Demokratie

Das wird man ja noch sagen dürfen, sagen sie. Das ist meine Meinung, sagen sie. Wir haben Meinungsfreiheit, sagen sie, wir haben Redefreiheit. Dann sagen sie das, was sie wirklich wollen, wen sie wirklich wollen. Den starken Mann, der es den Schwachen so richtig reinsagt. Den Parasiten und Faulen, den Schädlingen. Den starken Mann, der dann aufräumt, mit dem ganzen linken, woken, genderverseuchten Spuk. Der dem heimatblinden Gesindel zeigt, wo der Hammer hängt. Der starke Mann, der es sich verdient hat, der starke Mann zu sein, der starke Mann, den das Volk verdient hat, der für das Volk da ist, ganz und gar. Mit Haut und Haar und Bart. Der das Ohr am Volk hat. Tag und Nacht. Immerzu. Der starke Mann, der weiß: Demokratie ist schlecht für das Volk. Meinungsfreiheit ist schlecht für das Folk, Redefreiheit ist schlecht für das Volk. Ja, Freiheit ist schlecht für das Volk. Wollt ihr die totale Diktaur, fragt der Diktator dann das Volk, und das Volk, das noch schreien darf, das Volk das noch schreien kann, sprich: Das Volk, das dann schreien muss, schreit: Ja so ist es, Führer befiehl, wir folgen Dir.

Ja aber, sagen dann die Kritiker, der Führer, der Volkskanzler, die Sonne des Landes, das Jahrunderttalent, er ist doch demokratisch gewählt worden! Ja, das stimmt. Ein einziges mal ist er gewählt worden. Sobald er an der Macht ist, schafft er die Demokratie ab. Die freie Presse, die Versammlungsfreiheit, die Redefreiheit, die Gewaltentrennung, die freien und geheimen, und regelmäßigen Wahlen. Die Minderheitenrechte. Die Freiheit, die Gleichheit, die Gesellschaft. 

Es ist vielfach geschehen. Und es geschieht auch heute noch. Die Führer, die Verführer versuchen es immer wieder. 

Demokratie heißt, dies zu erkennen, dies zu benennen, die Abschaffung der Demokratie zu verhindern. Wenn es sein muss jeden Tag. Wenn es sein muss, durch jede und jeden von uns. 

Demokratie ist alternativlos.

Demokratie ist Leben – Diktatur ist Tod.

Andrea Maria Dusl, Wien, 7. August 2024

Euro Tante

Mein Schaubild zur Europawahl, erschienen im Standard vom 1. Juni 2024, pag. 12. Die statistisch errechnte duchschnittliche Europerson ist weiblich, 44, deutsch, bissi zu dick, lebt in einer Paarbeziehung mit ein, zwei Kindern ohne Tiere, hat Matura und wählt konservativ, trinkt Bier, isst Fleisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse, lebt im Eigenheim mit großem Fußabdruck. Und sie fährt Auto. –> Schaubild

Österreichische Leit-Gegenstände

Sehen wir uns den Werte an, die es zu katalogisieren gilt. Die Kultur, die zur Debatte steht, in dem sie sich über jede Debatte stellen will. Schnitzel, Gulasch, Blasmusik. Osterhase, Krampus, Schifahren. Großglockner, Griassdi-Schnapserl, Schönbrunn. Die Liste steht für viele ähnlich lautende. Den Villacher Fasching könnte man noch dazunehmen, das Abschießen von Silvesterraketen, die Erinnerung an Cordoba.

Was aber, wenn der nördliche Nachbar daherkommt und das Schnitzel mit Tunke bestellt? Leiten ihn unsere Werte? Was, wenn den Vegetariern unter uns das Gulasch nicht mundet? Was, wenn wir unter Blasmusik eine Big Band verstehen oder eine Mardi-Gras-Kapelle? Was, wenn wir nicht an den Osterhasen glauben? Was, wenn wir mit dem Krampus Schwarze Pädagogik und Kindheits-Traumata verbinden? Was, wenn wir lieber wandern statt schifzufahren und bergzugondeln? Was, wenn wir den Bisamberg lieber haben, als den Glockner? Oder den Mönchsberg. Oder den Ruckerlberg. Oder schlicht den Strand in Caorle. Was, wenn wir Fernet trinken oder Wodka oder lieber gar nichts Alkoholisches? Und Schönbrunn? Kann uns Versailles nicht besser gefallen oder das Castel del Monte? Und was, wenn uns die Cheops-Pyramiden entzücken? Fallen wir dann aus der Leitkultur?

Wären leitkulturell nicht wichtiger die Kenntnis von und das Bekenntnis zu: Frauenrechten, Kinderrechten, Demokratie, Laizismus, Sozialstaat, Antifaschismus, Pluralismus, Wissenschaft, Republik, Gewaltentrennung, Menschenrechten?

Und scheitern an diesem Katalog nicht schon so manche Einheimische?

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 27. April 2024.