Stadtfrisuren

Für die Kolumne „Index Wiengefühl“, in: Falter 43-1995.

Konsum: Drei Freunde braucht der Mensch im Leben. Einen guten Schallplattenhändler, einen noch besseren Zahnarzt und schließlich jemanden, der für die Frisur zuständig ist. Für die äußere, p.t. Haircut genannt, und – vielleicht noch wichtiger– für die innere, den Soulcut. Selbst schweigsame Naturen vertrauen dem Coiffeur intimere Details an, als dem noch-so-besten Freund und der noch-so-verschwiegensten Freundin. Ein Mann aus dem Holz, aus dem Analytiker, Mikrochirurgen und Mütter Theresae geschnitzt werden, darf in Stefan Halmer, vormaligem Gruppa L’Ultima-Mitarbeiter vermutet werden. Der Meister der flinken Schere und der gut geölten Kämme hat seine Werkstatt in einer Subdivision der Slezak Division in Er-Ich’s dependance vis a vis eingerichtet. Plus für fabelhafte Stadtfrisuren.

Republik: Halbrunde Tische en masse, Pressestunden zum Saufüttern, Elefantenrunden am laufenden Band beweisen: politics go TV-screen. Aber so heiß konnten die Diskussionen dieser Woche gar nicht auf den gebogenen Tisch kommen, daß sie am nächsten Morgen nicht wie kalte Suppe von gestern schmeckten. Opa ist der Beste (fanden rote Wahlkampfstrategen), nur Alexander van der Bellen war noch gescheiter als der Kanzler (fand das Publikum). Plus für grüne Wirtschaftssprecher. Viktor Klima wurde anderntags gegen den Goldreservenexperten el minimo in den Ring geschickt und entzauberte den F-Beweger bis zur Unkenntlichkeit. Plus für harte Bandagen. Wolfgang Schüssel wiederum holte sich Schützenhilfe vom großen Kanzler aus Deutschland. Nichts konnte den Unterschied zwischen den beiden Konservativen besser illustrieren, als die reine physische Differenz zwischen Helmut K. und Wolfi S. „…wir sind jetzt auch bei Euch auf dem Vormarsch…“, sprach es aus dem Deutschen. Minus für schlechte Wortwahl.

Kultur: Kokain. Wecker, Meister des schweissgebadeten Klaviers ging beim Schneeschaufeln Meier. Just als ein Film, in dem der große lyrische Pianist einen Drogenfahnder mimte, durch den Äther strich, klopfte das wirkliche Leben an seine Münchner Haustüre. Minus für Künstlerpech. „Ideal für jung und alt, für daheim und auf Reisen“ ist die CD von Sparvereinsmusiker und Hip Hop Finger Chrono Popp. Eine Kompilation seiner Arbeiten verdient ein dickes Plus.

Medien: Für´s Grobe sind bekannterweise der tägliche Schiejok und Megaperle Vera zuständig, aber auch auf den seichten Schienen des Küniglbergs wirds immer brutaler. Marie-Christiane Giuliani trippelt in Peter Rapp´s kleinen Fußstapfen und moderiert Millionenrad, die Sendung der tausend Tränen. Nur das Märchen von der Goldmarie ist menschenverachtender. Minus.

Umwelt: Nie war ein November widerlicher. Minus.

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