Ali Baba!

Falter 15/97, 9.4.1997

Da haben wir den Salat. Öl ist nicht Öl ist nicht Öl. Eine Studie der Europäischen Union konnte jetzt fettsäuremäßig herausnasern, welche Region die gesündeste in der EU ist. Nein, es ist nicht die mildhüglige Toscana mit ihren fetten Tenören und nachdenklichen Sozialdemokraten. Auch im windgepeitschten Norwegen der Lebertran schlürfenden Walfänger lebt es sich ebenso ungesund wie im nußölig-schmalzigen Tirol und in der Steirer Mark, deren rußiges Kernöl die Kehlen der Tennishelden Thomas Muster und Gilbert Schaller schmiert. Das Öl der Öle kommt von der Mittelmeerinsel Kreta. Die Kreter, die dreimal soviel kaltgepreßtes Olivenöl trinken, wie andere Europäer, strotzen nur so von günstigen Cholesterinwerten, Krebsressistenz und Idealgewicht. Vergessen wir also die Alpenfette Schmalz und Butter, die Öle des rotleuchtenden Mohns und der unantasbaren Distel, die Kerne der stolzen Sonnenblume und der Stinkefrucht Kürbis und greifen zum Preßgold der minoischen Oliven. Kretische Werte lügen nicht, wie, glaube ich, schon Karl Platon sagte.

Venus und Mars

Falter 14/97, 2.4.1997

Zivilisierte Kulturen zeichnet im wesentlichen aus, daß sie Normen entwickelt haben. Wir können uns darauf verlassen, daß ein Liter Coca-Cola in Caracas das gleiche Volumen hat wie ein Liter Milch in Marchtrenk. Die 100 Meter im Olympiastadion von Atlanta entsprechen auf den Bruchteil eines Millimeter den 100 Metern der Laufbahn im Olympiastadion von Moskau. 240 Hertz sind 240 Hertz, ob in Brindisi, Bagdad, Bochum oder Baden bei Wien. Da fährt die Eisenbahn drüber. Oder 43-1-53660, die Telefonnummer des Falter: Schnitzelland: 43, Wien: 1, Falter: 53660; ganz einfach ist das, weil genormt. Bis 31. 12. 1997 wird das so einfach sein, denn ab dann gehen die Uhren anders. Am Neujahrstag des kommenden Jahres tritt die Privatisierung des österreichischen Telefonnetzes in Kraft und damit je nach Operator ein aberwitzig fortschrittliches System neuer Vorwahl,- Zwischenvorwahl- und Teilnehmernummern.

Die Aufmunternde Morgenbegrüßung „Taaaaagwacheeee“ wird sich nächstes Jahr auch in Soldatinnen-Ohren bohren. Ab 1.1. 1988 werden Frauen Dienst an der Waffe schieben dürfen. Wehrfrauen, Gefreite, Fähnrietten, Hauptfrauen und Divisoneusen werden über Kasernenhöfe robben bzw. robben lassen. Ob das sich das Sturmgewehr bei den Damen als „Bräutigam der Soldatin“ mit eventuell pornografischen Mehrdeutigkeiten durchsetzen wird, steht hingegen noch nicht fest. Herr! Wenn sich nicht allerflottest etwas ändert, Herr, lasse ich Dich entmündigen.

My Generation


Falter 13/97, 26.3.1997

Wir leben in einer Informationsgesellschaft, wie uns gut unterrichtete Philosophen erfolgreich eintrichtern. Mit Siebenmeilenstiefeln rasen wir durch ein expandierendes Universum des Datenaustausches. Kein geheimes Wissen, daß nicht in Sekundenschnelle seinen Weg durch die Netze fände. Wir befinden uns im Jahre 13 n. Orwell. Der ganze Globus ist von Information durchdrungen… Der ganze Globus? Nein! Ein von unbeugsamen Geheimniskrämern bevölkertes Büro hört nicht auf, den wissensdurstigen Eindringlingen Widerstand zu leisten. 0043 1 1611 lautet die Nummer von Klein-Nonum. „Tutututututu . . .“, „Tututututututu–Klick–Tuu-Tuu-Tuu“ und „Platz-zwei-wird-sich-in-Kürze-melden–Klick–Tuu-Tuu-Tuu“ sind die einzigen Informationen die die Wiener Inlandsauskunft anbietet. Kleiner Tip für Verzweifelte: Wählet 0316 1611, die Inlandsauskunft der steirischen Landeshauptstadt.

