Preszpörök, Poschonburg, Wilsonstadt

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 41/2011
Liebe Frau Andrea,
meine Blase und ich planen einen Schiffsausflug nach Bratislawa. Meine, schon längst verblichene Großmutter nannte die Stadt, keine Ahnung, ob sie je dort war, ostentativ Pressburg. Ist es politisch korrekt, diese Version zu verwenden?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen,
Bertil Wehle, Leopoldstadt, per Schmelzglas
Lieber Bertil,
politische Korrektheit hat immer einen Richtungsvektor, sie ist kein Absolutum. Momentan dürfen sie innerhalb gängiger Peeceeness-Konventionen Bratislawa privat getrost Pressburg nennen, es sei denn, sie bedienten mit der deutschen Benennungsform der slowakischen Hauptstadt pangermanische Mitteleuropaphantasien. In der ersten direkt erhaltenen urkundlichen Erwähnung heisst die Donaustadt Brezalauspurc. Der niederbayrische Hofhistoriograph Johann Georg Turmair alias Johannes Aventinus (1477-1534) will den Namen Braslavespurch vom slawischen Fürsten Vratislav (Uratislaus) abgeleitet wissen, der Anfang des 9. Jahrhunderts aus einer römischen Festung die Burg Uratislaburgium/ Vratissolaoburgium/ Wratisslaburgium wiedererrichtet haben soll. Der slowakische Slawist Ján Stansilav hat im 20. Jahrhundert einen slawischen Fürsten Braslav als Stadtregenten namhaft gemacht. Ob Brezlauspurc, Braslavespurch, Pressalauspruch oder Preslav(v)a Civitas (wie auf einer Münze aus der Zeit um 1000), die dreisprachige Stadt hieß bis 1919 deutsch Preßburg/Pressburg, slowakisch Prešporok/ Prešpurek und ungarisch Pozsony (nach einem Herrscher Božan aus dem 11. Jahrhundert). Slawische Nationalisten machten sich schliesslich für Bratislav (tschechisch)/ Bratislava (slowakisch), eine irrtümliche Ableitung vom böhmischen König Břetislav stark. Noch nicht genug der Verwirrung, zirkulierten für das ungarische Pozsony auch noch die seltene slowakisierte Form Požúò und das lateinische Posonium – humanistischen Autoren gefiel die Bezeichnung Istropolis (Donaustadt). Ende des Ersten Weltkriegs wurde Bratislawa schliesslich sogar kurze Zeit “Wilsonovo mesto“ (Wilson-Stadt) genannt, nach dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Bis 1944 konnte man übrigens von Wien nach Bratislawa/ Preßburg/ Prešporok/ Pozsony/ Požúò/ Posonium/ Istropolis/ Wilsonovo mesto mit der Strassenbahn/ Električková fahren.

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