Leitkulturbericht IV

Gestern keine Leitkulturauffälligkeiten festgestellt. Mit Ausnahme der heimischen Zubereitung eines hoch leitkulturellen Käseleberkäse-Mini-Laibs. Gedämpft war der Genuss durch Zugabe von „Englischem Senf“. Werde mich bessern.

In der Leitkulturpublikation „Krone“ bei Exzellenz Ida Metzger erfahren, dass Leit-Kultur ein Sprachspiel mit der Bedeutung „Leit“, soviel wie „Leut“, „Leute“ sein sollte. Die Leute leiten also! Gut so! Dabei denkt es in mir und es entflammt die Drittbedeutung von Leitkultur, Leutkultur, die „Läut-Kultur“, das Bewegen der Glocken in unseren Kirchtürmen. Wie schön dazu die Erinnerung an die Sendung „Autofahrer Unterwegs“, mit dem Läuten einer jeweils anderen österreichischen Pfarrkirchturmglocke. Bim Bam!

Kritikerinnen des Leitkulturellen haben Bedenken geäußert, man dürfe die Leitkultur nicht propagieren, wenn man sie aus aufklärerischen Gründen und solchen der Menschlichkeit ablehne. Die Satire stellt sich jenseits dieser Forderung. Satire darf im Falschen wildern, um das Richtige aufzutischen!

Dennoch wird es mir trotz Volksschulerinnerungen ans Steirische Salzkammergut nicht gelingen, heute das Dirndl anzulegen, um mich auf den tiefroten Rathausplatz der roten Gfrieser zu begeben, und mich beim Steiermark-Frühling mit viel Kulinarik, steirischem Brauchtum und vielfältiger Unterhaltung einzufinden. Der Herr Kaplan wird mir zürnen. Bim Bam.

Leitkulturbericht III

Man hat es kommen gesehen. Der Tag fing gut an. Morgens, ein Jungscharlied auf den Lippen, auf den Markt gegangen, Zwiebel gekauft und marginal ausländische, zumindest schon hier im Kistl aufhältige Clementinen. 2 Kilo, das stärkt den Nahversorger. Leider Serben! Beim Taditionsfleischhauer mit Leitkulturware ein Viertelkilo Schwarzes Scherzl und eine Scheibe Kümmelbraten gekauft. Fast bar bezahlt! Jedenfalls heimlich in Schilling umgerechnet. Beim Inländertürken dann nur den Hauch eines runden Brotes erstanden. Name ist mir leitkuturell entfallen, irgend etwas mit Fladern. Zuhause angekommen eine Inländerfrage in der heimischen Stadtzeitung beantwortet, es ging um die Namenkunde von „Krankensesserl“. Leitkulturell vorbildlich, möchte man sagen: Grüssgott Jetzt aber, Schande mit Scheitelknien: esse ich ein ganz und gar vollverbotenes Ausländergericht. Beef Tartare. Mit der Petersilverstörung Koriander. Das gibt gewiss ein dickes Minus, wenn nicht mehr. Der Herr Kaplan wird vermutlich eine Woche Fernsehverbot aussprechen oder Schlimmeres. Ich habe es verdient.

Leitkulturbericht II

Heute beim Passamt gewesen. Dabei den anwesenden sitzenden Männern im Warteraum nicht den Sitzplatz durch blödes Schauen und schlichte Anwesenheit streitig gemacht. Dann (nach kurzen 46 Minuten) mit dem Beamten sehr österreichisch gesprochen, im Smalltalk immer wieder die Worte „heans“ und „gengans“ untergebracht und mich artig für die magistral gute Bearbeitung meines Anliegens bedankt. Verständnis gezeigt, dass mein mitgebrachtes Paßbild zu alt und schon vorausgeschnitten war. Schließlich den Wunsch unterdrückt, das Bonmot „ausgmoid ghearat do scho, oda?“ anzubringen. Ein Bezirksamt hat Würde, auch im Retro-Bereich. Leitkulturell war das ein schöner Vormittag heute.

