Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 33/2013
Liebe Frau Andrea,
woher hat der ‘Schurl’ seine ‘Blechhaubn’? Ist er als Kind auf den Kopf gefallen oder gilt er bloß als der erste vorbildlich behelmte Radfahrer Wiens?
Josef Dollinger per Elektro-Post
Lieber Josef,
Schurl ist die wienerische Form des Vornamens Georg. Auf windigem Wege kommt es vom französischen George, das der feinere Wiener gerne Schuasch aussprach – Schoasch kam wegen der Ähnlichkeit zu Oasch nicht immer in Frage. Die Blechhaube erinnert weder an Kinderunfall noch an Radlerschutz, sie stammt vom Heiligen Georg, der als Ritter hoch zu Ross in Kirchenbildern und Schnitzplastiken oft mit Helm dargestellt wurde. Jedenfalls galt der christliche Märtyrer und Nothelfer Sankt Georg(ius), ein palästinischer Offizier in Diensten der Römischen Armee, neben einer Vielzahl von Berufen und Berufungen als Schutzpatron der Reiter und Ritter, der Soldaten und der Feuerwehrleute. Wann immer und wo immer in Wien behelmte Uniformierte zusammenliefen, riefen sie das Bild des ‘Schurl mit der Blechhaum’ hervor, des Georgs mit dem Helm. Der Eilschritt von Stadtgurardia und Brandentschleunigern verschmolz volksetymologisch mit einem anderen Wiener Begriffes, dem des Schurlns, des Schnellen Laufens. Das Schurln kommt nun nicht vom Heiligen und den ihm sanktusmässig Schutzbefohlenen, sondern vom bairisch-österreichischen ‘schurren’ – verwandt mit ‘scharren’ und ‘scherren’. Es bezeichnete ursprünglich das geräuschvolle Gleiten. Das gnadenlose Herumlaufen – wienerisch ‘umanandaschurln’ – verhalf dem legendären Fussballer Josef Degeorgi zu seinem Kampfnamen. Als Austrianer und Nationalkicker lief dieser stets als “Deschurli” aufs Feld.
Es wäre nicht Wien, wenn nicht das Heilige und Helmtragende, das Soldatische und Feuerwehrhafte, Das Schnelle und Ballfüssige auch noch eine sexuelle Konnotation bereitstellte. Unter Schurln, sich schnell bewegen, ist im Wienerischen auch der Koitus gemeint. Die Silbe “Schur” kommt auch in einem anderen Vorgang zu Ehre, der meist mit Eile einhergeht: Dschuari (oder Bschuari) nennen Sprecher des Wienerischen das männliche Sperma. Die Samenspende kommt nach Ansicht der einen vom tschechischen Wort čurati, pissen, nach Meinung der anderen von romani ‘djuuri’, Suppe. www.comandantina.com dusl@falter.at