Erste Maie werden in Wien in alter Tradition begangen. Menschen aus stolzen Arbeiterfamilien mit rotbeflaggten Fahnenstangen in den stolzen Fäusten marschieren sternförmig auf das stolze Rathaus zu. Von der dort aufgebauten stolzen Tribüne spenden dann stolze Parteigewaltige Trost und Rat in stolzen, aber schwierigen Zeiten. Dann wird nach Hause gegangen, ein stolzes Schnitzerl eingeschnitten und mit der stolz beflaggten Bim in den Prater gefahren. Der 1. Mai 1997 wird aller Tradition trotzend ein bißchen stolzer sein, als all die vorangegangenen Tage der Arbeit. Im Prater werden nämlich nicht nur die stolzen roten Kastanien blühen, sondern auch ein rotes Wunder stattfinden. Auf der kleinen Wiese vor dem Planetarium wird niemand geringerer als die berühmteste Proletenband des Universums aufgeigen: THE WHO! Vierfachplus für My Generation und all die anderen Mopedfahrer-Hits.

Herr! Mit Abscheu muß ich den Abbruch unserer Korrespondenz in Erwägung ziehen.

Diverse Flüchtlinge

Falter 12/97, 19.3.1997

Bauen und Wohnen gehört neben Essen und Trinken sowie Tanzen und Springen zu den großen kulturellen Erungenschaften des homo sapiens sapiens. Daß unsere Gattung dem nahen Untergang geweiht ist, konnte jeder feststellen, der einen Rundgang durch die Hallen des Wiener Messegeländes unternahm. Exemplarisch für den ästhethischen Niedergang: Die hässlichsten Nasszellen seit der Erfindung des Waschzwanges sowie die polymorph-perversesten Turboküchen seit der ersten friedlichen Nutzung des Feuers.

Das Geschrei, das sich gerade um das Unmögliche (die Abschaffung des Sonntags) erhebt, dürfte bald verebben. Dann nämlich, wenn Befürwortern und Gegnern bewußt wird, welche Konsequenzen Sonntagsarbeit nach sich ziehen würde: Das Ende des freitäglichen Krankenstandes gleichermaßen wie die rapide Genesung der Nation von schauerlichen Montagsdepressionen. Auch der Bedeutunsverlust der Datumsfloskel Mittwoch wäre zu beklagen.

Herr! Bist Du jetzt völlig übergeschnappt? Was soll dieser unerträgliche Schwachsinn? Schon wieder verwechselst Du Wien mit Wladiwostok und den Kahlenberg mit Kamtschatka!

Was wurde eigentlich aus…?

Falter 11/97, 12.3.1997

Im Techno-Schanigarten Kunsthalle knirscht schon der Kies unter den Gartenstühlen, im Schweizerhaus werden die Budweiser-Zapfhähne poliert und im Beserlpark sprießen die ersten Krokusse durch den Split: Freuet Euch, Frühling ist´s bald. Die Unfallambulanzen melden erste Kiefer- und Wadenbeinbrüche verwegener Inlineskater und die Radgeschäfte einen sprunghaften Umsatz bei Kettenölen, Luftpumpen und Klingeln. Es kommt Bewegung in die Stadt!

