Epos Art ::: Weltklasse-Design

Epos Ars
Erfrischendes Lettering im Western-Seemanns-Stil: Kistenbretter sind zu Buchstaben genagelt,
gerafftes Tau (möglicherweise auch eine Lichtschlange) umspielt den Schriftzug „EPOS ARS“.
Die leichte Asymetrie in der Kalligraphie lässt offen, ob die Lettern CH von späteren Besitzern
aus dem Titelende entfernt wurden. Passend zum hölzernen Geschäftslogo sind die beiden
tafelförmigen Türpaddeln aus Palisanderimitat. Farblich imponiert die lehmfarbenene
Rustikafassade. Deren zweite Reihe ist mit einem leichten Kalkton bestrichen worden.
Eine selten gesehene, nicht unraffinierte Gliederung. Stille Würde geht von staubigen
Scheiben aus. Handschweiss oder Tapetenkleister hat auf Türflügeln und Auslagenscheibe
Bereiche erhöhter Durchsichtigkeit erzeugt: Im Zusammenspiel mit dem Vintage-Dusting der
Scheiben eine schöne Idee. Rätselhaft bleibt die Etymologie des Geschäftsnamens: EPOS
könnte einen „Electronic Point Of Sale“ oder eine Niederlassung der in den Achtzigern
beliebten Hi-FI-Lautsprechermarke EPOS bezeichnen. In eine andere Richtung geht die
Deutung, das P in EPOS hätte ursprünglich einen R-Balken gehabt. Damit hätte der Laden
„Eros Ars“ heissen können und zwischen Handmassagesalon und Sex-Toys-Center alle
Spielarten erotischer Produkte und Dienstleistungen angeboten.
Mehr Geschäfte dieser Design-Qualität gibt es in der Ixugrafie-Ausstellung Little Shops of Horror.

Little Shop of Horror ::: Das traurigste Geschäft des Universums

Trauriger-Laden-Karlsplatz.jpg

Auch im Gewand von Tand und Lichterketten sind die Geschäfte,
die die Wiener „Karlsplatzpassage“ säumen, an grossem Jammer erkrankt.
In dem gut zweihundert Meter langen Gang zwischen Oper und Karlsplatz
finden sich Schlüsseldienste, Wettcafés, Stehpizzerie, Briefmarkenläden,
Pornoheftkioske und Seidenblumenshops. Ich vergass die Amthyst-
berater und das Geschäft für 2-Euro-Reisetrolleys. Und die dicke
Polizeiwachstube.
In der Karlsplatzpassage weht immer warmer Wind. Deswegen stehen
hier Babyprostituierte, Junkies und ihre Freunde. Vor jedem Laden stehen
sie und gammeln der Zeit ein Loch in die Mütze. Nur vor diesem einen
Geschäft stehen sie nicht. Vor diesem einen Geschäft zu stehen, ist sogar
für die abgetretendsten Junkies und Methadonzombies der blanke Horror.
Vor dem traurigsten Geschäft der Welt fallen sogar die Fliegen tot aus
der Flugbahn. Hier steht niemand ausser der Zeit.
Düster strahlt im nichtgemochtesten Laden der Welt die Schönheit
der Architektur. Gelungen dürfen wir die Leithakalkplatten nennen, die,
das Gefälle der Passage aufnehmend, assymetrisch aber gefällig in die
Stahlparapete gehängt wurden. Auch die Rahmen aus gebürstetem
Alulminium gefallen uns. Ein Memento an den International Style, der
irgendwann auch in Wien kurz Station gemacht hat.
Bitter geht es im Inneren zu. Unverschämt das Weiss der Rigipswände.
Wurde hier gar mit stinkender Acrylfarbe gefärbelt? Zeitlos die Hässlichkeit
der grauen Eisentür, die in ein verborgenes Mitarbeiter-Klo führen
dürfte. Entsetzlich zwei Flipcharts aus der späten Raiffeisenepoche. Dafür
würde man sich inzwischen sogar in Bratislawa schämen. Ob man den
kleinen oder den grossen Schemel für abstossender halten soll, lässt das
Elend der innenarchitektonischen Inszenierung nicht zu.
Ein Lichtblick hingegen die Spiegelung der Passagenlichtfelder in den
zwänglerisch sauber geputzen Scheiben. Hier dringt der öffentliche Raum
in das verwaiste Eigentum.
Traurig, aber immerhin nicht ohne anekdotischen Wert die Literatur des
jämmerlichen Raumensembles: Auf der zentralen Flipchart steht, mit
verblasstem Edding geschrieben: NEUER. Unter dem Schloss des gläsernen
Portals gefällt uns das rotumrandete Schild mit der Warnung:
Achtung
Klimaanlage

George Bush und die Nachtkästchenlampe

Der Tag, an dem George W. Bush vergaß, die Nachtkästchenlampe in seinem Fluzeug auszuknipsen.

