Blue Moon ::: We all come from something like that

Erfahrungsbericht von Podsole über Blue Moon. 4. November 2002

Blue Moon Poster.jpg„Wie geh ma vor?“ „Vorgehn is scho folsch“, antwortete Josef Hader in „Komm süßer Tod“ (2000) als Rettungsfahrer seinem Kollegen. Hader spielt gerne und gut den Unsympathischen, der für andere Null Interesse zeigt, mal übel gelaunt, mal stur, meist beides. So spielte er auch in „Indien“ (1993). In Andrea Maria Dusls „Blue Moon“ ist Hader auch nicht gerade gut drauf. Als Geldbote Johnny Pichler, der einem dubiosen Mafiosi zu wenig Geld, weil zu spät überbringt, wird er in dessen Super-Schlitten verfrachtet. Der Edel-Prostituierten Shirley (Viktoria Malektorovych), die zwar einen amerikanischen Namen trägt und sich auch so kleidet, aber aus der Ukraine stammt, verdankt Pichler dann eine Reise. Sie setzt den Mafiosi kurz entschlossen mit „Kampfgas“ aus dem Spraydöschen außer Gefecht und flüchtet mit Pichler gen Osten.

Pichler scheint ein gemachter Mann: teures Auto, Geld, schöne Frau – was will er mehr. Allerdings schaut Hader in solchen Momenten alles andere als glücklich drein. Er schaut sich das alles eher verhalten an, so als ob es normal wäre und gleichzeitig zum Staunen. Johnny muss flüchten, dorthin, wo ihn seine „Feinde“ am wenigsten erwarten, in die Slowakei. „So, you come from America?“ fragt er die schöne Blonde. „Yes, something like that“, antwortet die und Johnny: „We all come from something like that.“ Das sind die Momente in denen „Blue Moon“ am besten ist. Sie kündigen im übrigen Änderungen an. Shirley ist plötzlich verschwunden.

Johnny trifft kurz darauf den, der in diesem Film gerade noch gefehlt hat: Detlev Buck als Ignaz Springer, einen Abenteurer auf Sparflamme, einen Flüchtling, vor allem vor sich selbst, ein gescheitertes Immer-Wieder-Stehauf-Männchen, mit dem entsprechenden (eben Buck’schen) Humor. (Als Johnny sich mit „Pichler“ vorstellt, wiederholt Buck dieses „Pichler“, als wolle er sagen: Wie kann man nur so heißen, na ja, was soll’s, Pichler halt.) Springer lässt nicht los von Johnny, bietet und biedert sich ihm an, verkauft die Luxuskarosse zum Tiefstpreis und verbringt mit Johnny und zwei leichten Slowakinnen eine heiße Nacht.

Johnny ist dieser Vorbote des Unglücks ein Dorn im Auge. Aber immerhin verschafft ihm der nur schwer als Ostdeutscher erkennbare vermeintliche Schuhverkäufer neue Treter mit der Bemerkung: „Lieber ein Paar neue Schuhe als ein gestohlenes Auto.“ Das klingt fast so dämlich wie „Draußen ist es kälter als nachts.“ Also setzt sich Johnny ab und begibt sich auf die Suche nach Shirley: in die Ukraine. Lwiw und Kiew – Andrea Maria Dusl führt uns in ihrem bemerkenswerten Roadmovie bis zum Schwarzen Meer nach Odessa. Pichler findet Jana (Viktoria Malektorovych), die vermeintliche Zwillingsschwester Shirleys. Jana, kurzgeschnittene Haare, wohnt in einem trist eingerichteten Haus, hütet Schafe, tanzt gut, fährt Taxi fragt Pichler nach Shirley, schläft mit ihm und verschwindet des öfteren heimlich für ein oder zwei Tage. Auch sie hat etwas zu verbergen.

Alle in diesem Film haben etwas zu verbergen. Johnny erzählt aus dem Off ab und an von den Weisheiten seiner Großmutter. Sonst weiß man über diesen Pichler nichts. Hader spielt ihn mit extremer Zurückhaltung, und gerade diese reduzierte Spiel ist es – paradoxerweise –, das einen ahnen lässt, was gerade in ihm vorgeht. Haders Humor ist grandios. Als ihn ukrainische Jugendliche ausnehmen wollen (sie verlangen für einen in Zeitungspapier eingewickelten Backstein Pichlers Geld), lässt er das alles ohne Widerstand über sich ergehen. Zum einen hätte er keine Chance gegen die Bande gehabt, zum anderen sucht er auch gar nicht erst nach einem Ausweg. Zum Schluss bedankt er sich für den Diebstahl. Dieses Danke kommt so überlegen heraus, dass man ahnt: Pichler findet einen anderen Weg erst einmal ohne Geld und: Pichler nimmt die Dinge, wie sie kommen. Später wendet er, als er Geld für die Fahrt nach Odessa braucht, die gleiche Methode an. Hader sitzt vor einem Haus und verpackt einen Ziegelstein in Zeitungspapier, scheint noch zu überlegen. Hader muss nur da sitzen und den Stein anschauen. Das reicht. Man lacht unwillkürlich. Haders Pichler als Straßenräuber, kaum vorstellbar.

Pichler muss Shirley / Jana zweimal suchen. Er entdeckt ihr Geheimnis und er entdeckt sich selbst. Der Loser aus Österreich kann penetrant werden. Er steht da in der Welt wie hineingeworfen, ohne Chance, aber wenn es ihm zu bunt wird, greift er zur Selbsthilfe. Blue Moon – das ist der äußerst seltene Fall eines zweifachen Vollmondes innerhalb eines Monats (demnächst im Juli 2004). Der Film beginnt und endet mit dem Vollmond. Der Blue Moon steht für die Liebe, die Hader findet, eine merkwürdige Liebe, die er da entdeckt, die zu sich selbst über die Liebe zu Jana. Wenn die beiden am Schluss beide ins Schwarze Meer springen, in Odessa, er vom Hafen, sie von der Fähre, dann ist dies besonders doppeldeutig und schön. Die beiden Verlierer aus Ost und West fallen ins Wasser, aber dort begegnen sie sich, vereinen sich.

Pichler trifft auch Springer mehrfach, den Deus ex machina, den ewigen Verlierer, der sich durchschlängelt, ob mit Schuhverkauf, Bettelei oder Kleinkriminalität. Auch ihm entkommen Pichler und Jana, dem, für das er steht. Viktoria Malektorovych spielt diese Shirley / Jana in einer wunderbaren Doppeldeutigkeit, als Gefangene ihrer selbst, als Schein-Westlerin und als Real-Ostlerin, als durch eine tragische Familiengeschichte Geschlagene.

„Blue Moon“ zeigt, wie nah und wie fern – je nach Blickwinkel – Ost und West sich sind. Dusl zeigt den doppelten Betrug, den Betrug an den Menschen und den Selbstbetrug. Dusl verzichtet auf eine künstlich gezimmerte Inszenierung der ukrainischen Realität. Sie lässt das einfach laufen und konzentriert sich auf ihre drei Hauptfiguren. Viktoria Malektorovych, Josef Hader und Detlev Buck passen da hervorragend zusammen. Und das alles tat dem Film unheimlich gut.

Laut Podsole © Ulrich Behrens 2002 für
www.ciao.com
www.yopi.de
www.dooyoo.de

Andrea Maria Dusl Portrait Skylines

Portrait of Andrea Maria Dusl
published in Skylines 5/2001
>>> Download as pdf

Moonlight Lady

For 12 years the Austrian film-maker Andrea Maria Dusl carried the idea for her first film, Blue Moon, with her, everywhere she went. Now she’s finally made it, with Josef Hader in the leading role. Portrait by ANDREA MÖCHEL

AMD Skyline.jpgThe lady’s in no hurry. Exactly 76 minutes after ordering a soft-boiled egg, she picks up the spoon, cracks the now-cold shell, and resumes her breakfast at Vienna’s Café Rüdigerhof. She took her time with her first film as well: she got the idea for the story in 1989, during a day trip to Bratislava, where she had gone to get an eyeball-to-eyeball impression of the world behind the Iron Curtain. And suddenly Johnny Pichler was standing in front of her: a Viennese estate agent who had been left by his wife. In Bratislava on business, he fell in love with another woman, lost her and then searched Eastern Europe before finding her again on the shores of the Black Sea.

