Es gibt auch Rückbindys 

Falter 36/99 vom 08.09.1999.

Letzte Woche erreichte mich wieder eine Depesche des elendigsten aller Elenden, Hermes Phettberg, in welcher er mit mir darin übereinzukommen vorschlug, daß Religion Rückbindung sei. Eine Erkenntnis, die mir jedes Kruzifix aufs trefflichste illustriert. Über Jesu Angenageltheit Witze zu reissen, ist nun einerseits nicht mein Spezialthema und schlittert andererseits schon bedenklich auf dem dünnen Eise der Verunglimpfung von relgiösen Gefühlen. (By the way: Kann man eigentlich Gefühle auch verglimpfen?) Hiermit stehe ich probeweise nicht an, jegliches Gefühl der Rückgebundenheit zu verglimpfen: Schwestys und Brüdys, Elendige und Elende, laßt uns einig sein im Verglimpfen! Nun bezieht sich aber der religiöse Hermes schnürtechnisch auf die Deutung des Verbs religere, während meine etymologischen Forschungen sich mehr auf die Tätigkeit des relegere fokussieren, welches nach „den Alten“, wie Stowasser weiß, die Wurzel der religio sei, dem, neben den bekannten und gebräuchlichen auch die occulte Bedeutung der abergläubischen Besorgnis innewohnt. Und hier sind wir eins mit dem hermetischen Ansatz, aus der kleinen Zehe ein ganzes Phettbergy zu regieren: Aus der abergläubischen Besorgnis, in den ganzen Phettberg hinaufzurutschen rückbindet sich Hermes ständig neu.

Über die Selbstbindys 

Falter 35/99 vom 01.09.1999.

Letzte Woche erreichte mich ein Billet meines treuen Weggefährten Hermes Phettberg in dem er mich ermahnte, wir wollten doch festhalten, daß ER der beste Selbstbinder sei. Da hat er natürlich recht, wenngleich ich ursprünglich anstand, völlig anderes zu behaupten. Sinngemäß etwa, Dorsi Knechts Fernsehzwitscherei wäre das eigenste an Krawattenschreiberei, geschlagen allein von den kolumnistischen Idiodyskrasien des Herbert Hufnagl. Wenn ich Hermes nun richtig verstehe, und darin fände sich nicht einmal der Keim eines Zweifels, dann legt uns Hermes nichts anderes zu wissen auf, als daß ER tatsächlich der Herr jeglicher Selbstbindung ist, der schriftgewordenen wie der fleischgewordenen. Hermes IST gekettet, Hermes IST gebunden, Hermes IST gefesselt. Hermes Phettberg, Imperator Augustus der Selbstunterjochung, Zeugnis der Unlüge: Bovum esse solus licet Jovi. In der kleinsten Zehe kauernd thront der König der Selbstbindys unangefochten über sämtliche Fernsehzwitschys und Alltagsbeschreibys. Über die Protagonisten der Durchschnitlichkeit, deren Speerspitze Umberto Eco uns stets aufs Neue mit saturiertem Gebrabbel ermüdet, ist Hermes erhaben wie die Farbe über das Grau, die Wahrheit über die Erfindung, die Stille über den Lärm.

Ha Tschii e impossibile 

Falter 34/99 vom 25.08.1999.

Umberto Eco, der letzte Universalgelehrte dieses Planeten könnte sich getrost ein Scheibchen von mir abschneiden. Denn während sich der struppige Philosoph, bis zum Scheitel unbestritten und von metaphysischem Allwissen durchdrungen, denksatt aus dem Balkon seines mediävistischen Elfenbeintürmchens lehnt, um an Alltäglichem herumzumäkeln, muß Comandantina ihr täglich Brot mit dem Lösen wirklicher Problemen erwirken. Längst bersten die Regale von Predigten für und wider den Globalsimus, über dritte und vierte Wege, neoliberalistische Gefahrenhorizonte und anderem machiavellistischen Käse. Niemand jedoch, und schon gar nicht der arrivierte Sack aus dem Land der Zitronenblüte, nimmt sich das Quentchen Mühe, neue Nadeln im Heuhaufen zu verstecken. Oder besorgt die Steine, die unter den steten Tropfen zu liegen kommen. Alle Welt schreit sich die Kehlen nebelig nach neuen Erkenntnissen, aber keiner, schon gar nicht Umberto kümmern die vielen kleinen falschen Töne. Die Falschheit im Ha-tschii etwa, dem Lautbild spontanen Niessens. Hat sich schon jemand überlegt, daß es Ha-tschii gar nicht geben kann? Weil nämlich sowohl Ha als auch Tschii ausatmende Silben sind? Und dass deswegen alle Welt richtigerweise mit Ah-Tschii niesst?

Beschreibliches

Falter 33/99 vom 18.08.1999.