Claus Peymann wird also gehen: „I didn´t even care cuz, they say . . . 2000 zero zero party over oops out of time“. So knödelt the artist formerly known as Prince, der diese verräterisch prophetischen Zeilen in den frühen Achtzigern, just zum Arbeitsantritt des Bochumers in seinem Song 1999 unterbrachte. André Heller, „wenn mein starker Arme es will, stehen alle Blumen still“, wurde 50 und bleibt in Wien. Ash (…)

Karl Ritter ::: Im Land der Slidegitarren

Karl Ritter, der als Prinz Karasek für Dr. Ostbahn die Stromgitarre würgte, ist ein guter Mann. Und „Dobromann“ heißt jenes Soloprogramm, das den vielseitigen Gitarristen und seine sechssaitige Dobro dieser Tage wieder einmal gemeinsam zu Gehör bringt.

Andrea Maria Dusl für Falter 12/97.

„Die Dobro … sie ist mysteriös … voll Seele …
manchmal klingt sie wie ein bloßfüßiger Junge,
der die dreckige Straße runter zum Fischteich latscht.
Dann wieder ist sie diese unglaublich
schöne Frau, die du nie kriegen wirst.“
John Fogerty

Karl Ritter.jpgZu Beginn unseres Jahrhunderts kommen fünf tschechische Brüder ins sonnige Kaliforien und verdingen sich in Ermangelung von Angeboten aus dem Tellerwäscher-Busineß als Gitarrenbauer. Der älteste des Brüder-Quintetts mit dem Namen Dopyera erfindet 1928 mehr nebenbei als gezielt eine Gitarre mit mechanischer Schallverstärkung (die elektrische Gitarre war damals nur in marginalen Ansätzen entwickelt). Um dem Kind einen Namen zu geben, schnitzen die böhmischen Entrepreneurs aus DOpyera BROthers ihren Firmennamen: Dobro. Der schnarrend metallische Klang macht seinen Weg durch die Spelunken des amerikanischen Kontinents bis in den Weihetempel nationalen Stolzes, die „Grand Old Opry“ in Nashville, Tennessee. Wie die Dobro (auf böhmisch heißt dobry „gut“) aussieht, weiß im Land der Hamburger jedes Kind, Europäern sei das Dire-Straits-Cover „Brothers in Arms“ in Erinnerung gerufen. Den unverwechselbaren Klang des sechssaitigen Aluminium-Holz-Hybrids hat Ry Cooder im Soundtrack zu Wim Wenders „Paris, Texas“ und unauslöschlich mit dem Genre Road-Movie verknüpft.
Dobromann Karl Ritter ist nicht glücklich, wenn man ihn mit Ry Cooder vergleicht, auch die Bezeichnung „Gitarrist“ hat für den Stockerauer Musiker nicht mehr als biografischen Stellenwert. Die inzwischen abgelegte Rolle des Prinz Karasek in Dr. Kurt Ostbahns Chefpartie hat ihm zwar einerseits eine breite Öffentlichkeit erschlossen, ist aber andererseits mit der Punzierung „Stromgitarrentier“ versehen. Viel gerechter wird man Karl Ritter und den Weiten seiner musikalischen Landschaft, wenn man ihn vom großen Bogen sprechen läßt. Mit einem großen Bogen hat alles angefangen. Einen großen Bogen nämlich muß der Sechsjährige beim Geigenlernen führen. Vater Ritter, „ein eher durchschnittlicher Mandolinspieler“ hält den kleinen Blondschopf zum Studium der Violine an. In Gegenwart der Mutter kann sich Ritter schon mehr entfalten: „Die Mutter war terrisch auf die Ohren, do hob i donn a Stund“ improvisiert auf da Geigen, die hat des net vastondn, da hob i des letzte Blattl von dem Notenheftl aufg’schlong und mi über irgend a Zigeunerstückl wegimprovisiert.“

In die Gitarre verliebt sich Ritter während einer Familienfeier. Fasziniert vom stählernen Sound der tiefen E-Saite versenkt er sich stundenlang in die Klanggebilde, die er der billigen Westerngitarre seines Cousins entlockt. Mit dem Erlös eines alten Cassettenrecorders finanziert sich Ritter seine erste eigene Gitarre, findet Anschluß an Gleichgesinnte und verbringt mit ihnen Tage und Nächte in muffigen Probelokalen. All das entspricht dem oftgemalten Bild des österreichischen Musikers, der mit beiden Händen die Nacherzählung des amerikanischen Traums von der Garagenband, die’s irgendwann einmal schaffen wird, ins kleinkarierte Tagebuch schreibt. Aber vielleicht ist Karl Ritter schon damals etwas „eigener“ gewesen als die anderen.