Meine 32 Urururgroßeltern, und wo sie herkamen

Joseph DUSEL (Fleischermeister aus Horn, Niederösterreich)
Barbara ZANITZER (Horn, Niederösterreich)
Joseph ZÖCHMANN (Hauer in Roseldorf, Niederösterreich)
Rosalia HIRSCH (Roseldorf, Niederösterreich)

Biagio PATAT (Gemona del Friul)
Lucrezia FORGIARINI (Gemona del Friul)
Martin ZOHAN (Schmelzknecht, Petrovce, Slowenien)
Helena MOYSI (Magd in Cilli)

Heinrich Ernst Friedrich GELPKE (Höxter in Westfalen, Buchdrucker in Pyrmont)
Anna Marie Elisabeth LANGE (Fürstenau, Westfalen)
Liborius LANGE (Fruchthändler, Fürstenau, Westfalen)
Judith WIEDRICH (Windhag in der Capelln, Niederösterreich)

Anton SCHMELZER (Dobritschan, Böhmen)
Theresia KEMPE (Oberleutensdorf, Böhmen)
Georg GULDER (Viechtach in der Oberpfalz, Hutmacher in Oberleutensdorf, Böhmen)
Veronika KEMPE (Oberleutensdorf, Böhmen)

Bernard JÜLIG (Oberlehrer, Ottersdorf bei Rastatt, Baden)
Catharina MAYER (Baden-Baden)
Franz II. POSSANNER von EHRENTHAL (Graz, Verwalter, Bezirksrichter in Krain)
Susanne FRÖHLICH (Cilli, Unter-Steiermark)

Franz SCHEIMPFLUG (Mödling, Wirt in Iglau. Kaufmann in Znaim)
Jeanette WEHRL (Müllerstochter, Trautmannsdorf, Niederösterreich)
Dr. med. Ernst RINNA von SARENBACH (Görz, Hofarzt in Wien)
Anna HUFNAGEL (Tabakdirektorstochter, Klagenfurt)

Carl Wilhelm PATERSON (Seekapitän, Göteborg, Schweden)
Maja Lena MAGNUSDOTTER (Gärdhem, Schweden)
Jöns JÄDERLUND (Schiffszimmermann, Gävle, Schweden)
Brita Greta SJÖBERG (Gävle, Schweden)

Johann Christian RAABE (Sachsen-Anhalt)
Johanna Rosina Wilhelmine KUNZE (Niederholzhausen, Sachsen-Anhalt)
Hugo Adolf HAMILTON af HAGEBY (Freiherr, Generalpostmeister, Schloss Boo, Schweden)
Lena Stina NILSDOTTER (Magd, Hällestad, Östergötland, Schweden).

Österreich-Werte

Aus gegebenem Anlass eine kleine Nachilfe für die Österreich-Werte-Kommission:

Schnitzel, Volksmusik, Osterhase, Krampus. Schifahren, Großglockner, Schnaps, Schönbrunn. Völlig irrelevant. Essentiell hingegen: Kenntnis und Bekenntnis zu:

Frauenrechten, Kinderrechten, Demokratie, Laizismus, Sozialstaat, Antifaschismus, Pluralismus, Wissenschaft, Republik, Gewaltentrennung, Menschenrechten.

An diesem Wertekatalog scheitern schon manche Einheimische.

Klage

Hauptjob momentan: Verwaltung. Kunst läuft nebenher. Das ist auch alles kein Wunder, weil die Welt vom ökonomischen Hegemon regiert wird. Und dort ist die Maxime: Gewinnsteigerung. Schönheit und Weisheit sind völlig unbekannt. Und von Gefühlen wird nur gefaselt (Stichwort: das „scheue Reh“ Kapital). Ich fordere die Beendigung dieser Weltschieflage.

