Wieso wir wo aufschlagen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 25/2020 am 17. Juni 2020.

Sehr geehrte Comandantina, liebe Frau Andrea,
da bekomme ich neuerdings E-mails und andere Mitteilungen: Obacht! Vorsicht! Dies oder Jenes wird vielleicht bei Dir aufschlagen. Woher kommt denn das? Ein Buch wird aufgeschlagen, ein Ei wird aufgeschlagen, beim Tennis gibt es einen Aufschlag oder wir schlagen in der Früh die Augen auf. Aber etwas wird aufschlagen?
Ersuche höflichst um Aufkärung, Danke!
Eva Blimlinger, Alsergrund, per Email

Liebe Eva,

Sprache ist ein Spiegel gesellschaftlicher Realität. Mit der galoppierenden Verbreitung von Smartphones ging das Aufschlagen von Büchern markant zurück. Kommt der Begriff doch aus dem Mittelalter, als die Buchdeckel wertvoller Codices und Inkunabeln noch mit Metallschließen versehen waren, die man mit einem Schlag auf den Buchblock öffnen konnte. Mit der Rezession der Frühstückskultur ist auch das Aufschlagen eines weichen Eis seltener geworden. Ähnliches gilt für das Öffnen der Augen und das Hochkrempeln der Ärmel. Kurzum: Nur mehr im Tennis wird aufgeschlagen. Aber erklärt der Schlag, mit dem dort ein Ballwechsel eröffnet wird, unseren Begriff? Schlägt der Ball beim Service auf, oder wird er nicht vielmehr „platziert“?

Auf unserer Suche nach dem intransitiven Aufschlagen werden wir im Militärischen fündig. Zwar schlagen Granaten, Bomben und andere Ballistika „ein“, sobald es sich aber um Menschen handelt, schlagen diese „auf“. Im Fall des hart Auftreffens, des Aufprallens etwa, nach Sturz aus großer Höhe, wegen des unglücklichen Nichtaufgehens eines Fallschirms. In präaviatischer Zeit schlug man beim Sturz vom Pferd nicht selten mit dem Kopf am Pflaster auf.

Eine ganz anderes Aufschlagen im militärischen Zusammenhang ist das Aufschlagen eines Lagers. Davon kommt wohl unser Neologismus. Zirkuliert doch in der Soldatensprache das Ankommen am Zielort schnoddrig als „aufschlagen“. Der Begriff scheint in der Bundeswehr Momentum erfahren zu haben. Von dort führte sein Weg ins heimische Bundesheer und schließlich in die Alltagssprache unbedarfter Zivilisten. Die Semantik des harten Aufprallens von Menschen und Informationen bewahren nun friedliche Büropersonen.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

2 Gedanken zu „Wieso wir wo aufschlagen“

  1. Hochgeschätzte Frau Comandantina !
    Bitte helfen Sie mir, einem Provinzgewächs, bei einem linquistischen Problem. Zu längst vergangenen Gymnasial-Internats-Zeiten lernte ich von meinen wienerischen Kameraden den Warnruf „Chief !“ , der vor lästigerweise nahendem Erziehungspersonal warnen sollte. Und nun: nach mehr als 60 Jahren lese ich heute einen Beitrag im Standard des an sich ebenfalls geschätzten Herrn Florian Scheuba, in dem er besagten Ausruf mit „Tschüf !“ verschriftlicht.

    Dadurch in einer länger als 60 Jahre währenden Wort-Denkfigur irritiert ersuche ich Sie, liebe Frau Comandantina, um ethymologische Erhellung und dadurch Abklärung, wie mann sich die wienerische Variante von „Obacht“, „Vorsicht“ etc. im Gehirn korrekt vorzustellen hat.

    Dankbare Grüße Augustin Höfinger,
    ein treuer Leser Ihrer luziden Auf- und Erklärungskolumne.

  2. Liebe Andrea Maria Dusl,

    großartig dieses Wochenende Ihre Salzburger Weltsicht. Bitte machen Sie eine Serie daraus. Danke. Ihr Oberösterreicher Peter Resch.

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