Mathematik-Matura

Comandantina-Nerd-Fact: Um durch die Mathematik-Matura des „realistischen Gymnasiums“ (wir hatten ultraviel Mathematik) zu kommen, habe ich JEDE Rechenaufgabe des Mathematik-Lehrbuches der 8ten durchgerechnet. JEDE. Es waren weit über tausend. Die Lösung musste stimmen, bevor ich die nächste Aufgabe rechnete. Dafür nahm ich mir schulfrei. Oft. Des Schulschwänzens beschuldigt, sagte ich wahrheitsgemäss, ich säße zuhause und rechnete. Die Lehrer glaubten mir das nicht. Sowas macht niemand, hieß es. Doch, ich. Erzähl keine Gschichteln, sagten sie.

DNA Test

Ich habe in den US of A eine DNA-Analyse von mir machen lassen (don’t try this at home!) und nach der bin ich zu 44% Hunter-Gatherer, zu 43% Farmer und zu 14% Metal Age Invader. Letzteres beruhigt und beunruhigt mich gleichzeitig.

Ethnisch (heikles Terrain) bin ich zu 99% Europäerin, zu 69% West- und Zentraleuropäerin, zu 26% Osteuropäerin und sehr seltsam: zu 4% Finnin. 

Als Cousins 3-5. Grades (niemand näherer) werden durchwegs mir völlig unbekannte Finnen, Schotten und Schweden gelistet. Nur einer ist dabei, den ich tatsächlich kenne. Keine Osteuropäer, keine Westeuropäer, keine Mitteleuropäer, keine Balkanos. Irgendwas stimmt da nicht. Es sei denn, ich wurde in der finnischen Botschaft in Paris ausgetauscht. Ich muss mal mit meinen Eltern sprechen. Leider sind sie schon tot.  

Meine 16 Ururgroßeltern (und woher sie kamen)

Franz Xaver Duhsl (Horn)
Rosalia Zöchmann (Roseldorf)
Giovanni Patat (Gemona del Friuli)
Elisabeth Cahon (Veliki Trn)
Alexander Friedrich Gelpke (Höxter a.d. Weser)
Hedwig Lange (Wien)
Anton Schmelzer (Horní Litvínov)
Anna Barbara Gulder (Horní Litvínov)
Franz Karl Jüllig (Ettlingen b. Karlsruhe)
Camilla Possanner von Ehrenthal (Münkendorf in Krain)
Dr. Joseph Scheimpflug (Znaim)
Ernestine Rinna von Sarenbach (Wien)
Johan Pettersson (Trollhättan)
Christina Charlotta Jäderlund (Gävle)
Christian Ludwig Rabe (Niederholzhausen in Sachsen)
Christina Charlotta de Hamilton-Malmberg (Risinge i Finspång)

Comandantina und der Stern

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 14/2018 zum 4.4.2018.

Liebe Frau Andrea,
auf ihrer Homepage „Comandantina“ habe ich Ihr persönliches Symbol entdeckt, einen roten Stern. Zelebrieren und verharmlosen Sie hier überkommene und verkommene Ideologien?
Verwirrt, Dr. Ernst Hillarius Fröhlich, per Twitter-Direktnachricht

Lieber Dottore,

Symbole und Zeichen, aber auch Namen und Begriffe sind dem Gezeitenspiel der Bedeutungen unterworfen. Mal gehen sie unter, mal werden sie an Land geschwemmt, mal als Strandgut aufgelesen. Ich darf im folgenden die sehr persönlichen und kontingenten Ideengeschichten zu „Comandantina“ und dem „Stern“ berichten. Die Knappheit der Erläuterungen ist dem Platz geschuldet.

Der pseudonymisch mobilisierte Künstlername „Comandantina“ enstand im Februar 1997 in Havanna, Kuba. Die Begegnung mit der Geschichte Kubas hielt für das revolutionäre Personal der Insel den Kampfnamen „Comandante“ in ehrender Schwebe. Frauen waren allerdings keine Comandantes und wenn, wären sie als Comandanta bezeichnet worden. In satirischer Aufweichung des Begriffs habe ich die Endsilbe Tina dazugestellt, extrahiert aus „Tina Turner“, und erinnerlich aus Namen wie Bettina, Christina und Martina, wie Agostina, Albertina und Clementina, wie Costantina, Giustina und Valentina. Comandantina antwortete aber auch feministisch auf Titel wie Commendatore, Conte und Cavaliere.