Mit der Kenntnis der Akkordfolgen des Schikurshits „House of the Rising Sun“ zu imponieren liegt dem Elektrikerlehrling Ritter jedenfalls so wenig am Herzen, wie die Girls mit dem knurrenden Riff zu „Smoke on the Water“ flachzulegen. (Zwischen diesen beiden Eckpfeilern spannt sich jene schmale Brücke, die die Stromgitarrehelden der Popodrom-Generation beschreiten müssen, um in Wien und Umgebung auch nur annähernd so etwas wie „an Auftrag“ zu haben.)

Die Suche nach dem Eigenen führt Ritter in fremde Schluchten. Die Expeditionen in den Saltus Zappaensis führen in über Edgar Varese (das große Über-Ich Frank Zappas) zur Zwölftonmusik. Ritter hat außer Wurstresteln und ausgegrabenen Kartoffeln nichts zu beißen, versteigt sich aber dennoch in die hohen Wände, in die ihn etwa Ernst Kreneks Musik lockt. Monate verbringt er damit, dem ersten Satz von Kreneks Dritter Symphonie eine brauchbare Transkription abzuquälen. (Die gedruckten Noten hätten in der Musikalienhandlung zweieinhalbtausend Schilling gekostet: viel zuviel für einen Suchenden ohne Geld, aber mit Zeit wie Heu.)

Den Ausflug Richtung Punk vermittelt ein Freund, der 1976 enthusiastisch von der neuen Musik aus London berichtet. „Wie geht das“, fragt sich Ritter, eben noch auf dem technischen Trip, „wie krieg‘ ich das auf der Gitarre zusammen, diese Energie, die die Clash da rüberwachsen lassen, was passiert da?“

Zur vielleicht radikalsten Reise schließlich lädt in Willi Resetarits ein, als er Ritter den „Prinz Karasek an der Stromgitarre“ in Ostbahn-Kurtis Chefpartie anbietet. In dem Maße, in dem sich Willi Resetarits in sein Alter ego Ostbahn verwandelt, muß auch Ritter in seinem Part als proletarischer Gitarrenwichser aufgehen. Kein Wunder, daß es ihn nach Jahren des Schwitzens unter Scheinwerferorgeln wieder in die Freiheit der eigenen Musik zieht. Ritter schließt sich etwa mit dem Pianisten Pernes und dem Ziehharmonikaspieler Eder von der Ausseer Bradlmusi zusammen, um „Volksmusik“ zu machen, und spielt die Filmmusik zu Nikolaus Leytners „Schwarzfahrer“ ein.

Als Ritters ambitioniertestes Projekt hingegen darf die Soloperformance „Dobromann“ gelten, die 1995 auch auf Silberdeckel geschnitten wurde und alle jene musikalischen Bilder, flüchtigen Klangskizzen und Soundaquarelle versammelt, die der Gitarrist seit dem ersten verliebten Schrammen über die E-Saite entworfen hat. Die Dobro ist dabei nur eines der Transportmittel. Während Finger und Bottleneck dem Instrument mehr an Intensität entreißen, als die Grenzen des Genres „Slide Guitar“ vorsehen, holt sich Ritter per Fußpedal noch Samples und Dubs aus dem virtuellen Raum, um das einzige zu halten, was ein Musiker sich und seinem Publikum versprechen kann – Spannung. Ritter: „Das, was im Kopf ist, umzusetzen und zu akzeptieren, was dann draus entsteht. Mit Spannung und Entspannung arbeiten, auf was draufkommen. Darum geht´s mir vielleicht. Vergiß die ganzen Blue Notes.“

