Leise, schreiend, vertrottelt und genial

An einer Akademie muss nichts vermittelt, sondern der Austausch von Ideen in jede Richtung ermöglicht werden, erklärt Andrea Maria Dusl, Filmregisseurin, Cartoonistin und Kolumnistin für die Stadtzeitung „Falter“, im Gespräch mit Anne Katrin Feßler.

Originalfassung des Emailinterviews über mein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, das am 22.6.2006 im Standard erschien. Das Bild von mir war mal Falter-Cover und ist von Heribert Corn vor der Gartenfassade des Café Rüdigerhof geknipst worden

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Anne Katrin Feßler: Rückblickend auf ihre Ausbildungszeit an der Akademie: Worin bestand die Ausbildung?

AMD: Vier Jahre Bühnenbildstudium. Das waren eine Menge Vorlesungen. Bühnentechnik und Lichtmachen, technisches Zeichnen, Kostümkunde, was weiss ich, was noch alles, Dramaturgie, Kunstgeschichte, ein dicker Katalog an Lehrfächern.
Aber für mich war die Akademie morgens Frühstücken mit Lois Egg, dem Meisterschulleiter, einem feinen, eleganten und weltoffenem Herrn. Er trug feinste italienische und englische Anzüge und konnte unfassbar gut zeichnen. Wen er mochte, den lehrte er, die Welt zu sehen. Nach einem Jahr war ich seine Assistentin und arbeitete am Theater. Am richtigen Theater! Ich baute Modelle, leitete Bauproben, sass mich müde in Proben. An der Akademie entwickelten wir Ideen für Eigenes. Von meinen Kolleginnen und Kollegen Stefan Riedl, Ulf Stengl und Raja Reichmann habe ich Zeichnen und Malen gelernt, von Josef Mikl in vier Jahren täglichen Aktzeichnens das Schauen, in der Bibliothek die Bewunderung für alte Bücher. Dazwischen sassen wir mit den narrischen Malern beim Smutny, tranken Budweiser und assen Gulasch.

Was ist Ihnen gut in Erinnerung geblieben?

Der Geruch des Leinöls aus den Malerklassen. Das Haus am Schillerplatz und sein stiller Zauber. Die vielen, vielen Feste. Das aussergewöhnliche dieses „Studiums“. Lois Eggs Turm. Das Zimmer, in dem Professor Griepenkerl den jungen Adolf Hitler abgelehnt hat. Dort habe ich mir mit einem Stanleymesser fast die Zeigefingerspitze abgeschnitten. Es hat Hölle geblutet.

Vermisst habe ich Sloterdijk. Für Sloterdijks gesprochene Sprache kann ich mich begeistern. Den hätte ich gerne während des Studiums kennengelernt. Den hätte ich zum Smutny geschleppt.

Was soll Ihrer Meinung nach den StudentInnen an der Akademie vermittelt werden?

Vermittelt soll gar nichts werden, ich halte diesen ganzen neoliberalen Vermittlungsquatsch nicht mehr aus. Die Akademie soll den Austausch von Ideen zwischen Professoren und Studenten, Studenten und Studenten und Professoren untereinander ermöglichen. Das ist das Wesen einer Akademie. Seit den griechischen Akademien ist das so. Kunst kann nicht gelernt werden, sondern nur gesucht und gefunden. Die meisten Künstler kommen schon als Künstler auf die Welt, das kann nicht gelehrt werden. Nur ermöglicht. Oder verunmöglicht, wie unter dem Krixikraxizeichner Wolfgang Schüssel, der den Künstlern aus persönlicher Perfidie das soziale Messer angesetzt hat.

Was hat Ihnen persönlich die Ausbildung gebracht?

Alles. Ich habe gelernt, mich zu entschulen, mich selbst zu entdecken.

In künstlerischer Hinsicht oder hinsichtlich der Positionierung am Kunstmarkt ?

Den „Kunstmarkt“ halte ich für eine Perversion. Der Kunstmarkt hat mit Markt zu tun, nicht mit Kunst. So wie eine Schlafzimmerausstellung nichts mit Liebemachen zu tun hat.

Was fehlt in der Ausbildung? Was sollte anders gemacht werden?

Wie das jetzt ist, weiss ich nicht, 1981 fand ich die Akademie sehr gut. Sie war alles: Verstaubt und modern, leise und schreiend, vertrottelt und genial.

Von wann bis wann haben Sie an der Akademie studiert und in welcher Klasse/Professor?

