2001 vom 10.01.2001.

Ich besitze ein Originalkleid einer Beduinenfrau vom Sinai, das ich mir einmal im berühmten Basar Chan El Chalili in Kairo gekauft habe. Zu dem Kleid gehört ein blauer Gesichtsvorhang, mit schicken Münzketten und ein schwarzer, bestickter Schleier. In diesem Fetzen erschien ich vor einigen Jahren auf dem „Life Ball“ im Rathaus. Ich hatte diese Kostümierung als Statement gegen die Unterdrückung der islamischen Frau geplant und war sicher, das ich die einzige in solch einem Kleid sein würde, und mein Statement dadurch ein gewisses Gewicht erhalten würde. Überall Männer in Gummiwäsche, aber keine einzige Frau im Antiunterdrückungskleid! Weil ich nicht wirklich wusste, wie man am Sinai die Handtäschchenfrage angeht, wählte ich einen alten vergammelten, und absolut eingetrockneten Farbkübel und verstaute darin mein wenig Geld, eine Kamera und Schönheitsallerlei. In einem Seitentrakt begegnete ich dann ihm, dem damaligen Bundeskanzler der Republik Österreich: Viktor Klima. Ich fummelte meine kleine Olympus aus dem Farbtiegel, um uns schnapp zu schiessen. Viktor, damals noch nicht Autohändler, aber gab meine Kamera zwei herumstehenden Japanern mit den Worten: Des Foto von uns zwei lass ma uns doch lieba von die Profi machen!

Es ist nun einmal

Falter 3/2001 vom 17.01.2001.

Die Welt ist endlich dekompliziert worden. Wenn es stimmt, was unlängst bekannt wurde, dann fehlen mir die Worte. Ein Linguistenteam will den wahren Namen Gottes herausgefunden haben. Die Wissenschafter, so heisst es, mussten dazu nicht in Klöstern und Archiven forschen, nicht in Inkunabeln oder Inschriften, sie suchten ganz einfach in unserer Alltagssprache. Wenn es Gott gäbe, so ihr Verdacht, dann müsse sein Name noch in Gebrauch sein. Ein einfacher, ja universeller Name müsse es sein, ein Wort, so kurz und gut, wie es nur Gott zustände. Und die Sprachforscher wurden fündig: Der wahre Name Gottes ist das kleine, aber unbescheidene Wörtchen Es. Es ist der wahre Name Gottes! Es schneit, nämlich ganz einfach, wenn es kalt ist. Im Sommer regnet es, wenn es sich am Himmel zusammenbraut und es schüttet dann so lange, bis es wieder aufklart. Es ist doch ganz einfach! Es steckt in allem und jedem. Es geht ums Ganze, um die Wurst oder nur so la la, es geht, weiss wer warum. Wer hätte gedacht, das es so allgegewärtig ist. Eines nur, gaben die Wissenschafter zu bedenken, könne mit ihrem Modell nicht erklärt werden. Ein simpler Hinweis der Wiener Verkehrsbetriebe nämlich: Es wird ersucht, rückwärts auszusteigen!

Eine Bank für Hermes!

Falter 51/99 vom 22.12.1999.

Politiker mögen zu Hermes stehen wie sie wollen, aber der Mann hat ein Anrecht auf gutes Sitzen. Jede kleine Volksbank in jedem noch so kleinen Kuhnest leistet sich den Luxus, an Luft- und Aussichtskurorten holzbeplankte Bankerl aufzustellen, und bei uns soll sowas nicht gehen? Bei uns soll möglich sein, das 20te Fin de Siècle als Klimtleer und Freudlos zu bejammern, wie sich das der Krone-Kolumnist Georg Markus in einem profil-Essay jüngst gestattete, nicht hingegen, dem Titanen der Befindlichkeit, dem großen Hermes Phettberg, zu Analyse- und Verweilezwecken ein einziges, ein kleines Grabenbankerl aufzustellen? Was für eine Weltstadt ist das, in der den Besten nicht einmal mehr das gute Sitzen erlaubt ist? Ich fordere sie hiermit auf, Herr Bürgermeister Häupl, eine Sitzbank für Herrn Hermes Phettberg aufstellen zu lassen! Von stabiler Konstruktion möge sie sein, wetterfest und mit Planken aus strammen Stämmen belegt. Eine Plakette mögen sie darauf anbringen lassen mit dem Spruch: „Hier sitzt stets Hermes Phettberg.“ Wenn Hermes schon Pech mit den Banken hat, so sei ihm doch zumindest auf den Bänken ein wenig Glück bereitet! Die Fernsehanstalten dieses Landes fordere ich auf: Weg mit den kranken Brüdern! Eine Show für Hermes! Der ist krank genug!