Initially, the fictional Johnny Pichler existed only in Dusl’s mind. For 12 years he danced in her head, telling her various versions of his story. She listened carefully, began writing the screenplay, investigated possible locations, rewrote the script, applied for financial support, rewrote the script again, convinced the actors, found a production company, and wrote version no. 17. After 33 days of shooting early last year, she finally had Johnny Pichler alias Josef Hader where she wanted him: captured on 16-mm film.

Thinking in images is nothing new to Dusl: after finishing grammar-school, the 40-year-old Vienna native completed her education in the master class for set design at Vienna’s Academy of Fine Arts. Soon she was making a living as an illustrator for newspapers and magazines. Every week she still draws and submits political cartoons. In the mid-1990s she also began writing for the Vienna city magazine Falter. For one of her first articles she researched the history of the Schweizerhaus Restaurant in Vienna’s Prater, but found her imagination getting in the way. “I threw in a few things I invented about the Middle Ages, and now they’re part of the place’s official history.” Embarrassed smile.

You’d never believe she was a tough journalist anyway: too mischievous are the tiny crow’s-feet around her eyes; too haphazard is the centre parting of her long, light-brown hair; too thoughtful her gaze as it sweeps across the room before coming to rest on the leaves of an indoor plant. “I don’t have a profession in the conventional sense”, she says. But she doesn’t conceal the fact that she’s mainly interested in film: “It has everything: music, images, people”. And her movie has actors like the Austrian stand-up comic Josef Hader and D. W. Buck, who has also made a name for himself making films like Männerpension (aka Jailbirds). Working with actors of this calibre was quite a challenge, admits Dusl, as she slices a breakfast roll, rolling the dough into a little ball. She feels a certain sense of responsibility for the careers of the two actors, who quickly said yes after she sent them the screenplay. And like all good actors, they’re “easy-care”, says Dusl. It’s the untalented ones who cause problems. But with 250 people on the set in Odessa there were a few of those, too, she says, as the ball of dough disappears into her mouth.
Her directing style comes through in interviews as well: “You’ve got to include that”, she says, when the conversation turns to her parents, a Swedish mother and a Viennese architect for a father. She means the fact that both came from artistic families. And she’s the family kind as well, says Dusl, but single at the moment after several “long and formative relationships”. She would still like to have a daughter. At some point.
The image that Dusl uses to describe shooting is “swimming through liquid concrete” because she had to fight to get every single detail in the 127 scenes exactly right. It matters whether there’s a vase of tulips or a cuckoo clock in the background. That’s why she prefers the French word réalisateur instead of régisseur to describe the director’s role. “It expresses the fact that you’re always having to compromise when you make a film. You simply have to.” For money if for no other reason. In the case of Blue Moon she kept the budget down by shooting in Eastern Europe. It cost only about 1.5 million dollars to make a 90-minute film – unbelievably cheap in the movie business. She was helped by her fondness for the Eastern bloc.

Back in the 1970s, when she was still at school with her three younger siblings and performing as a singer with a band, she didn’t buy the cliché of the “evil Russians”. After all, they had created glorious music and wonderful literature. She was enthusiastic about Communism, which seemed to her to be “more attractive than Christianity” because “in theory, at least, everybody has an equal opportunity and sin doesn’t exist”.
“Stalinism wrecked people”, says Dusl today. But she has retained her interest in the inner conflicts of people who had to learn the hard way that capitalism doesn’t mean paradise either.

While others travel to Paris or Washington, Dusl has used her holidays to explore Lviv and Kraków, Kiev and Odessa, always on the move, always listening to her vague longings, like the characters in Blue Moon. Before she even began shooting, she had taken around 7,000 photographs of possible film locations: lonely bus-stops, dilapidated hotels, run-down service stations.

Dusl doesn’t like to hang around the same place too long, even in her private life. “I like to come and go, and not be somewhere all the time.” The Moon doesn’t shine every night either.

>>>German version >>>

„Andrea Maria Dusl Portrait Skylines“ weiterlesen

Blue Moon. „Man macht es einfach“

Nach zwölf Jahren Vorbereitung kommt „Blue Moon“, der erste Spielfilm von „Falter“-Mitarbeiterin Andrea Maria Dusl, ins Kino. Ein Gespräch über eine Parallelwelt namens Osten, über österreichische und ukrainische Josef Haders, über die Farbe Rot und die Heimeligkeit von Beton. WOLFGANG KRALICEK und KLAUS NÜCHTERN

Originaltext aus Falter 42/02 vom 16.10.2002

cover02_42.jpgDas Spielfilmdebüt von Andrea Maria Dusl beginnt auf hohem Niveau: Eine Frau geht eine lange, steile Stiege hinab – es handelt sich um die wohl berühmteste Stiege der Filmgeschichte. Hier, in der ukrainischen Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer, wurde Sergej Eisensteins Stummfilmklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925) gedreht. Wie die Frau auf die Stiege gekommen ist, erfährt das Publikum erst neunzig Minuten später – dazwischen liegt „Blue Moon“, ein Roadmovie, das vom Stadtrand Wiens über Bratislava und Kiev bis nach Odessa führt.
Nach einer missglückten kriminellen Transaktion flieht Johnny Pichler (Josef Hader) gemeinsam mit dem Callgirl Shirley (Viktoria Malektorovych) in Richtung Osten. Er verliert die mysteriöse Fremde wieder, fährt ihr nach – und findet im ukrainischen Lviv (dem ehemaligen Lemberg) ihre nicht minder geheimnisvolle Schwester Jana, eine Taxifahrerin. Erst nach zahlreichen Hindernissen und Umwegen endet die Reise, auf der Pichler zwischendurch von dem im wilden Osten gestrandeten Geschäftsmann Ignaz (gespielt vom deutschen Komödienregisseur Detlev Buck) begleitet wird, schließlich am Fuße der Stiege, im Hafen von Odessa.

Mit ihren 41 Jahren ist Andrea Maria Dusl als Filmemacherin eine Spätstarterin. Die Wienerin studierte Bühnenbild an der Akademie am Schillerplatz (Meisterklasse Erich Wonder) und Medizin (abgebrochen) und ist Falter-Lesern seit 1993 als Zeichnerin, Autorin und Kolumnistin („Fragen Sie Frau Andrea“) ein Begriff. Das Spielfilmprojekt hat Dusl seit ungefähr zwölf Jahren im Kopf – die Idee kam ihr knapp nach dem Fall der Berliner Mauer. Uraufgeführt wurde „Blue Moon“ im vergangenen August beim Internationalen Festival von Locarno; es gab zwar keinen Preis, aber gute Presse, Einladungen zu anderen Festivals – und erfolgreiche Verkaufsgespräche: Bereits Ende Oktober startet „Blue Moon“ in den deutschen Kinos; die Schweiz, Holland und Italien folgen nächstes Jahr.

FALTER: Ich habe dir vor über zehn Jahren einmal Geld gegeben und damit einen Kader eines noch nicht existierenden Films von dir gekauft. Kann ich den Kader jetzt haben? Ist „Blue Moon“ endlich der Film, den ich co-finanziert habe?

ANDREA MARIA DUSL: Nein, du hast das Vorläuferprojekt unterstützt: „In achtzig Tagen um die Welt“. Der Plan war, achtzig zweiminütige Kurzspielfilme zu machen, sie mit privaten Sponsoren zu finanzieren und ins Kino zu bringen. Ich habe aber nur die ersten sechs Tage geschafft.

Geht „Blue Moon“ auf dieses Projekt zurück?

In Ansätzen, weil das Thema der Reise in den Osten schon vorhanden war. Allerdings haben sich in den zwölf Jahren, die mittlerweile vergangen sind, die Schauplätze so radikal gewandelt, dass ich das immer wieder umschreiben musste.

Wobei der Film ja keinen dokumentarischen Charakter hat, sondern eher einem Märchen gleicht. In Wirklichkeit wäre Johnny Pichler vermutlich knapp nach der Grenze erschossen worden.

Nein, gar nicht. Ich kann euch versichern, dass alle Geschichten, die in den Film eingeflossen sind, so oder so ähnlich tatsächlich passiert sind!

Was fasziniert dich denn am Osten?

Dass er eine Parallelwelt war. Wir sind ja in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass hinter dem Eisernen Vorhang der so genannte Russe nur darauf wartet, uns in den Weltkommunismus einzugemeinden, was auch längst schon geschehen wäre, wenn es die Amerikaner und das Gleichgewicht des Schreckens nicht gegeben hätte. Aber diese Propaganda habe ich nie geglaubt. Schon als Kind nicht. Man hat immer nur Militär und Paraden gesehen, und ich habe mir gedacht: Da muss es doch auch Menschen geben. Außerdem kommt meine Familie ja ursprünglich aus Tschechien, und die Familiengeschichten waren genau das Gegenteil von böse. Diese Wurzeln wollte ich wieder finden.

