Die Wahl der Qual

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 50-1995.

Konsum: Daß Wien eine Stadt hochstehender Wurstkultur ist, zeigte vor einigen Jahren die Durchschlagskraft der Käsekrainer, die mühelos Haasse, Woedviatla und Frankfuata auf die Plätze verwies. Die neueste Innovation gediegener Esskultur nennt sich Lange Wilde und soll mörder schoaf sein. Plus. Einer wissenschaftlichen Untersuchung ist zu entnehmen, daß etwa 18% der Lebensfreizeit damit vergeudet wird, elektronische Produkte per Fernbedienung zu triggern. Grund für diesen auffallend hohen Wert ist laut Studie das durchgehend schwarz in schwarz gehaltene Design der kleinen Infrarotsender. Es sei unmöglich, ohne spezielle Begabung oder Ausbildung remote controls richtig zu bedienen, bzw. die winzigen Codes auf den Tasten spezifischen Programmschritten zuzuordnen. Minus für Zeitraub.

Republik: Vier knappe Tage stehen für Wahlentscheidungen noch zur Verfügung. Der Teflonkanzler, der begabte Boogie-Woogie-Interpret Wolfi S., Giftschleuder el minimo, Heide“James-Bond-Pullover“Schmidt und Grünfranse Madeleine waren bei Nagiller auf Besuch und versuchten zu retten, was jeweils zu retten war. Die Angst ging um. Trotz Zweckoptimismus und flotten Sprüchen konnte man in den letzten Tagen aus den verschiedenen Äußerungen der wahlwerbenden Parteien nicht viel mehr als folgendes extrahieren: Die Roten fürchten sich vor schwarz-blau und damit verbundenem Verlust der Regentschaft. Die Schwarzen haben Reisgang, ein weiteres mal hinter den Roten zu bleiben. Die F-Beweger haben weder vor Tod noch Teufel Angst, sondern nur, daß Seine Ehrlichkeit zuwenig rechten Anklang findet. Die Heideblauen wiederum fürchten schwarz-blau gefolgt von schwarzrot (oder umgekehrt), schwarzrotgrün und alle anderen Varianten, die ohne Liberale gespielt werden. Die Grünen fürchten überhaupt alles, ihre eigene Courage eingeschlossen. Angst essen Ampel-Parteien auf. Minus.

Kultur: Das Forum, die wichtigste Publikation der II. Republik hat sein Erscheinen widerruflich eingestellt. Schleichender Rechtsruck und zunehmend lethargisches Desinteresse der linken Intelligentsia hungerten die Zeitschrift im 42. Jahr ihres Erscheinens bis auf die blanken Knochen aus. Weil der Fortbestand des Forum in Zeiten wie diesen dringender denn je ist, sei an dieser Stelle zu solidarischer Arbeit mit Herausgeber Gerhard Oberschlick aufgerufen. Hoffnung auf Plus.

Medien: Jens Tschebull, Herausgeber des mager recherchierten WirtschaftsBlatt outet sich im profil als F-Wähler. Wegen „symbolischer Entschuldigung für die haßerfüllte, unobjektive Berichterstattung mancher meiner Berufskollegen.“ Minus für schlechte Symbolik.

Umwelt: Santa Claus schickt Schnee aus Finland. Plus.

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