Herbstpalette

Der Herbst ist ein großer Maler. Das lernen wir schon in der Schule. Seit erdenklichen Zeiten sind die zwei Termine daher gemeinsam unterwegs: Schulanfang und Herbstbeginn. In Konsequenz dieser Konstellation rechnen wir noch vor aller Zahlenhexerei mit buntem Obst und farbfrohen Früchten, und schon früh werden wir gewarnt, Äpfel nicht mit Birnen zu vergleichen. „Herbst und Schule sind Geschwister“, heißt denn auch ein altes Gedicht, „erst wirds kälter, dann wirds trister.

Die Schule zu Jahresbeginn zu starten, wenn die Tage länger werden, oder im Frühjahr, wenn die Natur erwacht, wäre unausdenkbar. Es gäbe keine Sommerferien mehr. Das wäre fatal für Staatsdiener und anderes sommerfrischendes Personal.

Der Herbst gilt schon deswegen als der Maler unter den Jahrerszeiten, weil er mit den meisten Farben aufwarten kann. Des Sommers grüne Blätter färben sich gelb, orange, rot. Nicht ohne innere Logik wurde daher die Einführung der Corona-Ampel auf den Schulbeginn gelegt. Dass wir weitgehend ahnungslos sind, wie wir das Farbspiel der Bezirkseinfärbungen lesen sollen, wirft uns auf unsere Kindheitserinnerungen zurück. Hand aufs Herz, nur die wenigsten von uns konnten als Erstklassler schon Buchstaben zu Wörtern arrangieren, geschweige denn komplizierte Texte lesen. Regeln und Verbote gab es dennoch zuhauf. Und den Merksatz: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Dass Gesundheitsminister Rudi Anschober seine Karriere als Volkschullehrer begann, hat also jede Richtigkeit. Der Mann kann malen, rechnen und vorschreiben.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19. September 2020.

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