Wann bist du denn zum ersten Mal in den Osten gereist?

Mit vier Jahren. Und die Ästhetik der Moderne, die dort viel stärker präsent war, hat einen so starken Eindruck hinterlassen, dass ich mich an Orten wie dem Stadionbad immer sehr wohl gefühlt habe. Alles, was aus Beton ist, hat für mich immer etwas sehr Heimeliges gehabt. Das dürfte aus dieser Zeit stammen. Als ich dann später, zu Beginn meines Studiums, nach Prag gefahren bin, war das auch eine Begegnung mit der Wirklichkeit: Es war schlimm zu sehen, dass der Kommunismus die Menschen nicht nur unfrei gemacht, sondern einfach gebrochen hat.

Aber „Blue Moon“ spielt ja in der Gegenwart. Was hat dich daran interessiert?

Diese Mischwelt aus dem, was der Kommunismus aus der Vergangenheit herausgeschnitzt hat, und dem, was an Neuem aus dem Westen importiert wird.

Wobei der Westen ja eigentlich nicht vorkommt: Man sieht keinen McDonald’s und kein einziges Coca-Cola-Schild.

Das sieht man im normalen Straßenbild auch kaum. Die Abwesenheit von Coca-Cola-Schildern hat aber einen anderen Grund: Aus ästhetischem Kalkül haben wir auf Rot und Gelb verzichtet.

Rot ist doch das Kleid des Püppchens in der Flasche, die Johnny und Jana im Motel finden.

Genau. Und damit das eine größere Wertigkeit bekommt, habe ich alle anderen Rots aus dem Film verbannt.

Gibts nicht einmal rote Ampeln?

Ich glaube, ich habe sogar die roten Ampeln verhindert. Es gibt aber natürlich rote Fahnen.

Und Gelb?

Gelb ist das Taxi von Jana. Und das muss als Signal natürlich auch unverbraucht bleiben.

Wie waren die Drehbedingungen?

Sehr charmant.

War es so, wie man sich das vorstellt – dass man ständig Leute schmieren muss und dauernd mit Mafiosi zu tun hat?

Ganz anders. Das Vorurteil besagt, dass alles voller Mafiosi ist, dass Urteil jedoch lautet, dass alles mit Geschäftsmännern voll ist.

Westlichen?

Östlichen. Die westlichen Geschäftsmänner sind den östlichen untertan.

Und welche davon haben nun die Dreharbeiten ermöglicht?

Es ist so, dass man im Wesentlichen einen großzügigen Vertrag mit einer Sicherheitsfirma abschließt und damit alles paletti ist. Mit irgendeiner Mafia hat man nicht den geringsten Kontakt.

Wer weiß, wem die Sicherheitsfirma gehört?!

Unsere hieß „Titan“. Die Leute hatten sehr hübsche, schwarze Uniformen und blank geputzte, frisch geölte Kalaschnikovs und haben uns extrem gut betreut.

Und du konntest dann überall drehen?

Fast. Ich wollte unbedingt in Dnjepropetrowsk drehen, der Stahlmetropole der Ukraine, in der zweieinhalb Millionen Menschen leben. Die Security-Firma hat allerdings gesagt, dass wir überall sonst, nur nicht in Dnjepropetrowsk drehen können. Dort könnten sie für unsere Sicherheit nicht mehr garantieren, weil die Security-Firma von Dnjepropetrowsk mit den Sicherheitsfirmen der Rest-Ukraine nicht zusammenarbeitet.

Aber in dem Film steigen Johnny und Ignaz ja in Dnjepropetrowsk aus dem Bus?

Sie steigen nicht wirklich in Dnjepropetrowsk aus, die Szene ist in Kiew gedreht. Aber wären sie in Dnjepropetrowsk ausgestiegen, hättest du den Unterschied nicht gemerkt.

Du hast zwölf Jahre an dem Projekt gearbeitet – was hat denn so lange gedauert?

Es hat ja niemand auf dieses Thema gewartet oder gesagt: „Frau Dusl, machen Sie doch endlich einen Film mit uns!“ Wenn ich vor zehn Jahren jemand gefunden hätte, der das auch produzieren wollte, wäre es natürlich wesentlich schneller gegangen.

Du hast ein Bühnenbilddiplom, zeichnest, hast begonnen, Medizin zu studieren … Warst du „eigentlich“ schon immer Filmemacherin?

Ja, genau. Im Ernst. Meinen ersten Film habe ich mit zwölf gemacht – eine Super-8-Dokumentation einer Londonreise mit meiner Mutter. Alle anderen Unternehmungen waren eigentlich Erfüllungsgehilfen meiner Sehnsucht nach dem Kino.

Deine legendären Panoramazeichnungen für das „FORVM“ …

… waren im weitesten Sinne Cinemascopefilme.

Wie soll man sich deine Sehnsucht nach dem Kino vorstellen? Bist du eine Cineastin?

Es hat eine Zeit gegeben, in der bin ich zweimal täglich ins Kino gegangen.

Der Film beginnt ja auch mit einem großen Zitat. Eine Hommage?

Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ wurde genau auf dieser Stiege in Odessa gedreht – allerdings wurden die Stufen in der Zwischenzeit ausgewechselt; bei Eisenstein sind sie sehr abgewetzt. Ich wollte mit dieser Treppe aber kein Zitat bringen, sondern den Ort mit ganz normalen Bildern neu besetzen.

Wie hat denn das Casting funktioniert? Wie wichtig war es, dass Josef Hader und Detlev Buck marktgängige und populäre Namen sind?

Ich war in erster Linie der Geschichte verpflichtet, aber natürlich wird es in Hinblick auf die Finanzierung einfacher, wenn da klingende Namen dabei sind.

Mit anderen Worten: Es wäre komplizierter gewesen, die Hauptrolle nicht mit Hader zu besetzen als einen Star wie Hader für ein Regiedebüt zu kriegen?

Genau. Und nachdem ich in der österreichischen Kinowirklichkeit damals nicht gerade als Star gehandelt wurde, mussten das andere übernehmen.

Hattest du keine Angst, dass sich ein arrivierter Regisseur wie Detlev Buck bei deinem Regiedebüt einmischen wird?

Nein, denn eine Qualität von Regisseuren ist es ja, zu wissen, was sie tun. Und genau das hat der Detlev gewusst: dass er hier eben als Schauspieler engagiert ist. Wenn er gesagt hat, dass er etwas anders machen würde, dann in dem Sinne, dass die einen halt Kaffee und die anderen eben Tee trinken.

Was wurden eigentlich aus den beiden schwulen Dentisten aus Bochum, die von Tex Rubinowitz und Thomas Kussin dargestellt werden hätten sollen?

Die sind im weitesten Sinne der Stringenz der Handlung zum Opfer gefallen. Ursprünglich hätten sich die in einem ungarischen Dampfbad an Johnny Pichler heften und ihn für die Suche nach der Tochter von Marcello Mastroianni missbrauchen sollen, von der sie behauptet hätten, dass sie jetzt Opernsängerin in Dnjepropetrowsk sei.

Jetzt verstehen wir, dass du das lieber nicht verwendet hast. Überhaupt sind wir sehr erleichtert, dass „Blue Moon“ kein Kabarettfilm geworden ist.

Ich weiß wirklich nicht, was das ist! Ich kenne viele Kabarettisten und bin mit manchen befreundet, war aber mein Leben lang nur zwei Mal im Kabarett – einmal mit Wolfgang Kralicek bei Alfred Dorfer und ein anderes Mal mit Willi Resetarits in einem Programm von dessen Bruder Lukas. Ich habe auch den Josef Hader nur in Filmen im Fernsehen gesehen und nicht als Kabarettisten.

Wie macht man eigentlich einen Film, wenn man noch nie einen Film gemacht hat?

Die kurze Antwort lautet: Man macht es einfach. Die lange Antwort lautet: Es geht eh fast von selbst. Filmemachen ist keine solitäre Angelegenheit, und das Team macht das ja nicht zum ersten Mal. Ich habe zwar keine Ausbildung im akademischen Sinne, habe aber sehr viel in minderen Positionen beim Film gearbeitet – habe an der Ausstattung mitgearbeitet, Regieassistenz gemacht, am Drehbuch mitgeschrieben, beim Schnitt assistiert …

Was waren das für Filme?