Mittwoch letzter Woche war es also soweit: Comandantina saß in einem Doppeldeckerbus und ließ sich ins fashionableste Spa des Burgenlands entführen, in das, locker zwischen die Maisfelder Westungarns gestreute Bad Tatzmannsdorf. Lokalberichterstatterpäärchen, Mitglieder diverser Optikercircles und der unbezahlbar schrullige Himmelspfadfinder Professor Mucke erlebten dort das Unbeschreibliche, das tatsächlich so unwiederbringlich unglaublich war, daß an dieser Stelle sicher nicht einer der vielen unzufriedenstellende Versuche unternommen wird, es auch nur zu umschreiben. Nur soviel sei gesagt: Es war unbeschreiblich. Die Rückfahrt war beschreiblich, sie war voll stiller Momente des Zuhörens. Ich weiß jetzt, was die nicht alleinstehende Mutter eines schielenden Kindergartenbesuchers vom nicht alleinstehenden Vater eines, mit einer halben Dioptrie doch leicht an der Kaimauer zur Fehlsichtigkeit schrammenden Kindes über die Sehbehelfe ihrer Sprösslinge austauschten. Und von den Problemen der Chefredakteursstellvertreterin des Bipamagazins weiß ich jetzt nahezu unglaublich viel aus unmitelbarer Hörweite. Wie sich der Sommerhusten nichtalleinstehender Mütter anfühlt, weiß ich inzwischen auch, denn ich habe mir einen solchen eingefangen.

Die rasende Nacht 

Falter 32/99 vom 11.08.1999.

Mittwoch dieser Woche wird es so weit gewesen sein: Es wird ordentlich eklipst haben. Und alldiejenigen, die Aufenthalts im exklusiven Streifen sonnenfinsterer Totalität gewesen sein werden, werden nicht ablassen, sich auf ewig, zumindest aber die nächsten 80 Jahre lang zu rühmen, dabeigewesen zu sein. Es wird einmal als ungeheuer schick gelten, mit lächerlichen Pappbrillen auf der Nase auf den Vorbeiflug des Mondschattens gewartet zu haben, so wie es ja auch nicht ganz von Pappe ist, wenn sich jemand rühmt, es sich in Woodstock ordentlich besorgt zu haben, oder zumindest irgendsowas in dieser Qualität. Wir werden die Generation der finsteren Sonne sein, so wie bestimmte Anteile der Population Alt68er sind oder Vormärzler oder Vietnamveteranen. Wir werden die Ekliptiker sein, die Kinder der rasenden Nacht, die Leute, die dabei waren, als das Schwanengeschnatter verstummte in Gmunden und der Mittag verrückt spielte über den Wetterhähnen von Kapfenberg. Was für ein Glück! Glück ist nämlich, dem Seltenen zu begegnen. Beziehungsweise, dem Seltenen nachzufahren. Etwa mit dem Rad dem Wiener Fiaker mit der Nummer F13. Der Fiaker F13 nämlich hat Scheibenbremsen hinten. Und sowas Seltenem nachzufahren ist noch viel seltener als eine dahergelaufene Eklipse.

Zaster, aber flott!

Falter 31/99 vom 04.08.1999.

Billieboy Gates hat jetzt verkünden lassen, er gedenke seinen Zaster in eine Stiftung einzubringen. Damit sei endlich Schluß mit den bösen Anfeindungen, die sein Sohn auf Grund seines Reichtums ausgesetzt sei, (kicher) verkündete Billies Daddy. Immer sei gestichelt worden, meinte William Gates sen., der Stiftungsgründungsverkündigungssprecher des Zwergenweichreiches. (Wie harmlos sich Microsoft-Imperium in dieser Übersetzung anhört!) Ich bin schon sehr gespannt, was in den Stiftungsstrategiepapieren der Billieboy Gates-Stiftung steht. Ich habe nämlich gestern eine Elektromaildepesche an die Strategiepapierabteilung der Billieboy Gates-Stiftung getippt, in der ich sinngemäß die Idee ventiliert habe, eine „Comandantina Dusilova-Förderungsabteilung“ stünde der Foundation bestens zu Gesicht. Foundationen hätten doch stets mit quellen zu tun, formulierte ich hinterhältig, und Quellen strebten doch geradezu danach, sich in vorlaut hingehaltene Gefäße zu ergießen. Wenn da bloß Billiedad nicht Lunte riecht! Ich würde nämlich (hihi) den in meinen Förderbecher gequollenen Förderzaster sofort in eine neue Faundäschn gießen. und dann, ja erst dann würde ich vom süßen Nektar des Zwergenweichreichtums naschen. Irgendwo auf Kuba, wohin ich nämlich Billies Knete spendete.

TeleBeast

Falter 30/99 vom 28.07.1999.