1981 bis 1985. In der Meisterschule für Bühnenbild bei Lois Egg. Diplomiert habe ich mit zwölf riesigen Illustrationen eines fantastischen Bühnenbilds für Goethes Faust. Das war ein Quantensprung für mich. Der Zwängler Wonder, der in meinem Diplomjahr Lois Egg beerbt hatte, hat meinen Faust nicht begriffen, Arnulf Rainer und Josef Mikl schon. Damals gab es noch Diplombegehungen des Kollegiums. Das Kollegium und nicht der zuständige Professor hat die Diplome und den Magistertitel verliehen. Ich glaube, heute ist das alles wie bei den Juristen. Das läuft heute vielleicht sogar vollautomatisch.

Contact

Andrea Contact Gruenstern.jpgANDREA MARIA DUSL, geboren am 12. August 1961 in Wien als Tochter des Österreichischen Architekten Erwin H. Dusl und Mutter Monica Dusl-Jüllig, die aus einer schwedischen Kapitänsfamilie stammt. Aufgewachsen in Wien, Bad Aussee und Schweden. Nach einer glücklichen Kindheit unter Nonnen und Ausseeern folgte eine rasante, überaus sozialdemokratische Schulzeit im Wiener Wasagymnasium und ein revolutionäres Studium an der Akademie der Bildenden Künste. Während sieben Jahren an den wichtigsten Bühnen Österreichs und eines Medizinstudiums an der Alma Mater Rudolphina beginnt sie Kurzfilme zu drehen, zeichnet und schreibt für Österreichische Magazine und Zeitungen.

Seit 1996 schreibt sie wöchentlich im ‚Falter‘, seit 2013 auch wöchentlich für die ‚Salzburger Nachrichten‘. 2001 dreht sie ihren Debutfilm Blue Moon mit Josef Hader und  Detlev Buck in den Hauptrollen. Der Film wird ein internationaler Erfolg, kommt in halb Europa in die Kinos und reist mit ihrer Regisseurin von Festival zu Festival um die Welt. 2003 wird Blue Moon mit dem Grossen Preis der Diagonale für den Besten Österreichischen Film ausgezeichnet. Andrea Maria Dusl ist promovierte Kulturwissenschaftlerin, lehrt in Wien, lebt und arbeitet in Wien, Paris und San Francisco und bereitet gerade ihren nächsten Film vor.

Filme

Around The World in Eighty Days, 1991
Blue Moon, 2002
Heavy Burschi, 2005
Ritchie, 2013

In Development

Crazy Day
Speisewagen/Dining Car
Channel 8


Bücher

Fragen Sie Frau Andrea, Falter Verlag, 2003
Die österreichische Oberfläche, Residenz Verlag, 2007
Boboville, Residenz Verlag, 2008
Channel 8, Residenz Verlag, 2010
Ins Hotel konnte ich ihn nicht mitnehmen, Metroverlag, 2012
Aufnahme und Auswahl, Diss., Univ. f. angewandte Kunst, 2014
So geht Wien! Metroverlag, 2016


Jury Member

2003 International Filmfestival Zlin
2003 International Filmfestival Innsbruck
2004 Diagonale Graz, Grosser Preis
2004 Academy Awards, Oscar, Category Foreign Film, Austria
2004 Viennale, Wiener Filmpreis
2005 ÖFI, Austrian Film Institute, Auswahlkommission
2015, 2016 Diplomkommission Angewandte

Biografie ::: Andrea Maria Dusl

Crewinformatie – Dusl, Andrea Maria

Andrea Maria Dusl is de dochter van Erwin H. Dusl, een Oostenrijkse architect en van Monica Dusl-Jüllig een geboren Zweedse uit een zeemansfamilie.

Ze volgde de masterclass in decorontwerp aan de Weense Academie voor schone kunsten. In 1985 behaalde ze daarvoor haar diploma. Vervolgens was ze werkzaam als decorontwerpster en produktieassistente voor verschillende Oostenrijkse theaters waaronder het Burgtheater/Akademietheater (alwaar ze met George Tabori and Ignaz Kirchner samenwerkte), het Theater an der Wien, het Theater in der Josefstadt, het Raimundtheater, en de Weense Staats Opera.

Vanaf 1985 schreef en illustreerde ze regelmatig voor de Oostenrijkse geillustreerde pers. In 1996 begon Andrea met het schrijven van een column voor het bekende Oostenrijkse kunsttijdschrift, Falter.
Tussen 1993 en 1997 studeerde ze medicijnen in Wenen.