Meine Himmelsrichtungen

Meine Wohnung hier in der Upper Westside Leopoldstadt ist an meinem Haus ausgerichtet, und dieses an der Gasse und der daranstossenden. Die beiden Gassen (und damit das Haus) sind parallel zum Donaustrom ausgerichtet und zum nächstliegenden Ufer-Abschnitt des Donaukanals. Ich habe die Gasse, in der ich wohne, in Gedanken (und auf der Landkarte) verlängert und nochmals verlängert, als würde sie geradewegs irgendwo hin führen. In eine ferne Stadt, eine Gegend mit Klang. Und mit der anderen Wienerischen Himmelsrichtung, der Gasse nämlich, die auf meine stosst, bin ich gleich verfahren. Weil ja das Haus und darin meine Wohnung an beiden ausgerichtet ist. Wenn ich also vom Bett zur Kaffeemaschine gehe, ist das die Achse Pilsen-Timișoara. Und wenn ich vom Küchenfenster ins Bad gehe, und gedankenhalber, rein vorgestellt, immer weiter ginge, käme ich zwischen Kattowitz und Krakau nach Polen. Ginge ich wieder zurück, vom Bad zum Kühlschrank, und noch weiter und weiter, käme ich irgendwann nach Venedig. Wie gesagt, immer in gerader Line. Meine Bücher, drüben im nördlichen Trakt, stehen Pilsnerisch-Temeswarisch. Hier, am Schreibtisch sitzend, ist mein Kopf und mein Gedankenstrahl genau nach Venedig ausgerichtet. Lehne ich mich zurück, polstert es mich polnisch.

Fehlleistung

Da habe ich doch gerade, in einer Art Freudscher Fehlleistung, statt von jemandes Trottelhaftigkeit zu sprechen, von dessen entgleister Eigentümerstruktur gesprochen.
Die Sprache der ökonomischen Verhältnisse dringt jetzt auch in die tieferen Schichten unserer Begrifflichkeiten vor. Dem gilt es Einhalt zu gebieten.

Plagiatsjagden

Da ich ja selber eine Dissertation geschrieben habe, ein paar Gedanken zu Plagiaten, Fehlern, Ungenauigkeiten.

Es gibt, aus guten Gründen, genau eine Instanz, die eine Dissertation bewerten kann und soll: Die Universität und stellvertretend für diese die beiden Betreuer·innen der Arbeit.

Nach Vorlegen derselben, wird unter Vorsitz einer dritten universitätsprofessoralen Person die Arbeit öffentlich und ausführlich hinterfragt. Defensio (Verteidigung) heißt dieser Vorgang. Er dient der öffentlichen Überprüfung, ob die Arbeit vom Dissertanten, von der Dissertantin selbst und redlich verfasst wurde.

Das akademische Leben sieht keine Plagiatsjäger vor, schon garnicht selbsternannte. Für die nachträgliche Prüfung und eventuelle Aberkennung erschwindelter oder sonstwie unredlich verfasster Dissertationen ist die Universität zuständig. Und nur sie. Wissenschaft ist auf die Expertise und Prüfung der Peers im jeweiligen Fach gegründet, nicht auf die Schnüffelei von freischaffenden Software-Anwendern.

Gleichwohl darf und muss jeder/jede jede Dissertation lesen und bewerten dürfen. Und dazu auch qualifizierte, ja sogar unqualifizierte Texte verfassen dürfen.

Die Existenzvernichtung und politmediale Besudelung von Promovierten durch fachfremde und selbsternannte „Jäger“ ist nicht vorgesehen.

Nachsatz: Die Geschichte der Menschheit kennt keine einzige fehlerfreie Publikation. Absolutheit ist Göttern, Monarchen und Faschisten vorbehalten.

Facebook-Feedback dazu:

Faschismus

Nicht vergessen. Faschismus ist immer auch ein großes Geschäft. Es paart sich also Sadismus mit Gier. Bei den Betreibern (Führer genannt). Für die Anhänger gibts Tand und Sand (in die Augen). Sadismus und Gier sind unheilbar. Dummheit nur in Maßen. Die drei dürfen also nicht miteinander zusammengehen.