Movimento Paul Auster 

Falter 50/99 vom 15.12.1999.

Zum Beispiel ist es sehr schwer, Paul Auster zu treffen“, schrieb die Musikjournalistin Doris Knecht einmal in der Einleitung zu einem Interview, in dem es im wesentlichen darum ging, wie einfach es im Grunde ist, Paul Auster zu treffen. Zum Beispiel ist es ungleich schwerer, andere Artikel zu finden, die mit „Zum Beispiel ist es sehr schwer, Paul Auster zu treffen“ beginnen. Diesem Übelstand soll nun abgeholfen werden! Diese Kolumne steht ganz im Dienste des „Movimento Paul Auster“, derAufgabe nämlich, dieser formidablen Intervieweinleitung jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdient. Kollegen im In- und Ausland solidarisieren sich mit der Bewegung „Beginne Dein Werk mit dem Zum-Beispiel-ist-es-sehr-schwer,-Paul-Auster-zu-treffen-Satz“. Zusagen von Susan Sontag, Art Buchwald, Amila Bettencourt, Max Goldt und Jan Morris, sich dem Movimento anzuschließen, liegen vor. Umberto Eco, Schriftsteller, Weltendeuter und der letzte Univeralgelehrte von altem Schrot und Korn feilt an einer L’Espresso-Kolumne, die sich ganz dem Thema widmen wird. Auch Paul Auster selbst hat eingeschwenkt und möchte seine Manhattan-Trilogie „Bagel, Burger, Babes“ unbedingt mit dem legendären Zitat beginnen.

Banana y Enzian 

Falter 49/99 vom 08.12.1999.

Ich bin eine große Freundin lebender Pflanzen. Nicht enden wollendes Glück durchströmt mich, wenn mein kleines Küchengärtlein mich schon beim Aufschließen der Eingangstüre mit einem würzigen „¡hola, comandantina, qué pasa!“ entgegenduftet. Salbian und Thymel, Oregany und Basilica: Wie auch immer sie sich nennen mögen, ich schätze meine Freunde aus dem Reich der herben Äther, Wenngleich ich Bananen nicht so gerne hab, wie das von Josephine Baker kolportiert wird, so liebe ich doch die Bananenstaude in einem Ausmaß, das dem Lateinamerikatouristen Friedrich Humboldt gewiß imponiert hätte. Bananenstauden haben nämlich was ungeheuer kraftvolles, sie haben mehr Saft in den Stengeln als Hermann Maier Schmalz in den Schenkeln. Ungleich zarter und blauer hingegen sind die Produkte, die meine zweite Lieblingspflanze, der almbodenständige Enzian hervorbringt. Aber oho! Tropen und Alpen sind doch ein ungleiches paar Bewässerungsschuhe! Wann immer es meinem Enzianbuschen „Mausi“ prächtig geht, läßt Bananenbaum „Herbert“ braune Flecken am Blätterkragen sehen. Und wenn Enzian „Mausi“ die ultramarinen Becher verkneift, schießt neuer Saft in „Herberts“ Stiele. Es ist eine komlizierte Welt!

Sörpita

Falter 48/99 vom 01.12.1999.

Der Mann hat meine vollste Unterstützung. Erstens pocht in ihm ein ebenso grosses wie heimatloses russiches Herz, dann ist der Großmeister der Avunkulistik polydilettantisch genial und liebedient zudem dem Zelluloidepos. Peter Ustinov gehört mit dem Hannibal der Violinistik Yehudl Menuhin zu den wenigen, von QE2 aristokratisierten Briten, die ihr „Sir“ nicht mit zweifelhafter Operettenmusik oder geriatrischer Wirtschaftspolitik verdient haben. In nichts hingegen gleicht mir Sir Peter Ustinov. Ich bin wesentlich jünger und hübscher, bekomme mehr Geld für meine Kolumnen und habe noch nie ein Autogramm gegeben, geschweige denn eine Gala geworfen – aber eines eint uns so Diverse: Wir können Bücher nicht zu Ende lesen. Und wir geben das auch noch zu. „Ach, Sir Peter, wenn sie wüßten, wie sehr sie mir helfen, in dieser Welt der…„ schrieb ich unlängst in mein turquoises Tagebuch, „ dieser Welt der Bücherzuendeleser!“. Ein kleines Tröpfchen Meer tränte aus meinen Augenwinkeln und löschte die Buchstabenkombination zuendel im Wort Bücherzuendeleser. (Sir Peter gilt als grosser Feind der Zündler! Nero spielte er nur, um vor Brandstiftern zu warnen!) Sir Peter und die Comandantina werden demnächst Listen ihrer angelesenen Bücher austauschen.

Weihtukäi 

Falter 47/99 vom 24.11.1999.