Na zes korte films, onder de titel Around the World in Eighty Days (Oostenrijk 1989/91) is Blue Moon (2002), haar eerste lange speelfilm.
Deze crew is voor het laatst bijgewerkt op 2003-12-22 door Chris van Rooijen.

35 Partagas Superfinos

ILLUSTRATION · DREI ZEICHNER
Wie eine Zeichnung entsteht
ANDREA DUSL
Falter, 4. Juni 1997, 20-Jahre-Beilage pag. 90. Zum Fest „20 JAHRE FALTER“ am 5. , 6. und 7. Juni in der Tribüne Krieau .

Ein strahlender Montagmorgen: Die Zeiger meiner sowjetischen U-Boot-Kommandantinnen-Uhr stehen auf elf Uhr zwölf und ein gut geübtes Ritual nimmt seinen Anfang. Der würzige Geruch einer vollen Kanne frischgebrühten „Alvorada“-Kaffees und ein bekanntes Rascheln wecken mich aus süssen Träumen: Mein Kammerdiener Jacques öffnet zwei Packungen meiner Lieblingszigaretten „Partagas Superfinos, Serie B, No.2″ und legt die Morgenblätter „Der Standard“, „FAZ“, „profil“, „NZZ“, und „Washington Post“ zur Lektüre bereit. Während ich unter drei vorbereiteten Schneidereien – meist „Armani“, „Lang“ oder „Schneidermeister Dick aus Gföhl“ – wähle, füllt Jacques mein „Zippo“ mit frischem Kerosin. Die Morgenmusik besteht stets aus bekannten Klängen: „Low Down“ von J.J.Cale bei bedecktem Himmel, „Crosstown Traffic“ von Jimi Hendrix bei Schneefall oder Hagel, die „Hymne der Sowjetunion“ bei strahlendem Sonnenschein wie heute.

Zur Einstimmung auf den Arbeitstag rauche ich zwei „Partagas Superfinos“, wobei mich Jacques vergebens auf die Gefahren der Nikotinsucht hinweist. Das erste Häferl Kaffee begleitet mich durch die Lektüre der Montagmorgen-Publikationen, das zweite nehme ich während des Studiums einer von Falter-Schlußredakteurin Michaela „Babsi“ Streimelweger verfassten Depesche zu mir. In knappen Worten informiert sie mich darin über Titel und Autor des zu illustrierenden Textes. Jacques stellt eine telephonische Verbindung in die Falter-Redaktion her, weil aus den vorliegenden Millimetervorgaben nicht eindeutig hervorgeht, ob ich zum Anfertigen einer hoch- oder querformatigen Zeichnung eingeladen werde.

Die dritte Tasse Kaffee und mittlerweile fünfte „Partaga Superfino“ widme ich dem Lesen des beigelegten Textes. Einige stilistische und mehrere inhaltliche Inkongruenzen ignoriere ich aus Mangel an Zeit. Jacques hat inzwischen die Formatfrage geklärt und legt den Transparentblock „Diamant Extra Spezial, Nr. 105 glatt, 90/95 Gramm pro Quadratmeter, DIN A3″, den Minenblei „Faber Castell TK-Fine 9717, Stärke 0,7″ zwei Tuschestifte „Staedtler marsmagno 2° in den Stärken 0,35 und 0,18 sowie eine, auf Atomdicke zugeschärfte Rasierklinge bereit. Die Arbeit kann beginnen.

Jede von uns kann zeichnen, das meine ich ganz ernst und ohne polemischen Unterton. Wie nervenzerüttend und von Termindruck, aufgepeitscht das Zeichnen einer Falter-Zeichnung sein kann, weiß außer Rudi [Klein] und Tex [Rubinowitz] allerdings niemand. Sie selbst würden es nie zugeben. Das Zeichnen einer Falter-Zeichnung ist tausendmal anstrengender als das Verfassen eines Falter-Artikels. Ich weiß das, weil ich beides ausprobiert habe. Nichts ist so furchtbar Herz-Kreislauf-belastend, wie das Zeichnen einer Falter-Zeichnung. Einer Falter-Zeichnung sieht man nämlich sofort an, ob sie genial ist oder ein Superschas, einen Falter-Artikel muß man zumindest vorher durchlesen.