Frühling statt Winter

Falter 9/97, 26.2.1997

Werbung muß sein. Wie sonst wüßten wir, daß Megaperlen weißer waschen als ordinäre Seifenlauge, welches japanische Auto um welche Leasingrate und um wieviel Airbags besser an der Ampel wartet, als ein verrostetes Fahrrad. Werbung wirbt für Produkte. No Na. Für Babywindeln, fiebersenkende Medikamente, für Computersoftware und Fruchtsäfte. Aber das war ein mal. Denn jetzt hat die Quantenmechanik ihren Einzug in die Werbebranche gehalten. Wir erinnern uns vage an längst vergessene Erkenntnisse aus dem Physikunterricht: Nach der, von Heisenberg formulierten Unschärferelation ist es nämlich unmöglich, gleichzeitig Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens festzustellen. Auf die Welt der Werbung umgelegt, bedeutet das: Während des Hörens oder des Betrachens einer werbetechnischen Maßnahme können nicht gleichzeitig Text und Message erfaßt werden. Die ersten, die diese Erkenntnis vor kurzem erfolgreich in einer Schokoladenwerbung unterbringen konnten, sind die Sprachverdichter Dirk Stermann, Christoph Grissemann und Peter Fichna vom M.I.T. (Mit insequenten Texten). Dreikommasiebenfachplus für Quantensprünge im Äther.

Eine Studie des Instituts für den internationalen Austausch fortschrittlicher Erfahrungen weist nach, daß Hühner unterschiedlich auf verschiedene Radioprogramme reagieren. Radio Wien führte zu erhöhter Legeleistung, während die Berieselung mit Ö3 zu seltsamen Phänomenen führte: Die verstörten Tiere legten Eier mit zwei oder mehr Dottern, solche ohne, welche mit spindelförmiger oder zentimeterdicker Schale und vereinzelt auch gekochte.

Chefchirurgisches


Falter 6/97, 5.2.1997

Ein alter Traum der Menschheit wurde wahr: Wir hirschen in die Trafik, um Geld zu sammeln. Bunte Bilder kaltblütigster Mädchenpferde, schneidigster Schifahrer und unsterblichster Fußballer sind out. Denn jetzt gibt es Money, die glänzendste Sammelidee, seit der Erfindung der Kopeke. Nie war es so einfach, Münzen und Banknoten aus aller Welt anzuhäufen. Welches Glücksgefühl der Besitz einer Brasilianischen 10-Cruzado-Münze auslösen kann! Auch das zärtlich rotbraune Schimmern der Peruanischen 100-Intis-Note ist nicht zu verachten. Und erst die kostbare Eleganz, die der seltene grünviolette 100-Escudo-Schein der Banco de Moçambique beim Einordnen in höchstdurchsichtige Sammeltaschen entwickelt! Wow! So sieht es aus: zweiwöchentliches Glück.

Nehmen wir an, und verwenden dazu einen treffenden Vergleich von Peter Vujica, der begabte Masseur ihrer Lieblingssauna wurde zum Chef der örtlichen Chirurgie bestellt. Würden sie sich mit einem offenen Bruch unter sein fachkundiges Messer legen lassen? Wie wäre es mit dem Einsetzen eines Herzschrittmachers? Oder der Behandlung ihres schmerzhaften Magengeschwürs? Trauen sie ihrem Saunastreichler zu, einen blassen Tau davon zu haben, medizinische Termina wie Bothriozephalose, Brachyösophagus, Bursa bicipitoradialis und Buttler-Albright-Lightwood-Syndrom oder so auch nur richtig zu buchstabieren? Wohl kaum. In solch mißlichen Situation soll sich der Patient Kultur durch die Berufung von Peter Wittmann, vormaligem Chefmasseur der Wr. Neustädter Pink-Floyd-Sauna zum Leiter der Universitätsklinik für Chirurgie der Kulte befinden.

Alibaba! Ob es einen Zusammenhang zwischen gutem Wetter und meinem Fortsein gäbe, fragte mein wissenschaftlicher Berater T. R. jüngst. Es gibt ihn: Wann immer ich mich in Wien befinde, ziehen böse Wolken über die Stadt. Fahre ich weg, sei es nach Klosterneuburg, Kairo, Hallstatt oder nach Havanna, lacht die Sonne von allen Himmeln. Mein Fazit: Ab sofort befinde ich mich jeweils überall, nur nicht hier.