Der rote Stern ist kein kommunistischer, wie mir Chefredakteure führender Boulevardmedien schon unterstellten, sondern der Flammende Stern der Freimaurer (die Venus in ihrem fünffältigen Lauf), tingiert in meiner Lieblingsfarbe rot, und ergänzt um die brennende Fackel der Aufklärung, einen Olivenzweig für die Friedlichkeit meiner Mittel und meinen Klarnamen für die Lauterkeit meiner Absichten. Das Spruchband ist mottolos, weil Texte immer wieder neu gefasst werden wollen. Aber der Stern!, fauchen die Chefredakeure führender Boulevardmedien trotz all dieser Erläuerungen. Und dann machen sie Urlaub unter der Flagge Kalifoniens, trinken Mineralwasser der Marke San Pellegrino und Bier von Heineken. Und wenn man sie genau befragt, geben sie womöglich zu, dass sie sich schon für eine Wohnung in der Rotensterngasse interessiert haben.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Meine Anagramme

Nadia Saladmurre
Aside Lunardrama
Radarmania Dusel
Laura Addis-Reman
Laura Arden-Midas
Laura Sedan-Mardi
Muriel Sarandada
Ursa Dadamineral
Dana Madeira Slur
Ursa Madeiraland
Ursa Madeira Land
Irma Adrenal Saud
Aida Laundermars
Sara Dune Midral
Nadia Saladmurre
Diana Lard-Maseru
Adriana Ruledams
Adriana Dulerams
Sandal Maria Rude
Maria Sandal Rude
Diana Madraslura
Diane Maraudlars
Lisa Maraudarden
Linda Marudasera
Maud Landraires
Dana Married Saul
Dana Sumeria Lard
Sandra Aide Mural
Sandra Marie Dual
Nausea Mardiland
Marina Adler-Saud
Urania Addlemars
Andrea Maria Dusl

Migration

Mein Vater war Migrant. Meine Mutter war Migrantin. Großvater 1 war Migrant, Großmutter 1 war Migrantin, Großvater 2 war Kind einer Kaskade diversester migrantischer Familienvorgänge, Großmutter 2 war Kind zweier Migranten aus unterschiedlichen Ländern. Sie alle haben ihre Kulturen mitgenommen, neue angenommen. Friedlich. Ohne irgendein wehleidiges Intergrations-Mimini. Sie haben ihre eigene Kultur niemandem übergestülpt, weder den Kindern, noch der Umgebung. Ich habe also kein Verständnis für den Begriff der unverrückbaren „Kultur“ irgendeiner Heimat, sei es die überkommene der Einheimischen, sei es die Mitgebrachte der Zugezogenen. Wenn ich alle Sprachen aufzählen müßte, die die fünf Generationen vor mir gesprochen haben (es waren meist zwei oder drei), könnte ich den Sprachatlas Europas füllen. Meine Cousins und Cousinen können das ebenfalls. Und in der Regel unterhalten wir uns nicht in der Sprache unserer gemeinsamen Groß- oder Urgroßeltern, sondern in einer ganz anderen. Ich würde sagen: So geht Europa. Noch was: Religion war nie ein großes Thema bei uns.

Schmetterlinge, Schmauch, Sofa

Vorwort zu meinem nächsten Buch: „Wien wirklich“, (Metroverlag, Herbst 2017):

Im Dezember 1971 fasste der Weltgeist prägende Bestandteile meines Daseins in gleichzeitig Geschehendem zusammen. Keinen der Akteure habe ich jemals persönlich kennengelernt. Und auch der Ort der Handlungen will noch von mir erforscht werden: Montreux am Schweizer Lac Leman. Dort spielte ein gewisser Ritchie Blackmore, nervöser Gitarrist der englischen Rockgruppe Deep Purple, das Riff zur Hymne des Jahrhunderts ein: „Smoke on the Water“. Mit dem Rolling Stones Mobile Truck, einem fahrbaren Aufnahmestudio – im legendären Kleintheater „Pavillon“. Der Rest des Albums wurde in den Gängen und Treppenhäusern des leerstehenden Montreux Grand Hotels aufgenommen. Hinter Matratzenwänden, in der hallenden Leere vergangener Glorie. Die beiden Locations dienten als Ausweichquartiere, nachdem das ursprünglich für die Schallplatten-Aufnahmen angemietete Casino Montreux während eines Frank-Zappa-Konzerts von der Leuchtpistole eines Schweizer Fans abgefackelt worden war. Der Arbeitstitel für die epochale Tonfolge war „Title nº1“, nach anderen Quellen schlicht „Drrr Drrr Drrr“. Die Inspiration der einzigen Melodiefolge, die selbst Unbegabte auf einer Gitarre zu intonieren sich erlauben, will Ritchie Blackmore dem Anfangsmotiv von Beethovens 5ter extrahiert haben. Der Text des Songs bezieht sich auf den erwähnten Brand des Casinos am 4. Dezember 1971. Den Titel „Smoke on the Water“ soll Deep-Purple-Bassist Roger Glover ein paar Tage später im Traum erfahren haben.