Alleine das Wort ist grauenhaft. Wort? Die Floskel, ach was, die Kürzel, die aussieht, als hätten die Kreuze des Union-Jack einen halbgefrorenen Aal verschluckt. Y2K, was so viel, beziehungsweise so wenig bedeutet wie Jahr 2 Kilo, entstammt bizarerweise einem Kuturkreis, der ebenso hartnäckig wie erfolgreich in Füssen, Unzen, Gallonen und Zoll rechnet, dass es auch schon vorkommen kann, dass eine Marssonde alleine deswegen ihr Ziel vergfehlt, weil die eine Ingenieurpartie im metrischen System rechnete und die andere in miles, inches und quarterpounds per fortnight. Mit Y2K, ausgesprochen Weihtukäi bezeichnen die Anglophonen alles, was auch nur im Entferntesten damit zusammenhängt, dass sparsame Programmierzeilen-Verfasser Programmierzeilen solcherart einsparten, daß sie Jahreszahlen um die ersten beiden Ziffern erleichterten. Wegen dieses, auch Millenium-Bug genannten Jahrtausendproblems soll ich jetzt Haltbarsalami bunkern, meinen Toaster, mein Bügeleisen und meinen Föhn zum Festplatten-Checkup bringen und Notfalloperationen in den Frühling verlegen? Von mir aus! Aber bitte verschont mich mit Josef „Computer-Experte“ Broukals Mahnefinger! Meine Zahlenprofetin ist kein Y2K-kranker Pehzeh! Sondern ein pumperlgesunder Mac.

Serious Zeros 

Falter 46/99 vom 17.11.1999.

„Ja, nu måste jag berätta något“, wie wir Schwedinnen sagen. In weisspelzigen Siebenmeilen-Moonboots schreitet dieses Jahrtausend ihrem wohlverdienten Ende entgegen. Auch wenn verbissene Tüftler mit dickem Historikerschaum vor dem Mund nicht müde werden, zu betonen, daß das Jahrtausend „genaugenommen“ erst am 31.12. 2000 zu Ende gehe: Leute! Schlagartig springen gleich drei Ziffern im Datum auf Zero! That’s all the fuzz about, nicht langweilige Diskussionen um das nichtexistieren eines Jahres „Null“ und anderer datumklauberischer Unsinn! 2000 ist 2000 und das ist gut so. Weniger struktive Gedanken wurden bislang gewälzt, wie wir denn die, zeitgeich neu mitanfangende Dekade nennen sollen. Ich erinnere daran, daß es common ubereinstimming darüber gibt, Dekaden mit zündenden Slogans zu markieren. Die goldenen Zwanzigerjahre! Wer kennt sie nicht? Oder die swinging sixties! Und erst die roaring seventies! Und nicht zuletzt unser gerade vergehendes Dekädche: Die MS-Nineties, dazed, confused und vergatesed. Grosse Panik besteht nun, wie wir die, mit Neujahr 2000 anbrechende Dekade nennen sollen. Die zauberhaften Zweitausender? Det luktar illa, wie wir Schwedinnenn sagen, The Zeros werden die heissen. Ganz einfach.

Kreative Christmasnacht 

Falter 45/99 vom 10.11.1999.

Werbefuzzis haben es nicht leicht. Einerseits müssen sie sich täglich mit den Randerscheinungen des Phänomens Kreativität auseinandersetzen, andererseits sollen sich diese, von geizigen Auftraggebern und teuren Designer geschundenen Kreaturen auch noch in die Streckbank des gesellschaftlichen Konsens legen. Eine dieser virtuellen Foltermaschinen ist die, mit dem Vormarsch angloamerikanischer Vorabendserien fast schon ewig gewordene Frage: „Weihnachtsmann oder Christkind?“ Weil in dieser Frage selbstverständlich nur Vermutungen kursieren – seriöse Meinungsforschung beschäftigt sich ja eher mit Fragen wie „würden sie Haider auch wählen, wenn er schwul wäre, und nicht nur Morgen Sonntag?“ – greifen Werbefuzzis immer öfter in die schmutzige Trickkiste der Insinnuierung. Nicht immer, aber immer öfter. Durch die Hintertüre des fait accompli kommen plötzlich Santa Clausens Rentiere in unsere gute Stube. Sowas rentiert sich. Schon aus semantischen Gründen. Onomasiologische Verwirrtheiten wie die Tatsache, dass Santa Claus (bei uns) unmöglich mit Renen daherkommen kann, weil er als Nikolo schon fix mit dem Krampus zusammen ist, werden dieses Jahr erstmals ignoriert. „Happy Advent!“, wie wir Kreativen sagen.

Traumhafte Entwicklung 

Falter 44/99 vom 03.11.1999.