Am Anfang Filme der Filmakademie, weswegen ich sehr viele Protagonistinnen des österreichischen Filmwunders auch persönlich kenne. Und als ich am Akademietheater bei George Taboris „Mein Kampf“ Bühnenbildassistentin war, habe ich sämtliche Zeit dazu genutzt, Tabori und Ignaz Kirchner über alle Parameter des Schreibens, Inszenierens und Spielens auszufragen. Das hat mir sehr viel gebracht.

Dass Josef Hader der einzige österreichische Darsteller ist, fällt eigentlich angenehm auf. Wie hast du denn die ukrainischen Schauspieler gefunden?

Das sind die Haders und Julia Stembergers der Ukraine und Slowakei! Es gibt keine Nebenrolle, die nicht mit Topleuten besetzt ist. Der Polizist im Gefängnis ist einer der wichtigsten ukrainischen Schauspieler, der LKW-Fahrer ist ein gefeierter Serienheld, und Viktoria Malektorovych ist der absolute Star: Sie musste während der Dreharbeiten ständig Autogramme geben. Auf der Stiege von Odessa waren siebzig Maturaklassen unterwegs – es ist lokaler Brauch, dass die Maturanten ihre Ausgewählte der Klasse da hochtragen müssen. Da war es selbst der Security unmöglich, die Stiege zu räumen. Also habe ich einen simplen, bösen Trick angewandt und mit Megaphonen verkünden lassen, dass jeder, der in dem Film im Bild sein möchte, zehn Dollar zahlen muss: Die Stiege war sofort leer!

Erstlingswerke sind meistens autobiografisch. Was steckt von dir in Johnny Pichler?

Gar nichts. Dieser Johnny Pichler ist wie ein Bruder für mich, den ich dabei beobachte, wie er seine Geschichte erlebt. Ich weiß von dem selbst gar nicht viel. Ich weiß aber sehr viel von der Jana, die ist mir viel näher. Von allen Figuren bin ich dort am meisten drinnen. Der Johnny ist zwar die Hauptfigur, aber sie ist für die Geschichte mindestens genau so wichtig.

Er ist der Fahrer, der durch den Film fährt, die Kamera.

Er hat viele Funktionen, das hat es auch für den Josef so spannend gemacht, diese Rolle, die so minimalistisch angelegt ist, mit seinem Feuer zu entzünden. Es hat mich manchmal geschreckt, wie sehr er mit dieser Rolle verwachsen ist, die ich mir ausgedacht hab!

Was ist dein nächstes Projekt?

Es wird CHANNEL 8 heißen und sich im weitesten Sinne mit Wahrnehmung und in engerem Sinne mit der Geschichte zweier Menschen beschäftigen: ein Fernsehjournalist und eine junge Malerin, die in St. Petersburg und Paris leben und auf eine atemberaubend unglaubliche Art miteinander verbunden sind.

Dauert das jetzt wieder zwölf Jahre?

Nein, das geht schneller. Die Startbedingungen der kleinen Andrea haben sich jetzt ja ein bisschen verbessert.

Wie viel verdient man eigentlich als Filmregisseurin?

Es ist kein Geheimnis: Film ist gut bezahlt und findet selten statt. Also, es gibt Berufe, in denen man sich blöder verdienen kann.

Bleibst du dem „Falter“ erhalten?

Da fährt die Eisenbahn darüber.


Bei der Viennale läuft „Blue Moon“ am 26.10., 11 Uhr, im Metro und am 28.10., 20.30 Uhr, im Gartenbau. Kinostart ist am 8.11.2002

La Luna azul austriaca en Roma

Blue Moon Poster.jpgSerá Blue Moon que inaugure la muestra “Nuevo Cine de Austria”, en Roma del 14 al 17 de octubre. Primer película de la directora vienesa que mezcla de road-movie y comedia romántica por Valeria Chiari.

 

14 octubre 2002

Cineuropa.org


Será la luna azul de Andrea Maria Dusl la que inaugure la muestra cinematográfica “Nuevo Cine de Austria”, en Roma del 14 al 17 de octubre, en la que se presentarán once películas producidas en Austria, ocho de ellas todavía inéditas en Italia.

Primer largometraje de la directora vienesa, Blue moon, se presentó a concurso en el Festival de Locarno de este año, donde obtuvo el mismo éxito que en su país. Mezcla de road-movie y comedia romántica, la película de Dusl combina géneros y varios países por los que el protagonista viaja para seguir los pasos de una mujer que se ha dado a la fuga. Un viaje que empieza en Austria y termina en Odessa, pasando por Eslovaquia.

Inspirada en las numerosas exploraciones que ha hecho la directora en los países del Este tras la caída del muro de Berlín, la película se había concebido originalmente como una serie de cortometrajes, de fotografías breves de esa parte del mundo, abierta después de muchos años de dolorosa clausura. “Fue una experiencia maravillosa explorar un mundo tan distinto y cercano a la vez, profundamente desconocido todavía”, cuenta Dusl, en Roma para presentar su película y promover su distribución en Italia. Blue moon ha terminado por ser un relato acabado que, a través de las acciones de sus personajes, revela las reflexiones de la directora.

Una historia romántica pero también una investigación y un descubrimiento

“Pensaba en una Odisea, en el descubrimiento de un continente y de las relaciones de interdependencia entre el Este y el Oeste. Blue moon puede analizarse en distintos planos, y la historia de amor entre Jana y Johnny es una metáfora de las profundas relaciones entre el Este y el Oeste. Es una historia sobre el deseo y el temor, el valor y la debilidad, lo establecido y el cambio”.

¿Es una historia verdadera?

“No solamente una; hay muchas historias que he recogido durante mis numerosos viajes al Este y que luego he fundido en una sola al escribir el guión. Por ejemplo, la historia del protagonista, obligado por un grupo de maleantes a dar todo su dinero para comprar un ladrillo, en lugar de robarle abiertamente, es verdadera”.

Terminar la película le ha llevado casi doce años…

“Sí, porque al principio había pensado en hacer una serie de cortos que se proyectarían por separado en las salas antes de las películas. Hice seis cortos, de dos minutos cada uno. El proyecto se iba a llamar La vuelta al mundo en ocho días. Mi idea era relatar ocho historias, pero mientras las hacía me di cuenta de que debía cambiar el enfoque que tenía previsto al principio. Y así, poco a poco nació Blue moon, aunque tardé otro tanto en encontrar un productor que tuviera el valor de apoyarla”.

Un road-movie por la Europa del Este no debe de ser precisamente un paseo. ¿Qué problemas tuvo en el rodaje?

“Rodar ya es de por sí tan difícil como nadar en el lodo. A menudo, la realidad de las cosas es distinta de las ideas que una tiene. Dirigir una película es probablemente la forma de realización personal más compleja que se haya inventado. E indudablemente es la más costosa. Teniendo esto en mente, y con la intención de hacer todo más fácil, rodé en secuencia todas las escenas para que los actores pudieran adquirir mayor espontaneidad. Por lo demás, es como un circo; siempre el mismo espectáculo pero nunca en el mismo lugar. Y al final, el espectáculo acaba por ser también siempre distinto”.

Interview with Andrea Maria Dusl

October 14, 2002

An Austrian Moon in Rome

Rome will host the “New Austrian Cinema” review from 14 to 17 October under Andrea Maria Dusl’s Blue moon when 11 Austrian films, eight of which have never been seen before in Italy, will be screened.

Blue Moon is the Viennese director’s first feature film, and it received the same warm reception at this year’s Locarno Festival that it did at home. Falling somewhere between a road movie and a romantic comedy, Dusl’s film mixes genres and the countries visited by the protagonist as he travels from Austria to Odessa in the Ukraine via Slovacchia.

Dusl’s frequent travels through former Eastern Bloc countries (after the Fall of the Berlin Wall) inspired this story. Initially she thought it would be a series of short films, snapshots of a part of the world that has returned to the light after long years of lacerating closure. “It was very positive and enthusiastic for me to explore a world that is so close but so very different. A world that we still know very little about,” said Dusl at today’s presentation of this film in Rome. That is how Blue Moon became a complete story that reflects its director’s point of view through the protagonist’s actions.

This film is both a romantic story and a search and discovery.

„I was thinking about an Odyssey to discover a continent and also about the condition of mutual dependence that exists between the East and the West. Blue Moon can be interpreted on various levels and the love story between Jana and Johnny is a metaphor for the profoudn relations between East and West. This is a story of fear and desire, courage and weakness, status quo and change.“

Is it a true story?