Die akustischen und optischen Echos der geschilderten Vorkommnisse wurden von dritter Seite mit kritischem Unbehagen wahrgenommen. Auf der Terrasse seiner Suite im Montreux Palace Hotel stand der große Petersburger Vladimir Nabokov. Was er hörte, gefiel ihm nicht. Laute Rockmusik anglosächsischer Proletarier (Nabokov hielt den Lärm für „Jazz“), von den frühen Winterwinden durch den mondänen Ort und über den See getragen. Auch was er sah, muss den scheuen Autor irritiert haben: Feuer, Rauch, Langhaarige, Panik. Chaos im Panorama der Nabokovschen Ordnung.

Es ist nicht bekannt, ob die drei erwähnten Protagonisten der geschilderten Vorkommnisse einander am Ort des Geschehens begegnet sind. Ich jedenfalls saß in der ersten Klasse des Gymnasiums in der Wiener Wasagasse und träumte den vergangenen Sommer nach. Fern der Geschehnisse in Montreux war ich diesen doch ganz nah. Und mehr noch ihrem Personal: Dem aristokratischen Gestus des Schmetterlingsfängers Nabokov, der kritischen Pedanterie des Bürgerschrecks und Welt-Tschuschen Frank Zappa und der entrückten Manie des Rockproleten Ritchie Blackmore. Wie gut kannte ich deren Befindlichkeiten und Beweggründe aus meiner eigenen Familie! Dieses explosive Gemisch aus Kunst und Krach, Schreiben und Schweigen. Wie der dauerentwurzelte Nabokov war ich mit dem Botanisieren schöner Fluginsekten infiziert worden. Und mit dem Aufschreiben von Erfundenem. Wie Franz Zappa suchte ich die Dämonen der Bürgerlichkeit mit satirischer Anarchie zu bekämpfen, wie Ritchie Blackmore verlor ich mich im Handwerk des Gitarrespielens und in den Arabesken der Melancholie.

Der vorliegende Band handelt von Gleichzeitigkeiten und will nicht mehr sein als eine Botanisiertrommel, in der ich schillernde Schmetterlinge gesammelt habe und auch den einen oder anderen Käfer. Wiener Schmetterlinge und Wiener Käfer. Vieles in der Wiese Wien will noch gefunden werden und auch die Frage nach der Legitimität des Botanisierens darf gestellt werden. Hier kann Frank Zappa antworten, dessen Musik das Schreiben dieser Sammlung begleitet hat: „You are what you is.“

Oder genauer:

„Ich bin der Himmel
Ich bin das Wasser
Ich bin der Dreck unter deinen Walzen
Ich bin dein geheimer Schmutz
Und verlorenes Metallgeld
(Metallgeld)
unter deiner Ritze
Ich bin in deinen Ritzen und Schlitzen
Ich bin Wolken
Ich bin die Stick[erei]
Ich bin der Autor aller Felgen
Und Damast-Paspeln
Ich bin der Chrome-Dinette
Ich bin der Chrome-Dinette
Ich bin Eier aller Arten
Ich bin alle Tage und Nächte
Ich bin alle Tage und Nächte
Ich bin hier 
Und du bist mein Sofa!
Ich bin hier 
Und du bist mein Sofa!
Ich bin hier 
Und du bist mein Sofa!“

Frank Zappa & The Mothers
The Sofa Suite (Live at Montreux Casino, 4th December 1971)

Unser seliger Vater war zu Neujahr nie zu Hause

Unser seliger Vater war zu Neujahr nie zu Hause. Er saß jahrzehntelang im Neujahrskonzert im Goldenen Saal. In der Balkonloge oben rechts. Er hatte einen Deal mit einem der Billeteure. Der stellte ihm für 30 Schilling einen Zusatzstuhl hin. Wenn das Parkett sich freigehustet hatte für den Auftakt von Boskovsky und Nachfolgern.