Prima Klima?

Falter 5/97, 29.1.1997

Nie war es einfacher zu krudern & zu dorfmeistern. Um den Preis eines durchschnittlichen Mountain-Bikes können nun auch mäßig begabte Musikanten aufpeitschende Rhythmen zusammenstöpseln. Roland Groovebox MC-303 heißt das Kastl, mit dem auch Volldillos zu Proficompilern wachsen können. Zwischen Whitney-Houston-Schnickschnack-Pop und bösestem Techno gibt es keine denkbaren Tongeflechte, die sich mit dem schreibmaschingroßen Wunderding nicht verwirklichen ließen.

Steiler Abgang


Falter 4/97, 22.1.1997

Wir erinnern uns: Es gab eine Zeit, da man ohne Filofax (original Filofax, wohlgemerkt) so was von out war, daß es ärger nicht ging. Ja, so war das: Megaout war man ohne das kalbslederne Ringbuch mit den vielen, vielen megawichtigen Adresszetteln und Golfergebniseintragseiten, den Stadtplänen von Vancouver, Miami und Sydney, den einlegbaren Weinführern und was es sonst noch an Wichtigtuerpapierln mit fünf Löchern gab. Diese Zeit ist Geschichte. Bleiern liegen die zellophanverpackten Blätter in den Regalen. Die Menschheit merkt sich ihre Termine wieder, die U-Bahnpläne der Welt hängen vor Ort in den jeweiligen Stationen und mit dem Wahrheitsgehalt von Weinführern ist es ohnedies so eine Sache.

Hardigatti! Wenn sich nicht sofort, Herr, (und mit sofort meine ich in den nächsten zehn Minuten) etwas ändert, werde ich die Korrespondenz mit Dir sistieren und in Verhandlungen mit dem großen Ali Baba eintreten. Es fällt mir schwer, in dreimonatigem gefrierenden Hochnebel etwas anderes als pathologischen Dilettantismus zu sehen. Schneestürme und krachende Kälte, von mir aus, Föhn und Taugatsch ditto, aber diese uninspirierte Nebelsuppe: Nein! Wir fordern Sonne! Jetzt! Bis auf weiteres und nicht trotz, sondern wegen alter Treue grußlos Deine Comandantina

Placido ist verliebt


Falter 3/97, 15.1.1997

When it is wintertime einige Dinge are really unbrauchbar: Rollerskates etwa, oder Kühltaschen. Cabriolets sowieso und Gelsenstecker auch. Die Heilige Nacht ist traditionell Wintersache, und daran mag es liegen, daß sich mehr Fäustlinge unterm Christbaum finden als Taucherbrillen, mehr stahlkantiges als gummibereiftes, mehr warme Wolle als kühles Leinen. Kluge Köpfe allerdings leben antizyklisch. Sie kaufen jetzt Sonnenöl Faktor 38, wo schon Faktor 2 jeden Sonnenbrand verhindern würde, sitzen jetzt im Schanigarten, wo es garantiert kühl und schattig ist und sichern sich jetzt schon einen Liegeplatz im Krapfenwaldlliegebad, wo mit Sicherheit gerade wenig auf Piste sind. Kluge Köpfe sind der Motor der Wirtschaft. Sie sichern tausende Arbeitsplätze in der Speiseeisindustrie und zigtausende in den Bikinifabriken.

Placido Domingo hat sich verliebt. In diesem Alter! Zu dieser Jahreszeit! Wow! Was sagen José und Luciano dazu? Wird der alte Freund und Kupferstecher Marcello Prawy seinen Segen geben? Fragen über Fragen zum Lenzen der Tenorhormone!