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Dienstag, 20. Juni 2006, Flughafen Wien-Schwechat, kurz nach 21.10 Uhr.
Die Sonne ist gerade hinterm Wienerwald verrostet. Der 43. Präsident der
Vereinigten Staaten betritt in Begleitung seiner Ehefrau Laura die Gangway
vor „Air Force One“. All lights down. Nur ein kleines Fensterchen ist beleuchtet. George Walker Bush hat vergessen, die Nachtkästchenlampe auszuknipsen.

Kleiner Lageplan der präsidialen Luftkutsche:

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Wie man deutlich sehen kann, gehört das beleuchtete Fensterchen
zum Schlafzimmer der Bushs. Hier hat der Präsident während des
Transatlantikflugs gemütlich gemützt.

Nicht uninteressant ist in diesem Zusammenhang die Entdeckung,
dass amerikanische Präsidenten offenbar mit den Füssen in Fahrtrichtung
reisen. Die Bugkoje liesse eine andere Orientierung auch gar nicht zu.
Kein gutes Feng Shui, George!

Wie gut hatten es da die Potentaten früherer Zeiten! Ihre Kajüten
befanden sich stets im Heck ihrer Flaggschiffe.

George Bush und die österreichische Strassenverkehrsordnung

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Mittwoch, 21. Juni, 2006, 10.04 Uhr: George Walker Bush, mächtigster Limopassagier auf diesem Planeten, fährt von seinem Wiener Domizil, dem Plattenbauhochhaus „Hotel Intercontinental“ zu einem Phototermin in die Wiener Hofburg. Abgesehen davon, dass er – zumindest ab der Albertina – gegen die Einbahn fahren lässt, ist auch der Respekt vor Radwegen für den obersten amerikanischen Kriegsherrn kein Thema. Ob Bush in der beflaggten Limo „Pretzel“ knabberte, ist nicht überliefert.

Anonymous Design ::: St. Kathrein am Hauenstein

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Das ist der Vorraum der Damentoilette im ersten Stock
des obersteirischen Gasthof Hauensteinerhof in der
Kraftspendegemeinde St. Kathrein am Hauenstein.
Ein Ort von schlichter Eleganz. Wunderschön die stille Ästhetik
der Sanitärmaschinerie: Papierspender und Seifenbrunnen
aus dem Hause Gormatic. Nicht ohne Würde das Fehlen des
Warmwasserhahns. State of the former art: Der trapezförmige
Spiegel aus den späten 50ern. Elegant die Führung der
Stromleitung zum Mückengriller rechts unten. Sehr gelungen
die drei Plastiknieten, mit dem das Funderpanel an die Wand
gepinnt ist.

In diesem Haus, wenn auch vermutlich nicht an diesem Ort
verkehrte der Literaturheilige der Steiermark, der Heimat-
dichter Peter Rossegger (bleibender Tippfehler) und ging hier
seinem gelernten Beruf, dem Schneiderhandwerk nach.
Dies deswegen, weil Alpl, die Heimat des Waldbauernbuben
nicht weit von hier, bergaufaufwärts, Richtung Mürztal liegt.
In der Gaststätte der Famile Gesslbauer kann man wunderbar
speisen, das Design wurde dankenswerter Weise im Stil der
österreichischen 1974er belassen.

Zero* Hotels ::: East Village 2B

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Meine romantische Bleibe im Summer of 94. New York City. East Village. 2nd Ave B. Natural Born Killers spielten gerade im Kino. T-Shirts mit dem Abschiedsbrief von Curt Cobain hingen frisch bedruckt an den Touristen-T-Shirt-Ständen. Das T-Shirt, das ich trug war schwarz und drauf stand in weissen und gelben Buchstaben:

WELCOME TO NEW YORK
NOW LEAVE.

Es war warm und der Sommer im Village roch süsslich, mal nach Asphalt, mal nach Gift, mal nach den Reifen eines Muscle-Cars. In der früh weckte mich die Sonne, die über den East River strich, oder ein Anruf von Triebl, der beim Höller Klaus in der der 35ten in einem Dachappartment mit Blick aufs Empire State Building logierte und in der früh immer einen Bagel oder zwei brauchte. Der Bagel-Bring-Walk vom East Village nach Midtown dauerte genau zwei American-Spirit-Zigaretten, die es bei einem Pakistani Ecke Stuyvestant/St.Marks gab. Damals rauchte ich noch. Die Twin Towers standen nütz herum und niemand gab einen heck about ihnen. So war das.
Am Fensterbrett lag in der früh immer schwarzer Staub.

Anonymous Design ::: Marlene Dietrich und die Frau in Blau

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22. Juni 2002. Plakat-Dyptichon auf einer Elektrokonsole in Wien.
Papierriss auf Metall. Wie bekomm‘ ich das in meine Sammlung?
Mang, der Meisterdieb sitzt in Untersuchungshaft. Wie finde ich den/die Künstler? Wenn ich das Dyptichon dann gegen einen Banksy aus dieser Epoche eintausche, wann interessiert sich der Baumarktmann dafür, wann der Augenarzt, wann Sankt Matt, wann die Republik?