Von den den vielen Methoden, Zeit sinnlos zu verludern, ist Fernsehen wohl eine der gebräuchlichsten. Die Steigerung des Verluderns von Zeit durch Fernsehen ist Fernlesen. Fernlesen, das Blättern in Teletexten. Teletextblättern ist der Granatapfel unter den Früchten der Sinnlosigkeit Dabei ist Teletextlesen garnicht so einfach! Bei mir hat es immerhin knappe zwei Jahre gedauert, bis ich überzuckert habe, daß das kleine Fernbedienungsknöpfchen mit der Aufschrift TV/TXT meinen Bildschirm dazu veranlaßt, in den Teletextmodus zu wechseln. Weitere sieben Monate habe ich damit verbracht, in diesem Knopf auch die Möglichkeit zum Rückschalten in den Fernsehbildmodus zu entdecken und erst seit kurzem gelingt es mir, mit zwei weiteren Tasten den großen Jongleurakt zu vollbringen: Das Zappen im Teletextseitenwald! Von der ORF-Seite 107 (ShowBiz) sind es übrigens nur 559 kurzweilige Druckvorgänge bis zur Seite 666 (inoffiziell „TheBeast“ genannt) auf der, wie für einen katholischen Sender nicht anders zu erwarten, ein schwarzer Bildschirm lauert! Teuflisches Teletextfernsehen! Der Ossi-Sender MDR hext auf Seite 666 übrigens mit dem dämonischen „Verbrauchertip: Alkohol für Kinder!“. Auch Pro7 macht auf 666 klar, was für sie des Teufels ist: „Polnische Frauen live“.

Rotaxanosis prognostica

Falter 29/99 vom 21.07.1999.

Dem Gesetz eines prognostischen Pfiffikus zufolge werden die Chippen in unseren Computern immer schneller und nicht nur das: Sie werden auch immer kleiner. Bald werden sie so fuzziklein sein – so daß Gesetz von Pfiffikus, daß wir auf herkömmliche Siliziumtechnologie husten werden, weil die nämlich an ihre Grenzen gestossen sein wird. In 5o Jahren wird es so weit sein. Ganz schön bald! Höchstes Zwölfeläuten also, daß sich andere Pfiffikusse flugs was zum Thema „immer kleiner und immer schneller“ ausdenken. Und dieses andere ist jetzt da. Rotaxane heißen die kleinen Moleküle. Sie sehen aus wie Serviettenringe, die auf einem, an beiden Enden verknoteten Tau aufgefädelt sind. Ja wenn man sie vor lauter Kleinheit überhaupt sehen könnte! Da es aber gerade um diese Kleinheit geht, jubeln die Pfiffikusse, denn die Miniserviettenringe lassen sich hundert Milliardenmal schneller hin- und herschieben als die Informationen auf Siliziumchips. Pfow! Die ganze Nationalbibliothek auf einer Stempelmarke! Die Kongreßbibliothek in einer Kugelschreibermine! Mir würde es allerdings schon genügen, wenn mein Computer nur halb so oft abstürzen würde. Von der Aussicht auf hundert Milliarden mal weniger Systemabstürze kann ich ja weiter träumen.

Homo Hood

Falter 28/99 vom 14.07.1999.

So da, jetzt steht es auch schon im Kurier: Robin Hood, Held der Armen, Beschützer von Waisen und Witwen war eine waldbekannte Tucke! Der Mann aus dem Sherwood Forest soll nicht nur mit Pfeilen immer ins Schwarze getroffen haben, nein auch um gleichgesinnte Schützlinge dürfte er keinen allzugroßen großen Bogen gemacht haben. Darf man genretypische Vermutungen anstellen, werden wohl auch die assoziierten Waldbrüder Schlag von Robins Schlag gewesen sein. Englands Heten sind entsetzt, Robin Hood, der gesetzlose Pfiffikus, ein Camou-Homo! Iiiiiii! Mit einem Quentchen Phantasie ließe sich jetzt andeuten, daß ein gewisser Richard Löwenherz, das mit Liebsein zu Blondl auch nicht ganz so eng gesehen hat. Zu allem geschichtlichen Überdruß wurde der englische König mit dem französischen Zungenschlag in einem Erdberger Szenetreff als Herzbube geoutet und ohne langes Fackeln dingfest gemacht. Ein übertrieben schmucker Ring soll ihn verraten haben. Etwas später verletzte eine gewisse Transgenderperson namens Jean D’Arc die heterosexuellen Benimmvorschriften beträchtlich und wurde noch vor dem Heiligwerden dem Feuer überantwortet. Fehlt nur, daß jemand den legendenumwobenen Wiener Sackpfeifer Augustin als liebestolle Nekrohetel outet!

Guti Guti, Badi gehen

Falter 27/99 vom 07.07.1999.

