Export, Schriftzug, Pflatsch und Knatsch

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 29/2010
Liebe Frau Andrea,
Valie Export hat 1973 mit Kreide „Schriftzug“ auf einen Waggon der Zugsverbindung Wien-Venedig geschrieben. Zu dieser Zeit und bis vor einigen Jahren zierte der „Pflatsch“ das rollende Material der ÖBB, ehe diesem Logo sowie dieser Direktverbindung ein Ende bereitet wurde. Mit letzterem haben so manche ihren „Knatsch“. Wissen Sie mehr über die Entstehung beider Begriffe?
Mit besten Dank und schönen Grüßen verbleibt der Falter-Abonnent und verzückte Leser Ihrer Kolumne, Martin Hutter, per Elektropost aus der Josefstadt.
Lieber Martin,
es ist kalt am Wiener Südbahnhof, als Waltraud Lehner in Volksschulschrift den Schriftzug “Schriftzug” auf den tanngrünen Zweite-Klasse-Waggon der Österreichischen Bundesbahnen schreibt. Es bleibt nicht beim ersten Anlauf, VALIE EXPORT, so Lehners Künstlername, schreibt “Schriftzug” mehrmals – dazwischen wird die Waggonwand wie eine Schultafel mit Wasser besprengt und trockengewischt. Es entsteht das legendäre Signum für eine fünfteilige Foto-Literatur: Die Botschaft entschwindet mit der Abfahrt des Zuges am Bahnhofshorizont. Zu dieser Zeit trugen Lokomotiven der ÖBB noch das Flügelrad, ein kreisrundes “Ö” mit stilisierten, weit ausladenenden Adlerschwingen und als Ohren zwei kleineren “B”s, links und rechts der Ö-Striche. Als Kind las ich das Logo stets als “BuB”, und erklärte mir so die Faszination von Knaben für Lokomotiven. Das von Ihnen erwähnte Unternehmens-Logo kam erst später zum Einsatz. Das Signet – es sah aus wie die schräg versetzten Partikel eines, seines Schrägstrichs beraubten Helvetica-S, – war Ende 1971 als Sieger aus mehreren Logo-Vorschlägen hervorgegangen und zierte ab Herbst 1974 neu ausgelieferte Fahrzeuge. Das schnittige Logo ist unter seinem Spitznamen Pflatsch bekannt geworden. Der lautmalerische Begriff kommt über das Schwäbische vom indogermanischen *plat und heisst nichts anderes als flach, platt. Er kann von Fleck bis Flade viele Bedeutungen annehmen. Knatsch, also Ärger und Quengel ist dem Knutschen und Knautschen, also dem Drücken, Kneifen verwandt. Der Pflatsch ist mittlerweile Geschichte. Der Knatsch um die Venedigverbindung noch nicht.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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