„Not just one, but many true stories that I collected during my numerous foreign trips to Eastern Europe. I mixed them up into a single story during one extenuating writing session. For example, the story of the protagonist being forced by a gang of lowlifes to give them all his money to buy a brick instead of stealing it, really happened.“

It took you almost twelve years to make this film…

„Because I first thought that this would be a series of short films. They were to have been screened in theatres prior to the main film. I made 6 2-minute films and the project was to have been called Around the world in eight days. I wanted to tell eight stories, but as time went by I realised that I had to take a different approach to my earlier plans. That is how Blue Moon came to be made. It took me as much time again to find a producer with the guts to board the project.“

A road movie that crosses Eastern Europe cannot have been easy. What problems did you come across during the production process?

„Making a film is in itself as difficult as swimming through wet cement. Reality is often so very different from the initial idea. Directing a film is probably the most personal form and most complicated form of creativity ever invented by man. And certainly the most expensive.

Having said that, I tried to make it easier on myself by shooting all the scenes sequentially. That enabled the actors to be more spontaneous. As far as everything else is concerned, I can only compare the process to a circus: the same show repeated over and over again but never in the same place. In the end, each show is different from the last.“

Valeria Chiari

Interview avec Andrea Maria Dusl

14 Octobre 2002

Une Lune autrichienne à Rome

C’est la lune bleue d’Andrea Maria Dusl qui ouvre la manifestation cinématographique «Nouveau Cinéma Autriche» à Rome du 14 au 17 octobre, au cours de laquelle seront présentée 11 films produits en Autriche dont huit encore inédits en Italie.

Premier long-métrage de la réalisatrice viennoise, Blue Moon a été présenté en compétition à Locarno cette année en remportant le même succès obtenu en Autriche. Entre le road-movie et la comédie romantique, le film de la Dusl mélange les genres et le paysage que le protagoniste traverse, pour suivre une femme qui s’échappe en cherchant de la retrouver. Un voyage qui débute en Autriche et se termine à Odessa, en Ukraine tout en passant par la Slovaquie.

Inspiré des nombreuses explorations de la cinéaste dans les Pays de l’Est après la chute du mur de Berlin et du rideau de fer, le film était à l’origine conçu comme une série de courts, de brèves photos de cette partie du monde revenu à la lumière après des années de fermeture déchirante. «Une expérience enthousiasmante qu’explorer un monde aussi différent et toutefois si proche et encore profondément méconnu» a révélé Andrea Maria Dusl, à Rome pour accompagner son film et le promouvoir auprès des distributeurs italiens. Blue Moon est devenue une histoire et à travers les actions des personnages, elle dévoile les réflexions personnelles de la réalisatrice.

Une histoire romantique mais aussi une recherche et une découverte de soi?

„Je pensais à un Odyssée, à la redécouverte d’un continent et des rapports d’interdépendance entre l’Est et l’Ouest. Blue Moon peut être compris sur différent niveaux et l’histoire d’amour entre Jana et Johnny est une métaphore des relations profondes entre Ouest et Est. C’est une histoire sur le désir et la peur, le courage et la faiblesse, le status quo et le changement.“

S’agit-il d’une histoire vraie?

„Non seulement ; il y en a plusieurs d’histoires vraies que j’ai recueilli au cours de mes nombreux voyages à l’Est en les réunissant après en une seule au moment de l’écriture. Par exemple l’histoire du protagoniste obligé par un groupe de voyous à donner tout son argent pour acheter une brique, au lieu de la voler, est vraie.“

erminer le film vous a coûté presque 12 ans…

„Oui, parce qu’au début j’avais pensé réaliser une série de courts qui auraient été projetés comme des clips avant le film. J’en ai réalisés six de deux minutes chacun. Le projet se serait appelé Tour du monde en huit jours. L’idée était de raconter huit histoires, mais en cours de route je me suis rendue compte que je devais avoir une autre approche par rapport à celle que j’avais prévu au départ. Et tout doucement Blue Moon a pris forme. J’ai eu besoin de beaucoup de temps aussi pour trouver un producteur assez courageux pour le soutenir.“

Un road-movie à travers l’Europe de l’Est n’a probablement pas été une promenade : quels genre de problèmes avez-vous rencontré sur le tournage?

„Tourner est en soi difficile comme nager dans la boue. La réalité des choses est souvent différente des idées de départ. Diriger un film est probablement la forme de réalisation personnelle plus complexe que l’homme ai jamais inventée. Et sans doute la plus chère.

Ceci dit dans l’espoir de rendre les choses plus faciles j’ai réalisé en séquence toutes les scènes du film pour que les acteurs puissent acquérir plus de spontanéité. Pour le reste tout ressemble à un cirque : toujours le même spectacle mais jamais dans le même endroit. Mais à la fin chaque spectacle finit par être toujours différent.“

Valeria Chiari

Intervista con Andrea Maria Dusl

14 Ottobre 2002

Una Luna austriaca a Roma

E’ la luna blu di Andrea Maria Dusl a inaugurare la rassegna cinematografica “Nuovo Cinema Austria”, a Roma dal 14 al 17 ottobre, nel corso della quale verranno presentate 11 pellicole austriache, di cui otto ancora inedite in Italia.

Primo lungometraggio della regista viennese, Blue moon è stato presentato in competizione al Festival di Locarno di quest’anno riscuotendo lo stesso successo ottenuto in patria. Tra road movie e commedia romantica, il film della Dusl mescola i generi e anche i paesi che il protagonista attraversa per seguire una donna in fuga tentando poi di rintracciarla. Un viaggio che inizia in Austria e si conclude a Odessa, in Ucraina, passando per la Slovacchia.

Ispirato dalle numerose esplorazioni della regista nei paesi dell’Est dopo la caduta del muro di Berlino e della cortina di ferro, il film era originariamente concepito come una serie di corti, brevi fotografie di quella parte di mondo ritornato alla luce dopo anni di lacerante chiusura. “E’ stata un’esperienza entusiasmante esplorare un mondo così diverso e sebbene tanto vicino, ancora profondamente sconosciuto” ha rivelato la Dusl, a Roma per accompagnare il suo film ed eventualmente promuoverlo alla distribuzione italiana. Blue Moon è così diventato un racconto compiuto che, attraverso le azioni dei personaggi, rivela le personali riflessioni della regista.

Una storia romantica ma anche ricerca e scoperta di sé.

“Pensavo a una Odissea, alla riscoperta di un continente e dei rapporti di interdipendenza tra Est e Ovest. Blue moon può essere inteso su vari livelli e la storia d’amore tra Jana e Johnny è una metafora delle relazioni profonde tra Ovest ed Est. E’ una storia sul desiderio e la paura, sul coraggio e la debolezza, lo status quo e il cambiamento”.

Si tratta di una storia vera?

“Non una sola; ce ne sono moltissime di storie vere che ho raccolto nel corso dei miei numerosi viaggi all’Est mescolandole poi in una sola in corso di scrittura. E‘ vera, per esempio, la storia del protagonista obbligato da un gruppo di balordi a dare tutti i suoi soldi per comprare un mattone, anziché derubarlo apertamente”.

Portare a termine il film le ha preso quasi 12 anni…

“Si, perché inizialmente avevo pensato di realizzare una serie di corti, che sarebbero stati proiettati come spot prima del film in sala. Ne ho realizzati 6 di due minuti ciascuno. L’intero progetto si sarebbe chiamato Giro del mondo in otto giorni. L’idea era quella di raccontare 8 storie, ma in corso d’opera mi sono resa conto che dovevo assumere un approccio diverso da quello previsto in principio. E così piano piano è nato Blue Moon, per il quale ho impiegato altrettanto tempo per trovare un produttore abbastanza coraggioso da portarlo avanti”.

Un road-movie attraverso l’Europa dell’Est non deve essere stata proprio una passeggiata: quali problemi ha incontrato durante le riprese?

“Girare è di per sé difficile come nuotare nel fango. La realtà delle cose è spesso diversa dalle idee di partenza. Dirigere un film è probabilmente la forma di realizzazione personale più complessa che l’uomo abbia mai inventato. E indubbiamente la più costosa.

Premesso questo, nel tentativo di rendere le cose più facili ho girato in sequenza tutte le scene in modo che gli attori potessero acquistare maggior spontaneità. Per il resto assomiglia ad un circo: sempre lo stesso spettacolo ma mai nello stesso posto. Ma alla fine anche lo spettacolo finisce per essere sempre diverso”.