Die wichtigste Informationssendung des Küniglberg ist nicht die ZiB, auch nicht die ZiB 2, es ist schlicht und einfach Willkommen Österreich. Das Gelaber und Gesülze von Lizzy und Jesi, Ricarda und Pirchi wurde hochkarätig erweitert. Ab sofort wird Ex-Paris-Korrespondent Tommi „the Strahlemann“ Fuhrmann das TakTik-Männchen moderieren, lustige Kochrezepte nachkochen, Willi Dungl aus der Massage-Reserve locken und Tips gegen Nasenbluten und Hexenschuß servieren. Unklar ist noch, zu welchem Kosenamen Schnitzellands Omas greifen werden. Zur Auswahl stehen „Tommi“, „der Thomas“ und „Fuhri“.

Das „Wetter“, O Herr, ist von fabelhafter Schlichtheit. Welch ausgeglichene Temperatur! Es ist weder warm noch kalt! Und erst die Farben, Herr! Grau die des Himmelszeltes, grau jene der Straßen und grau die der Gehsteige. Kamelfarben allein die festgefrorenen Produkte unserer vierbeinigen Freunde. Respekt.

Prognosen

Falter 1,2/97, 8.1.1997

1997 wird ein fettes Jahr werden, wie ein kurzer Blick in den Kalender beweist: Das neue Jahr wird nämlich nur einen Freitag den 13ten haben. (Die statistische Wahrscheinlichkeit für einen Freitag den 13ten beträgt immerhin 1:1,7142857143, wir werden also mit satten 0,7142857143 auf die Glücksseite fallen. Der UNCalCalcO (United Nations Calender Calculation Organisation), die das Jahr 1997 berechnete, gelang dieses Kunststück allerdings nur mit schmutzigen Tricks. Die dicke Rechnung für so viel Glück kommt 1998, dort verstaute die UNCalCalO ganze drei Horrorfreitage. Soweit so gut. Wie das Glücksjahr 97 im Detail aussehen wird, konnte durch exakte Berechnungen mit Autoquartettkarten, Plexiglaskugeln und dem Lesen in hyperkritischem Kaffee-HAG-Satz bestimmt werden. Im Folgenden eine kleine Auswahl.

Praterstrizzis, Mitglieder der Wach- und Schließgesellschaft sowie Metallergewerkschafter werden kübelweise Tränen vergießen: Die Zigarette der Zigaretten, die Johnny „ohne“, wird in Pension geschickt.

Die russische Kultkamera Lomo wird unbezahlbar billig werden.
Abgestandenes Guinness wird Red Bull als Szene-Getränk ablösen.
Die Modefarben des Sommers werden Kiwigrün, Zebrastreifenschwarz, Achtminutendottergelb und Durchsichtigblau sein.

Bundeskanzler Franz Vranitzky wird im Februar drei Wochen lang mit dem Gedanken spielen, den goldenen Staatslöffel an Vickerl Klima abzugeben, es aber dann doch nicht tun.

Vizekanzler Schüssel wird Ende Februar fünftägigen Schnupfen haben, aber so tun, als wäre es eine Gen-Soja-Allergie.
Jörg Haider wird Mitte März seinen Porsche auf Sommerbereifung umrüsten.

UHBP Klestil wird den Opernball besuchen, Mörtel Lugner wird für dieses große Treiben Madonna als Begleitung zu engagieren versuchen, sich aber auch mit Grace Jones bzw. Brigitte Nielsen bzw. Sonja Kirchberger bzw. Lizzy Engstler zufrieden geben.

Das Tenorduo Placido Domingo und die Mutter der Chansonie Stefanie Werger wird den Charity-Abend „Spring in Vienna“ bestreiten
Rapid gegen Austria wird 2:1 ausgehen.

Die Gegenveranstaltung zum Villacher Fasching, der Kapfenberger Fasching, wird mangels Quote nicht ausgestrahlt werden.

Das Team des eingegangenen Publikationspflänzchen Wirtschaftswoche wird unter dem Namen Woche der Wirtschaft bzw 7 Tage der Wirtschaft bzw. Businesswoche weitermachen.

Das Wetter wird beispiellos wechselhaft werden.