Das Glas mit dem Loch

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 34/2013
Ottakringer-Glas-mit-Loch.jpgLiebe Frau Andrea,
seit einiger Zeit hat die Brauerei in Wien 16 ein neues Logo und jetzt auch neue Gläser. Seidl und Krügerl sehen eher retro aus, haben aber ein seltsames Loch im Sockel. Hier meine Fragen: Was soll das Loch? Wenn man mit dem Finger drin stecken bleibt – muss man dann ins AKH? Wieso heißt es eigentlich Seidl und Krügerl?
Liebe Grüße,
Maurizio Frizzi, Wien Ottakring, per Elektro-Post
Lieber Maurizio,
das Loch im Sockel im Sockel ihrer neuen Gläser habe, so lassen die Ottakringer-Bier-Leute wissen, mehrere Hintergründe. Das fingerdicke Designelement – es wurde vom avantgardistischen Wiener Sachen-Ausdenk-Studio ‘Walking-Chair’ ersonnen – fungiere als pfiffige Objektbotschaft. Die runde Aussparung erinnere erstmal an das ‘O’ von Ottakringer. Durch das ‘Element’, die Bierleute vermeiden tunlichst Begrifflichkeiten, in denen das Wort ‘Loch’ vorkommt, beschäftige sich der Biertrinkende mehr und mehr mit dem Glas und dem Bier darin. Der Gast, so erhoffen sich die Ottakringerer, werde von einem solchen Glas ‘nicht die Finger lassen’ können. Auch sei dem Wirt beschieden, Botschaften in das Loch zu stecken. Eine eingerollte Mini-Speisekarte, die Rechnung, einen Rabatt-Gutschein für eine Lokalrunde. Wie auch immer, das Loch in der Hopfenkaltschale hat wohl eher praktische gastromische Hintergründe. Da der Sockel, er hat etwa die Dimension und Anmutung einer verkehrt herum stehenden kleinen Espressotasse, hohl ist, würde sich darin beim Spülen in der Maschine Wasser ansammeln. Durch das Loch fließt das Wasser sofort ab. Das Saubermachen wird nicht zur Pritschelei. Beim Steckenbleiben im Bierglas-Loch empfiehlt Frau Andrea – vor dem Gang ins Allgemeine – die Applikation von dickem Seifenschaum. Diesem können hohe Lubrikationsfähgkeite attestiert werden. Der Ausdruck Seidel für die kleinere der beiden österreichischen Bierglasnormen war ursprünglich ein Maß für Flüssiges und Trockenes und kommt vom lateinischen ‘sitella’, einem urnenförmigen Eimerchen, dem Diminutiv zu ‘situla’, womit im Mittelalter ein kleineres Gefäß für Wein bezeichnet wurde. Das Krügerl ist ein kleiner ‘Krug’, ausserhalb Wiens und jenseits des Käsekrainer-Äquators auch als ‘Großes’, ‘Halbes’, ‘Schoppen’ und ‘Chübel’ bekannt.
www.comandantina.com dusl@falter.at

2 Gedanken zu „Das Glas mit dem Loch“

  1. Ich habe in Wien in einem Gasthaus so ein wunderschönes Glas gekauft! Jetzt ist es leider zu Bruch gegangen…
    Wo kann ich mir so eins eventuell schicken lassen???
    Über einen Tipp wäre ich sehr 😁!!!
    Schönen Gruß
    Hermann

    1. Lieber Hermann Kloep, versuchen Sie es doch bei der Wiener Brauerei Ottakringer, die haben das Glas in Umlauf gebracht.
      Beste Grüße,
      Comandantina

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