Shine On

Schubert-Sterbehaus.jpgDie Kettenbrückengasse ist eine verschlafene Gasse im Boboais von Wien. Hier wohnen die Wiener Bobos, im Viertel siedeln sich jetzt auch noch die Chinesen an, die Sechzigerjahrmöbelverticker sind schon da, die Patisserieköche, die Taschendesigner und Lustige-Sachen-zum-Verschenken-Kaufleute. Und weil es Wien ist, findet die Gasse immer wieder zu sich. Ein elediglich faules Schlüsselgeschäft gibt es, ein gewiss ganz unkultiges Grindbeisl, das ich den Friedhof des aufrechten Ganges nennen möchte, einen Fleischhacker, eine Ankerbrotfiliale. Hier wohnt Grissemann und ums Eck Stermann. Oder so. Und sicher auch noch anderes Ausdenkepersonal. Dort, wo die Kettenbrückengasse entspringt, aus der Margaretenstrase nämlich, dort steht ein zweistöckiges Haus aus dem Biedermeier. Hier ist in einer Nacht- und Nebelaktion der schwermütige Tondichter und Liederschreiber Franz Schubert gestorben. 1828, im Vormärz, an den Folgen einer Lustkrankheit. Das Haus ist hochrenoviert aber verschlafen, es scheint, als Läge ein Fluch der Unbewohnbarkeit auf den Gedenkräumen. Nie, aber auch nimmernie hat hier irgendwer aus dem Fenster gesehen. Weil es ein Museum ist, steht das Tor des überrenovierten Gemäuers offen. Es steht offen, aber niemand passiert es. Nicht ein einziger Japaner. Japaner hören Mozart, den siassladn Lebegott, nicht Schubert, den bladen Depressiven. Die Bude ist tot. Mausetot. Bis auf neulich. Da kam dicke fette Musik aus dem Haus. Aus dem rechten Fenster im ersten Stock. Richtig dicke feste Musik. Nicht irgendwelche Musik. Und sie kam aus Schuberts Sterbesuite. In Summer-of-Love-gerechter Lautstärke. Heiss war es, vierzig Grad hatte es, die Luft stand in dicken Schubern, die Kleider klebten an den Menschen. Und aus dem Sterbekabinett von Franz Schubert dröhnte Pink Floyd auf die Strasse hinaus. Shine On You Crazy Diamond.

Wien.

Shine on.


Für das Ösi-Blog der Zeit.

Zero* Hotels ::: East Village 2B

NYC-Room-East-Village.jpg
Meine romantische Bleibe im Summer of 94. New York City. East Village. 2nd Ave B. Natural Born Killers spielten gerade im Kino. T-Shirts mit dem Abschiedsbrief von Curt Cobain hingen frisch bedruckt an den Touristen-T-Shirt-Ständen. Das T-Shirt, das ich trug war schwarz und drauf stand in weissen und gelben Buchstaben:

WELCOME TO NEW YORK
NOW LEAVE.

Es war warm und der Sommer im Village roch süsslich, mal nach Asphalt, mal nach Gift, mal nach den Reifen eines Muscle-Cars. In der früh weckte mich die Sonne, die über den East River strich, oder ein Anruf von Triebl, der beim Höller Klaus in der der 35ten in einem Dachappartment mit Blick aufs Empire State Building logierte und in der früh immer einen Bagel oder zwei brauchte. Der Bagel-Bring-Walk vom East Village nach Midtown dauerte genau zwei American-Spirit-Zigaretten, die es bei einem Pakistani Ecke Stuyvestant/St.Marks gab. Damals rauchte ich noch. Die Twin Towers standen nütz herum und niemand gab einen heck about ihnen. So war das.
Am Fensterbrett lag in der früh immer schwarzer Staub.