Valeria Chiari

Entrevista con Andrea Maria Dusl

14 octubre 2002

La Luna azul austriaca en Roma

Será la luna azul de Andrea Maria Dusl la que inaugure la muestra cinematográfica “Nuevo Cine de Austria”, en Roma del 14 al 17 de octubre, en la que se presentarán once películas producidas en Austria, ocho de ellas todavía inéditas en Italia.

Primer largometraje de la directora vienesa, Blue moon, se presentó a concurso en el Festival de Locarno de este año, donde obtuvo el mismo éxito que en su país. Mezcla de road-movie y comedia romántica, la película de Dusl combina géneros y varios países por los que el protagonista viaja para seguir los pasos de una mujer que se ha dado a la fuga. Un viaje que empieza en Austria y termina en Odessa, pasando por Eslovaquia.

Inspirada en las numerosas exploraciones que ha hecho la directora en los países del Este tras la caída del muro de Berlín, la película se había concebido originalmente como una serie de cortometrajes, de fotografías breves de esa parte del mundo, abierta después de muchos años de dolorosa clausura. “Fue una experiencia maravillosa explorar un mundo tan distinto y cercano a la vez, profundamente desconocido todavía”, cuenta Dusl, en Roma para presentar su película y promover su distribución en Italia. Blue moon ha terminado por ser un relato acabado que, a través de las acciones de sus personajes, revela las reflexiones de la directora.

Una historia romántica pero también una investigación y un descubrimiento

“Pensaba en una Odisea, en el descubrimiento de un continente y de las relaciones de interdependencia entre el Este y el Oeste. Blue moon puede analizarse en distintos planos, y la historia de amor entre Jana y Johnny es una metáfora de las profundas relaciones entre el Este y el Oeste. Es una historia sobre el deseo y el temor, el valor y la debilidad, lo establecido y el cambio”.

¿Es una historia verdadera?

“No solamente una; hay muchas historias que he recogido durante mis numerosos viajes al Este y que luego he fundido en una sola al escribir el guión. Por ejemplo, la historia del protagonista, obligado por un grupo de maleantes a dar todo su dinero para comprar un ladrillo, en lugar de robarle abiertamente, es verdadera”.

Terminar la película le ha llevado casi doce años…

“Sí, porque al principio había pensado en hacer una serie de cortos que se proyectarían por separado en las salas antes de las películas. Hice seis cortos, de dos minutos cada uno. El proyecto se iba a llamar La vuelta al mundo en ocho días. Mi idea era relatar ocho historias, pero mientras las hacía me di cuenta de que debía cambiar el enfoque que tenía previsto al principio. Y así, poco a poco nació Blue moon, aunque tardé otro tanto en encontrar un productor que tuviera el valor de apoyarla”.

Un road-movie por la Europa del Este no debe de ser precisamente un paseo. ¿Qué problemas tuvo en el rodaje?

“Rodar ya es de por sí tan difícil como nadar en el lodo. A menudo, la realidad de las cosas es distinta de las ideas que una tiene. Dirigir una película es probablemente la forma de realización personal más compleja que se haya inventado. E indudablemente es la más costosa. Teniendo esto en mente, y con la intención de hacer todo más fácil, rodé en secuencia todas las escenas para que los actores pudieran adquirir mayor espontaneidad. Por lo demás, es como un circo; siempre el mismo espectáculo pero nunca en el mismo lugar. Y al final, el espectáculo acaba por ser también siempre distinto”.

Valeria Chiari

Interview Wien-Web-tv

„…Sie ist Karikaturistin, Journalistin und Filmemacherin. Andrea Maria Dusl ist vielseitig und hat es in Männer dominierten Branchen geschafft, sich einen Platz zu erkämpfen. Sie zeichnet für Format, schreibt für den Falter und im Herbst kommt ihr erster Spielfilm „Blue Moon“ mit Josef Hader und Detlef Buck in die österreichischen Kinos. wienweb sprach mit Andrea Dusl über ihre Beziehung zu dem Stoiker Josef Hader, ihre Kritik an der Stadtzeitung „Falter“ und warum die Fußballweltmeisterschaft sogar den Krieg in Afghanistan hätte verhindern können…

MARKUS PÜHRINGER im Gespräch mit Andrea Maria Dusl

>>> Interview


Copyright wienweb 2004.

Blue Moon Interview Skip

Osterweiterung
Erschienen im September 2002 in der Kinozeitschrift SKIP


Ein österreichisches Road-Movie, das in eine ungewohnte Richtung geht. PETER KROBATH und KLAUS HÜBNER erfuhren von Andrea Maria Dusl, warum ihre Prärie im Wilden Osten liegt.

Andrea Fahnenzimmer.jpgSKIP: Wir haben in Blue Moon eine berühmte Location ausgemacht…

Andrea Maria Dusl: Ja, das ist die Stiege im Hafen von Odessa, auf der Sergeij Eisenstein die legendären Szenen für Panzerkreuzer Potemkin drehte. Diese Stiege hat nicht nur filmhistorisch, sondern vor allem auch politisch eine enorme Bedeutung – sie ist ein Symbol des Kommunismus. In Blue Moon wollte ich der Frage nachgehen, was von diesem sogenannten „Reich des Bösen“ heute überhaupt noch übrig ist. So war klar, dass ich auf Eisensteins Stiege nicht verzichten kann.

Bei Eisenstein wirkt die Stiege aber weit imposanter als bei dir…

Eisenstein hat das eben so monumental inszeniert. Ich wollte das nicht. Mir war wichtig zu zeigen, wie diese Stiege heute verwendet wird. Das man auf ihren Stufen sitzen und die Schiffe im Hafen beobachten oder einfach nur rauf und runter gehen kann. Bei mir hat diese Stiege eine andere Bedeutung als bei Eisenstein. Bei ihm war sie ein Symbol für den Ausbruch der Revolution, bei mir ist sie ein Symbol für den Ausbruch von Normalität – wobei die Normalität eine westliche Normalität ist. Denn natürlich hat es in diesen Ländern auch schon vorher eine Normalität gegeben, allerdings war die noch nicht von den Segnungen des Kapitalismus vergiftet.

Blue Moon ist ein Road-Movie, das von der Slowakei bis in den ukrainischen Schwarzmeer-Hafen Odessa führt. Wie ist diese Idee entstanden?

1989, während des Falls des Eisernen Vorhangs, bin ich gleich am ersten Tag, wo das möglich war, in Richtung Osten aufgebrochen. Ich wollte mir das alles anschauen. Plötzlich wurde man als Touristin nicht mehr vom Staat bewacht. Man konnte den Osten entdecken – in all seiner Hässlichkeit und all seiner Schönheit. Ich war begeistert von der Andersartigkeit dieser Welt, das wollte ich unbedingt einfangen und so vielen Menschen wie möglich zeigen. Und die beste Möglichkeit dazu war diesen Film zu drehen.

Zeigen deine Bilder die Realität des Ostens oder ist das doch schon künstlich aufbereitete Kommunismus-Nostalgie?

Natürlich kann ein Film immer nur eine Verdichtung der Realität sein. Aber im wesentlichen schaut es dort wirklich so aus – auch wenn wir unsere Motive sorgfältig ausgesucht haben, um die spezielle Stimmung dieser Länder auf den Punkt zu bringen. Das ist alles Realität, die im Moment dabei ist, zu Geschichte zu werden. Diese Welt stirbt gerade. Solche Bilder wird es nicht mehr lange geben. Irgendwie sind das alles Momentaufnahmen eines todgeweihten Patienten.

Wieso hast du dem Johnny Pichler, der von Josef Hader gespielt wird, so wenig persönlichen Hintergrund gegeben? Wir sehen zwar, wo er hinfährt, aber wo er herkommt, wissen wir nicht.

Ich wollte den Helden meiner Geschichte völlig entwurzeln. Die Geschichte hat das einfach verlangt. Er ist da – und das genügt. Johnny Pichler ist wie ein Cowboy. Da fragt auch keiner, wo war der vorher, was hat der getan, bevor er in die Prärie gekommen ist!
>>> Skip

Delicatezza Austriacha

FESTIVAL LOCARNO 55 – Delicatezze austriache: “Blue Moon” di Andrea Maria Dusl Luca Malavasi

Sentieri Selvaggi Shirley.jpgl’esordio della regista austriaca, classe 1961, arrivata al lungo dopo sei corti, è una storia d’amore di quelle un po’ vecchio stile, fra Lubistch e Wilder, dove gli incontri sono casuali ma determinanti, le passioni struggenti, la parte comica controbilanciata da una faccia drammatica. Un film delicato ma, a suo modo, anche coraggioso.

