Alte und neue Monster

Eine wenig bekannte aber erfolgreiche Therapie zur Bewältigung von Alpträumen ist das luzide Träumen. Anders als beim normalen Träumen ist dabei den Träumenden bewusst, dass sie träumen. Die Technik kann erlernt werden und erlaubt es, die Regie im eigenen Traumerleben zu übernehmen. Allerlei Wundersames und geradezu Traumhaftes kann dabei gestalterisch erlebt werden. Im Therapiefalle nützen die Träumenden das luzide Träumen dazu, in einen Dialog mit dem Monster, dem häufigsten Protagonisten alptraumhafter und nächtlich wiederkehrender Situationen zu treten. Eine Frage muss dabei gestellt werden, um das furchtbare Traumgeschehen anzuhalten und ein Gespräch zu beginnen. „Wer bist Du? ist die Zauberfrage. Der Tiger, der Werwolf, das Gespenst hält dann verlässlich inne und lässt die dahinterliegende Figur aus Realität oder Lebensgeschichte frei. „Ich bin dein Vater“ sagt dann der Tiger, „ich bin deine boshafte Nachbarin“ das fürchterliche Gespenst, „ich bin dein schlechtes Gewissen“ der zähnefletschende Werwolf. Sobald geredet wird im luziden Traum, kann der auslösende Konflikt besprochen und im besten Fall gelöst werden. Der Alpdruck bleibt hinkünftig fern.

Österreich befindet sich in luzider Permanenz. Alptraumhaftes geschieht am hellichten Tage, oft ins Groteske verschoben. Die Wer-bist-Du-Frage lautet in Österreich stets „Wer war das?“ Es antworten scheinbar Unbeteiligte: „Das Excel-Programm war es“, „die Outlook-App“, „die depperten Eigenen“, „die hinterhältigen Anderen“ und im Unbeantwortungsfalle wird der gute Herr Silberstein bemüht.

Die Traumata bleiben dabei stets ungelöst.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 21. Oktober 2023.

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