Kategorie: Comandantina
„Comandantina“ und „Comandantina Dusilova“ hießen wöchentliche Kolumnen in der Wiener Stadtzeitung Falter.
Frohe Ostern
Hermes
Hoch der 1. Mai!
Strenua
Back from the hatter
Andrea AI
Millionenshow
Es gibt die Millionenshow – für Normalos, und die Promi-Millionenshow – für Promis. Das ist zuwenig. Was ist mit Millionären und Milliardären? Die haben keine Show? Ich schlage also die Millionärs-Millionenshow, und die Milliardärs-Milliarden-Show vor. Eventuell sogar die Milliardärs-Billionenshow. Halt mit einfacheren Fragen und mehr Hilfe vom Moderator. Als Telefonjoker Minister, Landeshauptleute und Bundeskanzler. Wie im echten Leben auch.
Fůra slámy
Die tschechische Polka „Fůra slámy“ (Eine Fuhre Stroh) von Karel Vacek heißt auf Deutsch, ganz gegen jede Vernunft „Knödelpolka“. Und auf Deutsch wird zu dieser Polka folgender Volltrotteltext (auch eben heute in der ORF-Volksmusik-Fernsehsendung „Mei liabste Weis“ gesungen):
Kannst du Knödel kochen,
frag ich mich seit Wochen.
So wie einst die Mutter,
hat gekocht mit Butter.Schön locker zart und fein,
und bitte nicht zu klein.
Jajaja dann sollst du fürs Leben,
meine Knödelköchin sein.
Dabei geht’s im Original gar nicht um Knödel, sondern um Liebesschmerz (Übersetzung weiter unten):
Fůra slámy
V lásce velkou smůlu mám
zase budu chvíli sám,
hezká jsi jak růže,
nic to nepomůže,
já nepřijdu k vám.Ať se děje, co se děje
máme málo naděje,
už to dobře víme,
že se rozloučíme,
jak si osud přeje.Cesty se k nám rozdvojí,
doba všechno zahojí,
nezbyde ti ani
čas na vzpomínání
žes byla mojí.Až pojedeš do města
jako hezká nevěsta,
potkáš na náměstí
fůru plnou štěstí,
vždyť jsi jednou ze sta.R: Fůra, fůra slámy
konec mezi námi,
smůlu v lásce máme,
štěstí nepotkáme.Nás čeká loučení,
žádná pomoc není,
každá panna stejná,
z chalupy jak ze mlejna.
Okay, das ist Tschechisch.
Hier die etwas holprige Übersetzung:
Eine Fuhre Stroh (Fůra slámy)
Ich habe ein großes Glück in der Liebe
Ich werde für eine Weile allein sein,
du bist hübsch wie eine Rose,
nichts wird helfen,
Ich werde nicht zu dir kommen.Was auch immer passiert, was passiert
wir haben wenig Hoffnung,
wir wissen schon,
dass wir uns verabschieden,
wie es das Schicksal wünscht.Die Wege teilen uns,
Zeit der Heilung,
Du auch nicht
Zeit sich zu erinnern
Du warst mein.Wenn du in die Stadt gehst
wie eine hübsche Braut,
du triffst dich auf dem Platz
voller Glück,
Du bist eine der Hundert.R: Eine Fuhre Stroh
das Ende zwischen uns,
wir haben Pech in der Liebe,
wir werden nicht glücklich sein.Erwartet uns,
es gibt keine Hilfe,
jede Jungfrau ist gleich,
vor der Hütte wo man drischt
Von Knödeln keine Rede.
Denn „Kannst du Knödel kochen“ ist jene Version, die Ernst Mosch von den „Original Egerländer Musikanten“ aus dem tschechischen Original gebastelt hat. Konnte er den traurigen tschechischen Text seinem sudetendeutschen Publikum nicht antun?
Erz, Berg, Gummi, Löcher
Nachwort zum Gedichtband ‚breaking poems‘ von Stephan Eibel Erzberg
Andrea Maria Dusl, 26.1.2018
Stephan Eibel Erzberg trat mehrmals in mein Leben. Er schritt. Er raste. Er stürmte. Er sprang. Alle eibelschen Eintritte in mein Leben haben sich in eine Erinnerung verdichtet, die sich vor dem Café Bräunerhof in Wien zutrug und neben den Protagonisten Erzberg und Dusl auch einen Kinderwagen und ein Fahrrad als Requisiten aufbrachte. Zentrales Moment dieser Erinnerungverdichtung ist jene eidottergelbe Schauwand, mit der das Café Bräunerhof außen bekachelt ist. Im Lichte dieser Kachelwand strahlen die Gesichter Begegnender doppelt hell. Die krokusfadengelbe Bräunerhofwand erzeugt Damaskuserlebnisse.
Wer von uns beiden das Rad schob und wer den Kinderwagen, ist mir nicht direkt erinnerlich, Rahmen und Gestelle der beiden Gefährte schieben sich im Wachrufen der Ereignisse zu einem eisernen Kontinuum. Das liegt auch und gerade daran, dass sich die Gegenwart in der Anwesenheit von Stephan Eibel Erzberg zu einer Singularität zusammenschiebt. Es gibt niemals ein Gestern oder ein Morgen in archimontanen Begegnungen. Alles ist glückendes Jetzt. Zurück an den Faden. Möglicherweise war Stephan Eibel Erzberg auch mit beiden Transportgestellen, dem Fahrrad und dem Kinderwagen unterwegs. Ich wäre in diesem Falle glückliche Eigentümerin poetischen Trugs. Aber auch die verdichtete Erinnerung ist verlässliche Gefährtin der Genauigkeit. Sie schiebt die Dinge zu Wahrhaftigkeit zusammen.
Die Pfeilspitze der Begegnung zwischen und Eibel und Dusl war ein tiefer freudiger Schrei. Etwas, das nach „joh“, „nah“, am ehesten aber als Verschmelzung dieser Laute in meine Sinnschale schoss. Eibel sprang mit diesem Schrei, der das Wesen einer Umarmung hatte (und eine solche wohl auch körperlich war) auf mich. Direkt aus seiner Produktion des Fahrrad-Kinderwagen-Kontinuums. Dieser Moment löschte alle Momente aus, die sich in zeitlicher und emotioneller Umgebung befanden. Erodierte und radierte alles bis auf die Begegnung vor der dottergelben Bräunerhofwand. Zehn Jahre davor und zehn Jahre danach wurden ausgelöscht von der Kraft der stattfindenden Unmittelbarkeit. Augenblicklich. „Bwou“ schrie Eibel und sprang mich an wie ein kluges Tier aus Weisheit und Liebe und führte aus, was ihm am Herzen lag: „Ein Gedicht“. Stephan Eibel Erzberg schrie mir ein Gedicht in die Seele, wie ich noch nie eines gehört hatte. Es schrieb sich ins Hier und Jetzt wie kein Gedicht je zuvor, wie nichts Gedachtes je, es war singulär, eine Ahnung des Ewigen, nein, sein Ausweis. In einem kleinen Kämmerchen im Palast meines Glücks schrieb eine Zeugin Hermeneutisches mit: Ich brauche keine Gedichte mehr aus der Kiste der Einsamkeit, sagte es in mir, als das Eibelsche Gedicht gerade verhallte, keine Lyrik aus dem Zärtlichkeitskarton, keine Poetik aus der Rock ’n’ Roll-Tasche. Ich brauche, das dachte ich und denke es seither, nur Solches. Gedichte aus dem Jetzt, aus dem Mund des auf mich springenden Erzbergs. Gewiss, mich haben schon andere Gedichte berührt in diesem Leben, davor und danach. Aber keines und keine sind vom Berg, an dem Eibel schürft. Eisen aus Gold. Gold aus Gedichten. Und kein Dichter dieses Planeten hat mich während des poetischen Berühung auch tatsächlich berührt. Das kann nur Stephan Eibel Erzberg.
Eines Tages werde ich ein Theaterstück schreiben, das vor jener herrenlulugelben Bräunerhofkachelwand spielt, an der mich Stephan Eibel Erzberg mit der Großartigkeit infizierte. Meister Erzberg produziert Großartiges. Großartige Gedichte, großartige Gedanken, großartige Begegnungen. Sein Schatten hinterlässt großartige Ideen. Heldenhaft aufmüpfige. Haltlos dauerhafte. Handfest gegenwärtige.
Dazu muß man nicht wissen, dass Stephan Eibel Erzberg und mich eine spezielle Deformation verbindet – das ins Steiermärkische Gerissene. Jede Begegnung mit Stephan Eibel Erzberg ist auch jene (fiktive) Begegnung, in der wir beide noch steirische Schulkinder sind, die auf steirischen Puch-Fahrrädern sitzen, deren Sättel so weit hinuntergeschraubt sind, dass sich auch mit steirischen Kinderbeinen noch die Pedale erreichen lassen. Die Pedale wohlgemerkt, nicht aber die steirische Landstrasse. Ein Stratum aus Steinchen und hellgrauem Aphalt, darin der steirische Winter kürbishälftengroße Löcher gerissen hat, in denen sich winzige Lacken aus Mopedreifengummi, Zweitakterruß und Kernölhusten sedimentiert haben.
In der Beschreibung dieser Bilder ist nicht störend, dass sich die eine Straße im salzigen Aussee befindet und die andere im rostigen Eisenerz. Auf steirischen Straßen und steirischen Fahrräder fahrend kommt man jederzeit vom einen zum anderen Bergarbeiterstädtchen. In Gedanken sowieso. Zur Begegnung. Auf den wackeligen Packlträgern der Puchradln ist stets die Schultasche festgeschnallt, die Legitimation für die Welterkundung, mit einem hakenendigen Gummi, der soviel Kraft hat, dass sein Losschnalzen jederzeit in die Bewusslosigkeit führen kann. Die Schultasche ist aus Rindsleder genäht, riecht nach Schule und mit etwas Glück, das in den Straßenlöchern aufgetunkt wird, nach der Weite jenseits allen Steiermärkischen. Das größte, das heilige Glück aber verdichtet sich in jenem ovalen Aufkleber, ohne den eine steirische Schultasche der Sechzigerjahre nicht komplett war: Ein Werbeaufkleber der Motorenölkompanie STP. Kein steirisches Kind dieser Zeit wusste, was das Kürzel bedeutete. Aber allen steirischen Schulkindern standen diese Buchstaben wie Heilige Zeichen vor Augen. Stets und immerdar. Auch den Kindern Eibel und Dusl. Die Heiligkeit dieser Buchstaben, sie übertraf jederzeit jene von IHS und ÖVP hat gewiss in Stephan Eibel Erzberg die milde Zuneigung für die Kleinschreibung ausgelöst. Denn nichts anderes konnte neben STP je groß geschrieben werden. Sollte Eibel Erzberg andere Gründe für seine Minuskulophilie anführen, werde ich sie ihm nicht glauben. Alles andere glaube ich Stephan Eibel Erzberg jederzeit. Er ist der einzige Schreibende, dessen Schriften, der einzige Dichter, dessen Gedichte ich jederzeit und immerdar glaube. Sie sind in Wahrhaftigkeit getränkt und in der Ewigkeit des Jetzt.
Dies alles werde ich in einem Theaterstück bekennen, das vor einer sinalcofarbenen Kachelwand vor dem Café Bräunerhof im fernen salzigrostigen Wien spielt, das seine Kraft und Heiligkeit einzig den Begegnungen und Bewegungen verdankt, die von Dichtern wie Stephan Eibel Erzberg erzeugt werden. Er hat sich alles ausgedacht, Aussee, Eisenerz, Wien. Das Bräunerhof. Mich. Alles ein Gedicht.
ein gedicht.
Rüttelscheim
Daneben geht des Grafens Schieße,
er hält es für ’ne Schaffenskrise.
AMD, 2. Juni 2016
Viktor, ich und die Profis
Falter 1,2/2001 vom 10.01.2001.
Ich besitze ein Originalkleid einer Beduinenfrau vom Sinai, das ich mir einmal im berühmten Basar Chan El Chalili in Kairo gekauft habe. Zu dem Kleid gehört ein blauer Gesichtsvorhang, mit schicken Münzketten und ein schwarzer, bestickter Schleier. In diesem Fetzen erschien ich vor einigen Jahren auf dem „Life Ball“ im Rathaus. Ich hatte diese Kostümierung als Statement gegen die Unterdrückung der islamischen Frau geplant und war sicher, das ich die einzige in solch einem Kleid sein würde, und mein Statement dadurch ein gewisses Gewicht erhalten würde. Überall Männer in Gummiwäsche, aber keine einzige Frau im Antiunterdrückungskleid! Weil ich nicht wirklich wusste, wie man am Sinai die Handtäschchenfrage angeht, wählte ich einen alten vergammelten, und absolut eingetrockneten Farbkübel und verstaute darin mein wenig Geld, eine Kamera und Schönheitsallerlei. In einem Seitentrakt begegnete ich dann ihm, dem damaligen Bundeskanzler der Republik Österreich: Viktor Klima. Ich fummelte meine kleine Olympus aus dem Farbtiegel, um uns schnapp zu schiessen. Viktor, damals noch nicht Autohändler, aber gab meine Kamera zwei herumstehenden Japanern mit den Worten: Des Foto von uns zwei lass ma uns doch lieba von die Profi machen!