Schwarzer Kater

Für meine Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 51.52-1995.

Konsum: Finland, Land der Tausend Seen, Brutstätte genialer Architekten und übermenschlich begabter Ralleyfahrer produziert nebenbei auch hervorragende Metalle. Die härtesten und elastischesten Stahllegierungen werden in der weltberühmten Messerschmiede J.Marttiini zu feinsten Finnendolchen verarbeitet. Die Samen verwenden solche Feiteln seit Jahrtausenden, um damit Rentierohren zu markieren, Elche zu zerteilen und Lachse zu filetieren. Die Schärfe der Marttiini´schen Klingen wird höchstens von Keramikschneiden übertroffen. Deren Funktionstüchtigkeit endet allerdings mit einem einzigen Fall auf den Küchenboden. Das Messer der Messer steckt in feinster Lederscheide und ist dank EU-Mitgliedschaft um knapp 56O Schlei in jedem besseren Messergeschäft zu haben. Plus.

Republik: Wolfgang Schüssel, der Mann mit der politischen Strahlkraft eines Meinl-Feinkostleiters hat sein Pokerspiel verloren. Der Abstand zu Kanzler Teflonitzky erhöhte sich auf satte zehn Prozent. Angstmacher Haiders Höhenflug wurde erstmals gestoppt, der Beweger blieb bei 22,1 % und verlor sogar ein Mandat. Heides Liberale überholten die Grünen, beide Ampelparteien verloren aber empfindlich an Rote und Schwarze. Der Wahlkater der Konservativen vergrößert sich durch das steirischen Landtagswahlergebnis. Die SPÖ konnte in der grünen Mark mit der ÖVP gleichziehen, Landesfürst Krainer gab vor laufenden Kameras seinen Rücktritt bekannt. Die parlamentarische Kräfteverteilung zwischen Schwarzblau und Ampelparteien blieb allerdings annähernd gleich. In der Fünferrunde, kurz nach Verkündigung des Wahlergebnis‘ zeigte sich der Kanzler zufrieden-euphorisch, der Aussenminister besserwisserisch-giftelnd, el minimo handzahm, Heide Schmidt zerknirscht-gefaßt und Madleine am Boden zerstört und Rücktrittsbereit. Vranitzky signalisierte Gesprächsbereitschaft mit allen außer dem Beweger, liebäugelte sogar kryptisch damit, die Liberalen in seine Regierung zu holen. Noch-Obmann Schüsselchen spuckte Gift auf Wahlsieger Vranz und erwies sich als schlechter Verlierer. Plus für sozialdemokratische Gewinne, Doppelminus dafür, das es auch auf Kosten der kleinen Oppositionsparteien ging, und schließlich Fünfachminus, daß sich Schwarzblau noch immer ausgeht.

Kultur: Das Transfersystem, bei dem Starkicker um Millionensummen zwischen Vereinen verkauft werden ist laut Urteil des EU-Gerichtshofes rechtswidrig. Fußball-Plus.

Medien: ORF-Informationsintendant Nagiller hatte große Angst, das vom ARD ausgestrahlte Video von Haiders Rede vor den „lieben Freunden“ von der Waffen-SS auszustrahlen. Minus für mangelnde Zivilcourage.

Umwelt: Matschwetter. Minus für Adventdepressionen.

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