Wir potschochtern zum Potschamber

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 48/2022 zum 30. November 2022

Liebe Frau Andrea,
mit großem Vergnügen stelle ich mich täglich im Falter „morgen“ Newsletter der Frage des Tages. Dieser Tage ging es dabei um den Potschamper, den hab‘ ich gewusst. Aber bei dieser Gelegenheit fiel mit der phonetisch nahe liegende Potschachter für einen ungeschickten Menschen ein. Wo kommt denn der daher?
Herzlichen Dank und mit freundlichen Grüßen
Manfred Winter, Pfaffstätten, per Email

Lieber Manfred,

die beiden von Ihnen mitgebrachten Wörter sind ein schönes Beispiel für die Herkunftsferne ähnlich lautender Begriffe. Fangen wir mit dem Potschamber ein, etwas weniger elegant Nochdscheam (Nachtscherben) genannt, diente er vergangenen Generationen dazu, den nächtlichen Gang auf die Toilette, vulgo das Häusl zu verkürzen. Der Potschamber (wienerisch Bodschámpa, Botschámpa) stand unter jedem Bett, er erfuhr seine Wörtlichkeit vom französischen „pot de chambre“, soviel wie Kammerpott. Das zugrunde liegende Wort, mit dem nicht nur Töpfe, sondern auch größere Gefäße, ja Schiffe bezeichnet wurden, kommt nach Expertise der Sprachforscher über das Fränkische aus dem Germanischen, schon protogermanisch *puttaz bezeichnete den Topf, egal, was er enthielt.

Ganz anders der Potschochter, wienerisch Bodschóchda ausgesprochen. Damit bezeichnet das alte Wien den unbeholfenen, schwerfälligen, tollpatschigen (meist männlichen) Mensch. Das Wort ist eine Zusammensetzung aus dem Zeitwort bodschn (patschen), schwerfällig gehen, sehr nahe verwandt ist das podschad (patschert) sein. Der zweite Teil des Wortes, ochda (achter), das sich noch in der Seemanssprache als achtern, also hinten erhalten hat, ist eine Nebenform zu norddeutsch und englisch after, „nach“. Der Bodschóchda, Potschachter ist also einer, der nach hinten patscht, nachhinkt.

Der patschende Gang des Bodschóchdas kann in Wien mit einer Reihe schönlautender Synonyme beschrieben werden, so bamladschad (baumlatschend), doipodschad (tollpatschig), doikad (talkig), dodschlachdi (totschlächtig) und hoppadadschi (hoppertatschig).

[Bonustrack: Das ähnlich gebrauchte undamd (ungedaumd, also daumenlos) verweist auf größere Defizite.]


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