Tv or not tv. Mit Emergency Broadcast Network im Puff

Die Mitglieder der US-amerikanischen Multimedia-Combo Emergency Broadcast Network sind nicht nur profunde Kenner der amerikanischen Gegenwartskultur, sondern auch geeichte Besucher des Wiener Nachtlebens.

Andrea Maria Dusl für Falter ~1996.

„You know were we are?“ frage ich Bandmitglied Joshua Pearson. „Sure, great place, let´s stay here, it´s logical“. Wir stehen am Tresen einer intimen Bar, zwanglos umgeben von alleinstehenden jungen Damen. „So ähnlich“, erklärt mir Josh und stößt mit mir auf den fortgeschrittenen Abend an, „so ähnlich logisch war auch unser erstes Treffen auf der Rhode Island School of Design. Gardener Post und ich kamen durch die sehr wissenschaftliche Methode der alphabetischen Reihung im gleichen Zimmer zu liegen. Ähnlich könnte man unser Hiersein sehen: Wir sind in die Bar neben unserem Hotel gegangen,weil es eine geographische Notwendigkeit dazu gab. Jetzt sind wir in der Bar neben der Bar. Channel-Switching und Bar-Hopping sind verwandte Disziplinen und in höchstem Maße demokratisch.“ Während mir Chef-Netzwerker Pearson am Beispiel audivisueller Loops die musikalisch-technischen Zusammenhänge der Emergency Broadcast Network-Show erklärt, switche ich auf den Kanal links von mir.

Gerhard, ein profunder Kenner der Örtlichkeit referiert über Schleifen ganz anderer Art. Absolutes Muß unter ausgewählten Stammkunden dieses Etablissements sei nämlichder Lauf um den Häuserblock. Nackt, versteht sich. Das interaktive Element hierbei sei das Mitbringen der Getränkekarte aus einem Lokal an der anderen Ecke des Häuserblocks. Und so wie Emergency Broadcast Network ihre Shows mit T-Shirts promoten, gäbe es auch für den hier verkehrenden Kreis von Interaktiven spezielle Uniformierungen: Einen Bademantel, bestickt mit der eindeutig zweideutigen Message „Mitglied“.

„’S war‘ net Wean, waun ned duat wo ka Gfret is, ans wuat“, schießt es mir durch den Kopf, als aus einem der Separees das Knallen teurer Sektflaschen und der zärtliche Klang berstender Gläser dringt. EBN-Plattenreiter Ron O´Donnel, von seiner ethnischen Kondition, wie mir gesagt wird, „black irish“, hat seine Sektflöte zu heftig an die von Chefprogrammierer Gardener Post gestoßen. In logischer Konsequenz zum Vergießen des sündteueren Sprudels läßt der hauseigene CD-Player plötzlich Songs der 70ties Gitarrenband Credence Clearwater Revival vom Stapel.

Mid-Twen-Girlie Mrs. Pearson, animieren die zutiefst amerikanischen Texte von CCR und das mit größter Verve vorgetragene Desamusement der anwesenden Animiermädchen zu rythmischem Kreisen ihres Beckens. „Let´s dance“, haucht sie einen Stammgast an. Gatte Josh studiert derweil drei Trennwände weiter meinen nachmittags gekauften Mr.President-and-Mrs. Bush-Ausschneidebogen und läßt sich in eine sehr zwanglose Diskussion über die Unterwäschetrends unter den white Anglo-Saxon Protestants verwickeln. Die Damen des Lokals fühlen sich trotzdem unterbeschäftigt, und wippen gelangweilt mit ihren hochentwickelten Beinen. Sie halten unseren höchst unerotischen Austausch von Barbara-Bush-Witzen für mädchenzimmerhaft und lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß Sitzen Jazz ist, Liegen jedoch stets Rock & Roll.

„Fuck Frank Zappa“, entfährt es Josh. Er hechtet zur Bar, um das scheinbar unvermeidliche zu verhindern. Eine Bar-Dame mit professionell großem Busen hat aus Anlaß des hohen amerikanischen Besuchs den Plattenwechsler mit einer Silberscheibe des Bürgerschrecks gefüttert. „Das wäre so“ , erklärt mir Josh, „als wärst Du bei uns in Providence und wir würden Dir zu Ehren Falco spielen“.

Gerhard, der Impressario der Bar einigt sich indes mit dem Bar-Tender darauf, aus Gründen der Völkerverständigung Lieder des bekannten britischen Pop-Trios Police vorzuspielen. „Des heat die Heh a recht gern!“. Zu vorgerückter Stunde outet sich Computer-Programmierer und Eckpfeiler der Band Greg DeoCampo einerseits als Kenner der Schießeisenmaterie und andererseits als musikalisches Ex-Wunderkind. Daß er beide Wahrheitsbeweise nicht antreten kann, macht ihn nicht unsympathischer, unser Gehen hingegen zwingend.

Und daß Emergency Broadcast Network trotz einträglicher Jobs für die irische Band U2 und die Schuhfirma Nike klasse Burschen mit Verständnis für kleine Probleme geblieben sind, beweisen sie mir beim Besteigen meines Rades auf eindrückliche Art. „No light, girl, wait!“ Chefbastler Gardener Post schnalzt mit dem Zeigefinger auf mein unreparierbares Rücklicht. Das Schnippen hilft. Denn wer tennisplatzgroße Videoleinwände zum Leuchten bringen kann, für den ist auch ein kleines Rotlicht kein Problem.

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