Träume sind etwas sehr sehr seltsames. Sie sind meist gespenstisch real, obwohl ihre Inhalte stets gespenstisch irreal sind. Ich vermute: Träume sind die wirklichere Wirklichkeit. Sie sind nicht das Seiende, sondern die Wirklichkeit. Das, was was wirkt, nicht das, was ist. Gestern träumte mir, alle Polizisten trügen neuerdings Armbinden mit draufgemalten Hakenkreuzen. Ich fuhr mit meinem Rad die Rotenturmstrasse hinunter und wurde an einer Strassensperre aufgehalten. (Etwa dort, wo die Rotenturmstrasse in das Immaginat Schwedenplatz mündet). Aber diese Polizisten waren keine Nazis. Sie waren bloss Polizisten, die sich Hakenkreuzschleifen umgebunden hatten. Selbergemachte, keine aus dem Uniformgeschäft. Verwirrt fragte ich den einen Polizisten, (den mit dem blonderen Schnurrbart), wieso er plötzlich eine schwarze Uniform mit Hakenkreuzbinde trage, wo doch sowas gar nicht erlaubt sei, weil… „Steings von inan Radl owa, sunst hob I eana“, drohte der Polizist und klopfte mit einem baseballschlägerdicken Rohrstaberl auf meine Stirn, „ und wos mochn sie eingtlich in mein Traum?“ „In ihrem Traum? “ gab ich verdattert zurück.“ „Net bled matschkern, zerscht mid an schas Radl daherkumman, und donn deppat mödn, mir san olle Natsi?“ Wessen Traum war das jetzt?

Scheßoktobe 

Falter 43/99 vom 27.10.1999.

Om Dhom Khom, der schrullige Wettergott mit den seltsamen Bekannten und dem hysterischen Faible für Satsumas hat diese Woche schon wieder ein News-Handy gewonnen. Om, der unbesiegte Meister im Schwimmen gegen die reissenden Ströme des Zufalls hatte wieder gerubbelt. Und wieder gewonnen. Zwei Handys (man sagt Hendies) kann aber selbst eine hochrangige Glücksfigur vom Formate Oms nicht wirklich brauchen. Also gab der „primus inter pares wettermachenses“ – wie ihn der Rektor der Universität Paderborn in einer meteorologischen Jubelschrift jüngst etwas gespreizt titulierte – Anweisung, das Handy an Bedürftige zu „vesenken“. Ob das rechtens sei, wollte Om wissen, und wedelte dabei illustrativ mit dem Rubbelgewinhunderter mit der „Zahl“ BB14611N. (Ob man ein errubbeltes Handy jemand anderem unterjubeln könne, der es vielleicht noch weniger brauchen könne, als man selbst, war der Subtext der Frage). Klar könne man das, meinte ich spitzmündig, sowas geschehe oft. Die ganze Telekommunikationsbranche arbeute mit lauteren Tricks dieser Art. Om verstand sofort, wie ich das meinte. Sein meteorologisches Bureau kenne diese Technik seit Jahrzehnten, gab er zu: „Ene Hebst mit Kanten“ klänge doch besser als: „Scheßoktobe…“

Zahl, Hendi! 

Falter 42/99 vom 20.10.1999.

Jetzt ist es passiert. Das Unwahrscheinliche. Das Unglaubliche. Das. Unausweichliche. Ich habe ein Handy (man sagt: Hendi) gewonnen. Ich habe ein News (man sagt Niuhs) gekauft, aus beruflichen Gründen, und – nur so mal aus Spaß – an einem Glücks-Hunderter gerubbelt. (Dort, wo normalen Magazinen das Cover anfängt, fängt bei Njuhsen bekanntlich die Flappe an. Und dort wo bei normalen Njuhsen die Flappe anfängt, fing diesmal ein Glücks-Hunderter an. Und der Glückshunderter empfahl gierig: „Hier Rubbeln“. Und dort wo bei normalen Hundertern der Slogan Österreichische Nationalbank steht, war mein Njuhs-Hunderter silbern bedruckt! Hmm, dachte ich: Hier Rubbeln mit Rechtspfeil und da silbernes Feld! Also rubbelte ich das Silber weg und die „Zahl“ AD61292L erschien. Dann passierte lange nichts. Aber die „Zahl“ arbeitete in mir und mein subconsious mind ließ nicht locker, das ganze Njuhs zu lesen. Und so erfuhr ich, daß mir das Schicksal hold sei und mir ein „Handy C25“ zudächte. Obwohl ich gar kein Hendi C25 brauche! Mein lieber Freund Om hingegen war von meinem Glück hingerissen und weil Katmandesische Wettergötter für Blödsinn jeder Art jederzeit zu haben sind, hat Om sofort den Hendigewinnschein ausgefüllt und an Njuhs geschickt. Mal sehen.