“Delicato” è l’aggettivo che meglio si adatta a descrivere sinteticamente Blue Moon, l’esordio dell’austriaca Andrea Maria Dusl, passato in concorso a Locarno fra un dramma e l’altro, fra uno stupro e un aborto, fra una fuga e una sconfitta senza ritorno e riparazione. Tanto che l’aggettivo, normalmente riduttivo (l’omologo emozionale di “carino”), assume invece, all’interno di questa edizione del Festival, un valore e una coloritura diverse.

Carino perché la regista, classe 1961, arrivata al lungo dopo sei corti, sceglie – verrebbe da dire coraggiosamente – di raccontare una storia d’amore. Una storia di quelle un po’ vecchio stile, fra Lubistch e Wilder (ma con una spruzzatina di Kusturica), dove gli incontri sono casuali (quanto casuali!) ma determinanti, le passioni struggenti, la parte comica controbilanciata da una faccia drammatica (ma non tale da fagocitare l’altra), il lieto fino davvero lieto, e anche un po’ eccessivo, da entusiasmante “e vissero tutti felici e contenti”.

La storia, in breve, racconta di come Johnny Pilcher, fra Slovenia e Ucraina, incontri, si innamori, perda e riconquisti Jana. A dire il vero, l’identità della donna rimane circondata fino alla fine da una certa vaghezza: prima è Dana, poi Jana, la sua gemella, ma viene il dubbio che sia sempre la stessa e comunque tale è agli occhi dell’uomo, che infatti, quasi immediatamente, abbandona il proposito di cercare Dana.

Il film, come detto, ha il pregio della delicatezza e del garbo, tanto nei dialoghi quanto nella regia, e allo stesso modo funzionano gli attori principali, affiancati dall’eccentrico ed esorbitante Detlev W. Buck, un affarista truffaldino ma di buon cuore. La commedia di tanto in tanto cede il passo al dramma (proprio in relazione all’identità della protagonista femminile), mentre la biografia del suo partner mantiene fino in fondo una deliziosa (come a dire delicata…) enigmaticità. E’ in questi dettagli – e nella struttura di alcune sequenze, in certe piccole incongruenze, in certi scarti drammaturgici – che Wilder incontra Kusturica e che il meccanismo della commedia hollywoodiana si slabbra aprendosi a una surrealtà comica o a un dramma dai toni grotteschi o raggelati, infine scaldati – e con quanto ardore – dal ricongiungimento dei due. Delicato, dunque, ma, a suo modo, anche coraggioso. Perché parlar d’amore, oggi, con una “ingenuità” tale, non è cosa comune. Di certo, non lo è quest’anno a Locarno.

Source: Sentieri Selvaggi: Blue Moon by Luca Mlvasia, August 2002
Sentieri Selvaggi Main Site

Blue Moon. How did you do it?

VERONIKA FRANZ interviewte ANDREA MARIA DUSL für das offizielle Presseheft von Blue Moon.

Download ⇒ Blue Moon Press Folder. Erschienen für Locarno 2002, wo Blue Moon am 5. August in Competition lief.

Blue Moon Poster.jpgEin Mond steht am Anfang und am Ende des Films am Himmel wie eine formale Klammer. Wofür stehen die beiden Vollmonde?

Es gibt im angloamerikanischen Sprachraum den Mythos des “Blue Moon”. So ein “Blauer Mond” ist der zweite Vollmond in einem Monat. Weil dieses kalendarische Phänomen nur alle heiligen Zeiten auftritt, bezeichnet man mit damit auch andere Seltenheiten. Wenn etwas sehr selten ist, ist es so rar wie ein Blue Moon. Die Liebe ist so ein rares Phänomen. Es ist wie in dem berühmten Song „Blue Moon“:

Blue moon, you saw me standing alone
Without a dream in my heart,
without a love of my own…

Das Lied ist die Story meines Films.

War das Lied die Idee zum Film?

Ich habe viele Monate, ja Jahre versucht, diese Platte antiquarisch zu finden. Vergeblich. Bei meiner ersten Reise nach Odessa ist etwas Magisches passiert. Ich war ja konditioniert darauf, bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Plattengeschäfte zu gehen, um nach Musik zu suchen. Immer war die Frage nach “Blue Moon” von Julie London dabei. In einem kleinen Elektrogeschäft in Odessa, im Februar 1996, fragte ich also wie so oft, ob sie Musik hätten. Darauf öffnete er eine Lade. Darin lag, ich konnte es nicht fassen, eine einzelne Cassette. Es waren Songs von Julie London, selbst aufgenommen. Der 14te Song war “Blue Moon“. Seither weiss ich, dass es keine Zufälle gibt.

Was hat Dich am Osten von vornherein so fasziniert?

Unsere Generation ist aufgewachsen in dem Bewusstsein, dass da drüben im Osten das Reich des Bösen ist. Da war der Eiserne Vorhang und dahinter der Kommunismus und die Raketen, und alles war gefährlich. Als 1989 der Eiserne Vorhang fiel, war es blitzartig möglich, ohne Visum hinüberzufahren. Am ersten Tag fuhren wir nach Bratislava, es war November, regnerisch und neblig und in ihrer ganzen Hässlichkeit war das eine sehr romantische Welt voller Menschen, die Sehnsüchte und Paradiese in ihren Herzen hatten, von denen ich nie auch nur etwas geahnt hatte. Wir beschlossen, sofort wieder zu fahren, jedes Mal ging es weiter in den Osten. Es war aufregend, eine völlig andere Welt zu entdecken. Darüber musste ich einen Film machen! Über die Entdeckung dieser anderen Welt.

„Blue Moon“ ist eine Liebesgeschichte, aber auch ein Roadmovie. Was hat dich daran interessiert, einem Film über Fortbewegung zu machen?

Ich wollte eine Odyssee erzählen, die Wiederentdeckung unseres Kontinents beschreiben. Ich haben meinen Protagonisten in ein Auto gesetzt und auf die Reise in den Osten geschickt.

Der Film hat mehrere erzählerische Ebenen: Die konkrete der Liebesgeschichte und eine symbolische der Beziehungen zwischen Ost und West…

Ost und West haben keine symbolischen Beziehungen. Die Liebesgeschichte von Jana und Johnny ist die Metapher für die sehr konkrete Beziehung des Ostens mit dem Westen. Eine Geschichte von Sehnsucht und Angst, von Urteilen und Vorurteilen, Stillstand und Veränderung. Es ist also genau umgekehrt. Die Liebesgeschichte ist das Symbol und die Realität das Konkrete.

Bleiben wir bei der Symbolik: In dem Film spielt eine Flasche, in der eine tanzende Ballerinapuppe eingesperrt ist, eine wichtige Rolle. Ist sie ein Symbol für den Osten?

Ja, sie ist ein Symbol für Jana, die wiederum ein Symbol für den Osten ist. Jana ist eine Gefangene ihrer eigenen Geschichte… Sie kann nicht raus, obwohl die Flasche offen ist. In ihrem schönen roten Kleid tanzt sie auf der Stelle.

Heißt das der Osten braucht den Westen zu seiner Befreiung?

Nein, es heißt der Westen glaubt, der Osten brauche ihn dazu.

Das Datum des Fährenunglücks bei dem Jana ihre Familie verliert, ist genau das Datum des Niedergangs des Eisernen Vorgangs? Warum? Und gibt es noch mehr versteckte Anspielungen auf die Geschichte des Ostens?

Der Untergang der Fähre ist der Untergang des Kommunismus. Die Menschen haben sich 1989 nicht nur von Unterdrückung befreit, sie haben auch ihre Geschichte verloren. Eine ganze Welt ist für immer untergegangen. Das Zimmer, das Johnny an seinem ersten Tag in Janas Haus entdeckt, ist ein Teil dieser untergegangenen Welt. Die roten Fahnen, die Leninbüste, das Raketenmodell an der Wand.

Die berühmte Treppe aus Eisensteins “Panzerkreuzer Potemkin“ hast Du gleich am Anfang auch zitiert…

Mir war klar, dass ich die Treppe nicht auslassen konnte. Jeder kennt sie, weil Sergej Eisenstein 1925 dort seine berühmte Szene mit dem Kinderwagen, den Soldaten und Bürgern von Odessa gedreht hat. Ich hab die Treppe auf das reduziert, was sie ist: Eine Verbindung von oben nach unten. Wenn Jana hinuntergeht, dann ist das wie das Überschreiten einer Grenze. Für mich hat das Bild der leeren Treppe von Odessa die Bilder vom Eisernen Vorhang abgelöst.

Fiel deshalb die Wahl auf Odessa?