Wie die Lemminge…“ heißt es, wann immer sich Menschen dem Wahnsinn des eigenen Untergangs widmen. Dabei hinkt der Vergleich, denn die kleinen Nager stürzen sich keineswegs von hohen Meeresklippen. Blöd wären sie. Lemminge schwimmen höchstens durch Flüsse. Und auch das nur, wenn ihnen welche im Weg sind. Der Mythos von den selbstmörderischen Lemmingshorden ließe sich allerdings prima den Bewohnern der Bundeshauptstadt auf den hochsommerlich schwitzenden Leib schneidern. Denn nichts liebt der Wiener mehr, als den Ausbruch einer „Hitz“. In unglaublicher Verkennung von Ursache und Wirkung halten Wiener und Wienerin dann das Dünsten im Mittelklassedaihatsu für freizeitwertsteigernd, das Braten unter sengender Sonne für kreislaufberuhigend, und das Garen auf der Campingpritsche für gesundheitsförderlich, um sich dann, eingekremt bis unter die triefenden Irxn und trotzdem hell gerötet vom bösen Ultraviolettstrahl im hüfttiefen Ufergewässer zu löschen. Ein Volk, das dem Wechsel der Unterwäsche im Regelfall nur wöchentlich Tribut zollt! An die Schwermetallbelastung durch falschgoldenen Fußketterln und die Überdüngung des kostbaren Nasses durch die Abbauprodukte von 35 Krügerl im Schatten möchte ich gar nicht denken.

Emterseitig

Falter 26/99 vom 30.06.1999.

Niemand“, klagte mein georgischer Bürokratismusexperte Joe Gamalvalnidze, „interessiert sich für die Nöte und Plagen ämterseitig Verfolgter. Die Verfolger selbst sind ja arme Hunde. Schau Dir nur mal die an“, grinste Joe und klopfte meiner Gerichtspsychiaterin auf den Scheitel. „Die schreibt jetzt 10.000mal Ich soll ämterseitig Verfolgte nicht mit üblen Amtsgutachten verfolgen und hat nach der 3.678ten Repetition sage und schreibe schon 864mal emterseitig geschrieben!“ „Vielleicht sollte man ihr das sagen“, warf ich ein. „Juristisch unklug“ dozierte Joe, „ein Vergehen während des Verganges zu stören. Das brächte Unordnung in den Vorgang der Vergehenstätigung. Wer weiß, ob unsere kleine Gutachterin nicht eventuell im Begriffe steht, auch die restlichen 6322 ämterseitig falsch zu schreiben. Wir würden mit unserem Tadeleinwurf das Vergehen unterbrechen, Vergehensausmaß, Tatzeit, und damit auch die Tateinsicht verzerren. Der Strafmitteleinsatz wäre grob fahrlässig unterbrochen, wir ständen juristisch vor dem Abgrund. Linguistische Gutachten müßten feststellen, ob mit dem Schreiben des Wortes emterseitig die Intention der Beschuldigten, ämterseitig zu meinen, eindeutig erkennbar sei.“ „Und wenn wir sie einfach laufen ließen?“ „Vor Zeugen? Mitten imVerfahren?“

Post braucht Stil

Falter 25/99 vom 23.06.1999.

Es gibt“, erläuterte mir Joe das Yin und Yang der Agenterei, „solche und solche. Die einen sind die Klingler. Die anderen sind die Klopfer. Klingler und Klopfer, das sind die zwei Typen. Die Agenten vom Geheimdienst Türschnalenwerbung (GehD TüSchnaWer) sind alle Klingler. Die klingeln für ihr Leben gern. Natürlich unten am Klingelboard. Dort wo’s den größten Spaß macht. Nie würden die klopfen. Wozu auch. Ihre Aufgabe ist die nachrichtendienstliche Zustellung von Geheimprospekten und Bezirksspionagepostillen. Und der Überraschungsangriff aus dem Halbdunkel. Wenn die klopfen würden“, erläuterte Joe und nippte am Machiato, „würden sie ihre Tarnung verlieren. Anders die Agenten vom Geheimdienst Weltrettung: Die gehen auf im Klopfen. Die klopfen so lange, bis die Zielperson aufgibt und öffnet. Ihre Klopfkultur wird in speziellen Seminaren geübt. Wochenlang lernen diese Spezialagenten nichts anderes, als die vielfältigen Techniken des knöchelschonenden, aber tür- und trommelfellpenetrierenden Knocking. Wenn die Dich aufgeknockt haben, „explizierte Joe mit leuchtenden Augen, „bist Du praktisch schon tot. Logisch, daß auch Gerichtsvollzieher und Gasinkassanten alle Knocker sind. Klingeln: Njet. Töten durch Klingeln wäre unter ihrem Niveau!“