Andrea Maria Dusl ::: Bio

BIO sehr kurz:

Andrea Maria Dusl, geb. 1961 in Wien. Magistra Artium, Doktorin der Philosophie. Lehrt an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. “Blue Moon“ (Spielfilm, 2001). Zuletzt erschienen: “Ins Hotel konnte ich ihn nicht mitnehmen“ (2012), „So geht Wien!“ (2016). Essays, Kolumnen und Zeichnungen für Falter, Standard, Salzburger Nachrichten.


BIO kurz:

Mag. Dr. Andrea Maria Dusl, geb. 1961 in Wien. Lebt in Wien und San Francisco. Bühnenbild-Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Dissertationsstudium der Philosophie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Magistra Artium. Doktorin der Philosophie. Universitätslektorin an der Angewandten. Spielfilm: “Blue Moon“ (Locarno 2001; Großer Diagonale-Preis). Publikationen: “Die österreichische Oberfläche” (2007), “Boboville” (2008), „Channel 8“ (2010), “Ins Hotel konnte ich ihn nicht mitnehmen“ (2012). “So geht Wien!” (2016). Essays, Kolumnen und Zeichnungen v.a. für Falter, Standard, Salzburger Nachrichten.

comandantina.com
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BIO mittel:

Mag. art. Dr. phil. Andrea Maria Dusl
Filmemacherin, Autorin, Zeichnerin, Kulturwissenschaftlerin

Andrea Maria Dusl, geboren 1961 in Wien in eine österreichisch-schwedische Architekten- und Industriellenfamilie. Sozialdemokratin, Freimaurerin.

Aufgewachsen in Wien, Bad Aussee und in Schweden. Meisterschülerin bei Lois Egg an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 1985 Diplom, Magistra Artium. Engagements an Theater an der Wien, Theater in der Josefstadt, Volkstheater, Burgtheater. Medizinstudium an der Universität Wien. In den Achtzigerjahren beginnt Dusl Kurzfilme zu drehen, zeichnet und schreibt für österreichische Magazine und Zeitungen. Seit 1985 erscheint im FORVM, später im Falter in bisher 223 Folgen ihr zeichnerisches Opus Magnum, das “Unendliche Panorama”. Seit den Neunzigerjahren schreibt Dusl regelmässig Kolumnen und gesellschaftspolitische Essays u.a. für Falter (”Fragen Sie Frau Andrea”), Standard und die Salzburger Nachrichten (”Die illustrierte Kolumne”).

2001 dreht sie das preisgekrönte Roadmovie „Blue Moon (Locarno-Wettbewerb, 2001, Großer Diagonale-Preis, Festivalkarriere auf 55 internationalen Film-Festivals, Kinoeinsatz in A, D, CH, NL, I). Im Residenzverlag erschienen 2007 der Essayband „Die österreichische Oberfläche“, 2008 und 2010 die Romane „Boboville“ und „Channel 8“. 2012 erscheint im Metroverlag der Kurzgeschichtenband “Ins Hotel konnte ich ihn nicht mitnehmen“, im Frühjahr 2016 der Essayband “So geht Wien!”. 2016 realisiert sie den Essayfilm “Zeitreisen”, mit und über Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrum Wien.

2009-2014 absolviert Dusl am Institut für Kulturwissenschaften der Universität für angewandte Kunst ein Dissertationsstudium – 2014 Promotion summa cum laude zur Doktorin der Philosophie mit der Arbeit “Aufnahme und Auswahl – Strategien fotografischer Praxis“. Andrea Maria Dusl ist Lehrende an der Universität für angewandte Kunst in Wien, lebt und arbeitet in Wien, Triest und San Francisco und bereitet ihren nächsten Spielfilm vor: „Reise ans Ende der Zeit“.

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©Andrea Maria Dusl - Wien - Café Sperl comandantina.com
©Andrea Maria Dusl – Wien – Café Sperl comandantina.com