Hinter Odessa steht die Idee, einen Punkt zu finden, der das Ende und Anfang der Welt markiert. Ein Ort, wo ein Hafen ist, wo man nicht mehr weiter kann, ohne ein Schiff zu nehmen oder ins Meer zu springen. Es ist kein Zufall, dass der Name der Stadt an Homer’s Odyssee erinnert. Hier sollen die Argonauten an Land gegangen sein, und also wurde die Stadt, als sie im 18ten Jahrhundert von Katharina der Grossen gegründet wurde, in Anspielung auf diese mythische Dimension Odessa genannt.

Inwieweit basiert “Blue Moon” auf wahren Geschichten?

Es sind viele echte, erlebte Geschichten, die mir Menschen auf meinen Recherchereisen erzählt haben, ins Drehbuch eingeflossen. Die Ziegelstein-Geschichte ist eine wahre Geschichte und auch die von der Lehrerin mit ihrem kleinen Mädchen. Ich hab auch im Internet noch sehr viele Geschichten gefunden.

Formal gibt es in “Blue Moon“ auch eine Videoebene. Ihr bedient sich Johnny Pichler, der sonst eher wortlos ist, als Sprache. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?

Mit dieser kleinen Kamera wollte ich ihm ein Mittel geben, von dem er gar nicht gewusst hat, dass es auch eine Art von Sprache ist: Das Medium Film. Er benützt die Kamera am Anfang ganz zufällig. Er fängt Wirklichkeit ein, ohne dass er sie in größerem Zusammenhang sieht. Am Schluss, in der letzten Videosequenz sehen wir, wie er die Welt wahrgenommen hat.

Die Filmmusik, komponiert von Christian Fennesz, ist sowas wie eine dritte erzählerische Ebene? War Dir der Soundtrack besonders wichtig?

Extrem wichtig. Ich wollte keine folkloristische Musik im Film haben. Christian Fennesz macht urbane Musik. Sie ist entwurzelt wie die Figuren im Film, auf einer unsichtbaren Reise, wie er selbst, der zwischen Paris, Tokio und New York pendelt. Die Zusammenarbeit mit ihm war mindestens so intensiv, wie die Arbeit mit den Schauspielern. Eine andere Musikebene hat mir der berühmte russische Bluesgitarrist Yuri Naumov erzeugt. Er arbeitet völlig anders als Fennesz mit seinem, auf einem Apple Laptop verzauberten Samples. Sein unverwechselbares Gittarenspiel habe ich während der Dreharbeiten beim Frühstück in unserem Kiever Hotel zum ersten mal gehört. Einen Teil der Score Music hat mein Bruder Peter Dusl (>>> Petnic ) gemacht. Weil wir Geschwister sind, sind wir beim Arbeiten völlig ohne Worte ausgekommen.

Im Film herrscht ziemliches Sprachengewirr. Die Menschen sprechen Originalsprache: Ukrainisch, Russisch, Slowakisch, Englisch. Warum war dir das wichtig?

Weil es die Wirklichkeit wiederspiegelt. Ich wollte, dass es Dinge gibt, die man nicht versteht, ich wollte eine Sprachebene, die man nicht als Inhalt wahrnimmt sondern als Musik. Wir sind völlig überspachtelt mit Dauerverständnis, alles wird ununterbrochen übersetzt oder untertitelt. Das Leben ist ja gar nicht so. Wenn wir nur 80 Kilometer nach Osten fahren, verstehen wir nichts mehr, alles kann alles bedeuten und die Missverständnisse, die sich aus dem Nichtverstehen ergeben, sind das Salz in der Suppe unserer Erinnerungen.

Hast Du deshalb nach einer ukrainischen Hauptdarstellerin gesucht?

Wir haben Castings in Kiew gemacht. Ich habe die Bänder in Wien angesehen. Viktoria Malektorovych war ein singuläres Naturereignis. Sie hatte eine Präsenz, die atemberaubend war. Sie hat gleichzeitig Zerbrechlichkeit und Kraft, das war die Kombination, die diese Figur gebraucht hat. Für “Blue Moon” hat sie Deutsch, ja sogar Autofahren gelernt.

Du hast zwölf Jahre an dem Projekt gearbeitet, bis Du es realisieren konntest. Wieso hat es so lange gedauert?

Ursprünglich hatte ich die Geschichte in Fragmenten geplant. Jedes davon wollte ich privat finanzieren und wie Werbespots ins Kino bringen. Ich habe sechs solcher Folgen tatsächlich gedreht: Jeweils zwei Minuten lang, auf 35 mm. Das Projekt hieß „In 80 Tagen um die Welt.“ Mit Jules Verne hatte das aber nichts zu tun, ich wollte einfach 80 kleine Geschichten erzählen. Bis mir bewusst wurde, dass ich einen anderen Weg gehen musste. Ich packte die Geschichten alle in eine, und so entstand “Blue Moon”. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich Erich Lackner, meinen Produzenten, gefunden habe, der mit mir diese Geschichte realisieren wollte. Die anderen hatten nicht genug Mut dazu.

Du hast Bühnenbild studiert, bist Zeichnerin und Kolumnistin. Wieso hat Deine Filmlaufbahn solche Umwege genommen?

Ich habe mit Film begonnen, als ich 15 war. Alles andere kam erst später dazu. Wollen wir es mal so sagen: Zeichnen und Schreiben sind Dinge, die man beim Filmemachen ganz gut brauchen kann.

Was war für Dich das Schwierigste bei den Dreharbeiten?

Das Drehen war wie Schwimmen in flüssigem Beton. Für die Menschen am Beckenrand sieht das vielleicht komisch aus. Aber schwimm Du mal schönen Stil in einem Zementbecken! Der Beton war umso dicker, je mehr die Wirklichkeit von meinen Idealen abwich. Film ist vermutlich die anstrengendste Selbstverwirklichung, die die Menschheit hervorgebracht hat. Die teuerste in jedem Fall. (lacht…) Leichter hat es mir gemacht, dass wir extensive Proben hatten und chronologoisch gedreht haben. Wir haben beim Drehen nicht mehr nach Worten, sondern nach etwas anderem gesucht. Es hatte etwas von Wanderzirkus, die gleiche Show an verschiedenen Orten aufzuführen, und wie beim Zirkus war es dann immer eine andere Show.

Wie wichtig sind für Dich die Schauplätze des Films und der Look?

Die Schauplätze sind essentiell. Bei meinen Reisen in den Osten habe ich immer konkretere Vorstellungen davon entwickelt, wie die Wirklichkeit aussehen muss, um meinem Bild der Wirklichkeit zu entsprechen. Das ging so weit, dass ich Originaldekors völlig umbauen liess, damit sie wieder so aussahen, wie bei meinen ersten Besuchen. Einer der Eckpfeiler des Films war der Kameramann Wolfgang Thaler und nicht nur was die Ästhetik betrifft. Seine Handkamera ist so ruhig, dass man sie oft gar nicht als Handkamera wahrnimmt. Sie atmet mit den Menschen und mit den Räumen.

Selten hat man Josef Hader so ernst, so minimalistisch gesehen. Warum hast du ihn, der ja sonst für den Kabarettfilm steht, besetzt?

Ich hatte bei Josef Hader das Gefühl, er würde Johnny Pichler sein. Nicht mehr und nicht weniger. Dieses Gefühl hat mich nicht betrogen. Josef Hader war genau der Johnny Pichler, den ich mir Jahre zuvor ausgedacht hatte. Die Konfrontation mit dieser Figur hat uns beide sehr gefordert. Am Ende habe ich Josef nicht mehr als Josef wahrgenommen, sondern als die Figur des Johnny, die in ihn geschlüpft ist.

Du wolltest also explizit keinen Kabarettfilm machen?

Ich weiss gar nicht, was das ist.

Detlev Buck ist ein weiteres komödiantische Kaliber…

… für eine tragische Figur: Ignaz Springer ist ein Ostdeutscher ist, der im ehemaligen Osten hängengeblieben ist. Detlev Buck ist für diese Rolle sehr früh auf meiner Wunschliste gestanden.Um ihn an Bord zu bekommen, haben wir einen dreitägigen Testdreh mit ihm und Josef Hader in Kiev gemacht. Der Wodka war gut, die Ukraine gefiel ihm. Und das Drehbuch, glaube ich, mochte er auch.

Blue Moon ist ein hochromantischer Film mit Happy End… Glaubst du an das Happy End? Auch im Leben?

Ja.


Veronika Franz für das Presseheft von Blue Moon.