Aus einem einzigen Grund konsumiere ich die gefährlich vielen Zigaretten und die enormen Mengen an Kaffee: Jacques, der einzige mögliche Zeuge meiner Qualen soll im Glauben bleiben, meine Aufgerührtheit käme von den aufgenommenen Stimulantia. Jacques, ein Vorbild an Verschwiegenheit zieht sich daher aus Contenance in den Südtrakt meines weitläufigen Appartements zurück, um mir ja nicht das Gefühl zu geben, Mitwisser der zeichnerischen Unruhe zu werden. Der schwierigste Part im Zeichnen einer Falter-Zeichnung ist das Ausdenken der Falter-Zeichnung: Eine gedankliche Leistung, ähnlich der von Gari Kasparov im Kampf gegen Deep Blue. Aus zweieinhalb Milliarden Illustrations-Möglichkeiten muß ich die Beste auswählen. Meine Großhirnrinde leistet jetzt Schwerarbeit. Im Aschenbecher „Eins“, einem blauen Produkt, das ich einst im Stadionbad mitgehen habe lassen, liegen jetzt schon 17 Kippen, im Aschenbecher „Zwei“, einem schwedischen Designerstück, fünf ausgedämpfte und zwei brennende „Partagas Superfinos“.

Ich läute nach Jacques, es ist unser vereinbartes Zeichen, daß die Kaffeekanne Ieergetrunken ist. Mein treuer Diener bringt mir flugs frisches Coffeein und der fade Teil des Morgens kann beginnen. So anstrengend nämlich das Ausdenken einer Falter-Zeichnung ist, so einfach und bizarr unkompliziert, ja geradezu watscheneinfach ist das Zeichnen einer Falter-Zeichnung. Ich muß das ausgedachte Bild nur vom Kopf aufs Blatt projizieren und nachzeichnen. Ich male also ein Kastl in der Größe des gewünschten Formats in die Mitte vom Transparentblock und beginne links unten mit dem Anbringen von Strichlein um Strichlein, Linie um Linie, Zacke um Zacke, Kringel um Kringel. In affenartigem Tempo wandert meine „Zeichenhand“ nach rechts oben, während die „Blockhaltehand“ eigenartige Bewegung durchführt, über die ich keine willentliche Kontrolle habe, weil sie aus einem mir unbekannten Teil des Stammhirns kommt, im Einklang mit der „Zeichenhand“ jedoch fantastisch gerade, höchst leinwand verbogene oder was sonst noch an notwendigen Linien aufs Papier zaubert.

Nach zehn bis elf Minuten ist der ganze Spuk vorbei. Jacques bringt mir ein Frottee-Handtuch und eine neue Packung „Partagas Superfinos“. Die fertige Falter-Zeichnung muß jetzt nur mehr mit grauen Filzstiftpinseln der Marke „Соріс sketch, Cool Gray No. 3 bis No. 7″ getönt werden. Das geschieht auf der Rückseite der halb-transparenten Seite, erstens verwischen sich dabei nicht die komplizierten Tuschestrukturen und zweitens erzeugt es jenes einzigartig seidige Chiaroscuro, für das ich nicht umsonst wahnsinnig viel Kohle aufs Konto gebunkert bekomme. Das graue Gepinsel ist nach vier Minuten beendet. Mit einem Paar Scissoren schnipple ich noch verräterische Nebenzeichnungen, meist Buchstabenkombinationen, die im Wort AUTO gerne vorkommen, weg und klebe das fertige Werk auf ein billiges, aber strahlend weißes Tuschblatt.

Jacques bringt mir meine auf Hochglanz polierten Schuhe, steckt die Falter-Zeichnung in eine schwarze Mappe mit rotem Gummizug, diese in meinen Rucksack, hilft mir beim Schultern desselben und begleitet mich in den Hof. Dort wartet mein Mountain-Bike mit, von Jacques frisch aufgepumpten Reifen, kontrollierten Bremszügen und vorgewärmtem „Rennsattel schmal“. Weder einem Boten noch der Post, und auch Jacques nicht, würde ich die wertvolle Fracht anvertrauen. Ich bringe meine Falter-Zeichnung selbst im stärksten Regen persönlich vorbei. Außerdem würde ich es mir nie nehmen lassen, im Falter jenen Eindruck von Lonely-rider-is-bringing-the-hottest-news zu erzeugen, für den auch mein Freund und Nudlaug Heribert Corn – der mit der knatternden BSA – zu Recht berühmt ist. Im Falter erwartet mich Empfangs-Chef Josef Egger mit einem freundlichen „El Hamdullilah, Königin Dusula!“ und Michaela „Babsi“ Streimelweger mit einem, nur uns beiden vertrauten „Seawas, Triksi“.