Wien und die Verschwörung

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 23/2020 zum 3. Juni 2020.

Liebe Frau Andrea,
die Verschwörungstheorien, besonders jene zu Corona haben Hochkonjunktur. Die Zahl der Maskenverweigerer und Verharmloser steigt. Ich bin zwar nicht überängstlich, aber alert und vorsichtig in Bezug auf das Virus. Wie sagt denn der Wiener zur Verschwörungstheorie? Gibts da einen Begriff?
Danke für die Aufklärung! Liebe Grüße von
Caspar Krafft, Ottakring

Lieber Caspar,

das Wienerische hat noch keinen spezifischen Ausdruck für die Verschwörungstheorie geprägt, wenn es allerdings darum geht, eine zirkulierende Falschmeldung zu benennen, sprechen Wienerinnen und Wiener vom Gschichtl (der kleinen Geschichte). Der Verbreiter falscher Wahrheiten heißt traditionell Gschichtldrucka (Geschichten-Drucker), Schmähbruada (Schmäh-Bruder) oder Bflantssreissa (der Pflanz ist die Lügengeschichte, Reissa ist der Reisser). Einem Unbedarften eine Schwindelei aufzutischen, firmiert unter dem schönen Ausdruck „wem a Wams einedruckn“ (jemandem einen Wams hineinzudrücken, von jiddisch mamsen, lügen).

Wie aber würde man all jene benennen, die schon auf die pathologische Seite des Genres gerutscht sind, all die Hochgrad-Esoteriker und Flüsterstimmenhörer, Wissenschaftsgegner und Reptiloiden-Paranoiker? Ganz allgemein spricht der kundige Wiener hier von Gschupften (vom Schupfen, der mittelalterlichen Körperstrafe des Waterboardings in der Donau). Wer nicht der psychischen Norm entspricht, ist „augstraad“ (angestreut) hat „an Glescha“ (einen Klescher, vom jiddischen chaleschen, schwach werden, ohnmächtig werden), hat „an Hib“ (Hieb) oder  „an Huscha“ (Huscher). Gschupfte sind auch ohne belastbare Diagnosen „aubridschd“ (angepritscht), „augschdrad“ (angestreut) und „augschit“ (angeschüttet).

Als exzellenten Insult für Verschwörungstheoretiker empfehle ich: „Hau di in die Gummihittn, wurlata Voipfostn“ (Begieb dich in die psychatrische Abteilung, verwirrter Vollpfosten) oder: „Red dein hianwaachn Bledsinn in a Sackal, haus in Kaloniaküwe und moch an Schuach“ (Sprich deinen hirnweichen Blödsinn in eine Papiertüte, wirf sie in den Colonia-Kübel (den Abfall-Eimer) und mach einen Schuh (Abgang)!

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert