Bananenrepublik

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 44-1995.

Konsum: Nie zuvor war es einfacher, Elektronikkübel der Firma Apple zu besitzen. Befreundete Macintoshbesitzer raufen sich die Haare, wenn man ihnen von den neuesten Spielsachen erzählt. War es einst möglich, mit exklusiven 80-MB-Angeber-Festplatten und schwarzweiß-Tintenstrahldruckern im Gegenwert eines Mittelklassewagens zu protzen, gelingt das heute mit 800 Megabyte und Farbdeskjets zum Preis eines rostigen Mopeds. Der Transport von geschnorrter Software war – noch vor kurzem – nicht unter 20 Disketten zu managen. Seit gestern schließen vife Desktop-Publizisten ihre walkmangroßen zip-Kastln an und spulen in Sekundenschnelle 100 MB elektronisches Diebsgut auf Diskette. Computer-plus. Die Tage werden kürzer, das nächtliche Fortgehen länger. Hervorragende Gesprächsrunden im Alt-Wien bedeuten Plus. Einem Schlaganfallpatienten wurden im AKH beide Hoden entfernt. Er war mit einem Krebspatienten gleichen Namens verwechselt worden. Minus für tragischen ärztlichen Kunstfehler.

Republik: Stellen wir uns vor, ein Freund käme von einer Südamerika-Reise zurück und berichtete von der politischen Situation in der Republik Banania. Die Regierung dort hätte sich aufgelöst, Neuwahlen stünden an, ein äußerst populärer Rechter strebte die Macht im Staate an und aus Anlaß des Staatsfeiertages Bananias marschierte Militär über den größten Boulevard der Hauptstadt. Typisch Bananenrepublik würden wir sagen, die haben Nachholbedarf an Demokratie. Minus für Banania-Zustände in Schnitzelland. Während der Parade light am Ring blieben größere Zwischenfälle aus, Abfangjäger und Hubschrauber pflügten durch den Feiertagshimmel, fußgehende Truppenformationen und allerlei fahrbares Gerät wurden bestaunt und beklatscht. Hohe Militärs und Republikvordere standen sich vor dem Parlament die Füße in den Bauch – Tribünen waren dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das Publikum war hinter Absperrungen verstaut und nur in den ersten Reihen konnten zwischen Polizistenköpfen Marschkörper ausgemacht werden. Minus für diletantische Präsentation.
Kultur: Die, für 15. Dezember in Wien vorgeseheneUnterzeichnung der Rechtschreibreform Österreichs, Deutschlands und der Schweiz wurde von deutschen Ministerpräsidenten verschoben. Kritisiert wird die monopolartige Beteiligung der Duden-Redaktion und die geplante Eindeutschung von Fremdwörtern. Sett giffs Meinas for Matsch Adu Abaut Nassing.

Medien: Die Küniglberger planen neue Samstag-Hauptabend-Shows. Lizzy Engstler wird „Happy-End“, Wolfram Pirchner „Jackpot“ moderieren. Angst und Grauen machen sich in mir breit. Minus.

Umwelt: Buntes Laub, Nebel, Heizperiode, Husten, Plus.

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