Stille Nacht im Hohen Haus

Es wird ganz still sein und dunkel, fast heilig, abends am 24. Dezember. Draussen vor der Parlamentsrampe, unter der goldenen Statue der Pallas Athene werden ein paar verirrte Schneeflocken tanzen (Beschneidungsanlagen gibt es keine in Wien) und vielleicht ein paar einsame Touristen auf weihnachtlichem Hauptstadt-Trip.

Drinnen im Plenarsaal wir gespenstische Ruhe eingekehrt sein, marginal unterbrochen von den Kontrollgängen der Sicherheitsbeauftragten, die auch an Heiligen Festen dienstlich-wachhabend an das Haus gebunden sind. Aber niemand wird die Glocke läuten, die an anderen Tagen zum akustischen Programm des Ortes gehört, niemand wird eine flammende, rauchende, oder auch nur lähmend glimmende Rede halten, kein Zwischenruf wird stören, kein Applaus aufbranden, und auch von der Galerie wird niemand Unmut in die Tiefe schmettern. Es wird still sein hier wie selten.

Krippenzeit in Österreich. Maria und Josef, Ochs und Esel, stehen verträumt um eine Futter-Krippe, in der ein frischgeborenes Jesukindlein liegt, gebettet auf Stroh. Seine Eltern, das vergessen wir gerne, sind Flüchtlinge ohne feste Unterkunft, ins Prekariat gestossen von schlechter Gesetzgebung. Bedenken wir das, wenn wir uns der Einkehr hingeben. Der nun stillste Ort des Landes, das Hohe Haus, sollte, wenn er wieder laut ist und lärmen, jener sein, an dem gute Gesetze gefasst werden. Niemand soll sein Kind in Armut und Kälte in die Welt setzen müssen. Auch wenn Ochs und Esel das anders sehen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 22. Dezember 2023.

Newsletter abonnieren:
https://tinyletter.com/Comandantina