Anonymous Design ::: The House on the Roof

Der Wiener Volksgarten ist zwischen Hofburg, Burgtheater und Parlament aufgespannt.
Knorrige Kastanien, Fliederbuschen und allerlei Rosengezücht. Dazwischen Asphaltwege
und bauchiges Wiesengrün. Umzäunt ist der Park mit einem imperialen Gitter, dessen
steinernes Parapet als Gewehr-Auflage für die Infantristen der kaiserlichen Armee gedacht
war. Im Schutze der steinernen Brüstung sollten Franz Josefs Schiessröcke allfälligen
revolutionären Pöbel mit gezielten Salven niedermähen.
Den Park beherscht eine klassizistische Steinscheune, der Theseustempel. Wenn der Himmel
giftig wird und die Sonne über Wien tief steht, sieht das alles nach gutem Design aus.
Volksgarten.jpg
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Als gelungen darf das Parlament jenseit von Brüstung und Ringstrasse gelten. Es ist für die
bescheidenen Ansprüche, die Österreich an die Idee der Demokratie verschwendet, etwas zu
gross ausgefallen. Das hat weniger mit schnitzelländischer Hochstapelei, als mit der Tatsache
zu tun, das von hier alle nichtungarischen Teile der Donaumonarchie regiert wurden. Heute
tagen hier die beiden Kammern des österreichischen Parlaments, der Nationalrat und der
Bundesrat.
Als Mayordomus der „Hohes Haus“ genannten, doch eher flach wirkenden Immobilie gefällt sich
der Tiroler Andreas Khol, ein eitler und geschwätziger Konservativer, der hier die republikanische
Position eines Nationalratspräsidenten bekleidet.
Das kleine Häuschen am Dach rechts, das aussieht, als hätte ein meschuggener Architekt LSD
genommen, gibt (bzw. gab) es tatsächlich. Es ist nach Meinung einiger das Büro des Grün-
Parlamentariers Peter Pilz, nach Ansicht anderer das des sozialdemokratischen Querdenkers Bruno
Aigner, Sekretär des damaligen zweiten Nationalrats- und heutigen Bundespräsidenten Heinz
Fischer. Mitnichten. Das kleine Haus in luftiger Höhe haben sich Restauratoren gebaut. Es
umschliesst eine von insgesamt acht rostig gewordenen Bronzeskulpturen.
Eine schräge Adresse von feinstem Entwurf.

Wish You Were Here ::: Zyklamtulpenwahnsinn

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Zyklamtulpenwahnsinn. Glück. Das Bild, das mich optisch völlig glücklich macht.

Wo das denn wäre, hab ich mich gefragt. Die Vollglückoptiklocation mit den zyklamenfarbenen Wahnsinnstulpen und den Regenschirmleuten. Das Meer müsste in der Nähe sein, sonst wär da nicht soviel Nebel. Reitersmänner auf Sockeln gibts zwar überall, zwischen Palermo und San Francisco. Tulpen auch. Hochhäuser schon weniger. Ist es London, Amsterdam, Washington, New York, Chicago? Pittsburgh, Edinburgh, Dublin, Mailand? Manchester? Wo nur, Hardigatti, wo?

Heute hab ich mir die Finger wundgesucht auf der private-Bilder-ins-Netz-hochlade-Bude flickr. Da hab ich eingetippt; Tulips. Schwupp, kamen 8287 Tulpenbilder. Tulips and Park, Tulips in America, Tulips and Monument. Dutzende tausendmale machte es schwupp.
Aber das Rätsel ist gelöst. Es ist gelöst.

Der Zyklamentulpenwahnsinn spielt in Boston. Bei Regen. Im Public Garden. Und die Pferdebeinchen gehören zum George Washington Monument. Mannomann, nie wieder Tulpensuchen. Zumindest heute nicht. Fleissaufgabe wäre, das Bild auch zu datieren. Ich sage nur Frühling. Mehr sage ich nicht. Sonst schnappe ich über.

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Boston, MA. Public Garden. George Washington Monument. Tulips.
The Public Garden, established in 1837, was the first public botanical garden in the United States. Today the park forms a green and flowering retreat in the middle of a grey and noisy city. No visit to Boston, MA. would be complete without a walk in the Garden.

Its 24 acres, developed over marsh land, is the design of George V. Meacham. He was the winner of a public competition and he received an award of one hundred dollars. Through the years, changes to accommodate the increasing traffic and of new plant material have been made with the original design always in mind. The flower beds give beautiful color from early April until the end of October, and the thousands of plants grown in the city greenhouses allow for an ever changing display. In 1859 the Public Garden was preserved forever as an open space for the public by an act of Massechusitts legislature.

–> Link

Anonymous Design ::: Lagow Park

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Souveräner Umgang mit Asymmetrie.
Leitmotivierung der Farben Orange/Grün.
Sparsamer Einsatz von Funktionalität.
Öffentlicher Kleinstpark an der Hauptstrasse des
kleinen polnischen Städtchens Lagow, östlich von
Frankfurt/Oder. Lagow beherbergt ein jährliches
internationales Fimfestival und liegt inmitten
von Föhrenwäldern an einem beunruhigend
ruhigen See.