Österreichs Künstler

Ein verlässlicher Maßstab für heimischen Prioritäten ist Paula von Preradovićs Text für die österreichische Bundeshymne. Der vielgeprüfte National-Song, von Lukas Resetarits‘ Bühnenfigur Branko Simic „Lanterlied“ genannt (nach der lautmalerischen Wahrnehmung der Textbestandteile „Lanterberge, Lanterstrome, Lanterecka, Lanterdohume“) ist das zentrale Register sämtlicher Verhältnisse.

Die Entstehung des Hymnentextes war weniger künstlerischer Freiheit geschuldet, als politischem Nachdruck. Ein Preisauschreiben zur Ermittlung der Staatslyrik hatte eine Shortlist ergeben. Deren prominenteste Kräfte: Die religiöse Folkloristin Paula Grogger und der polemische Zeitkritiker Alexander Lernet-Holenia. Auf Betreiben von ÖVP-Urgestein und Unterrichtsminister Felix Hurdes (der spätere Papa wird’s scho richten) musste sich die favorisierte Paula von Preradović nochmals in die Dichterklause begeben, um ihren ursprünglich eingereichten Text zu finalisieren. Die Politik schaffte der Kunst an, was die Kunst zu schaffen habe.

Die aktuelle Corona-Krisenpolitik folgt der Reihung des Hymnen-Duos Hurdes-Preradović. Jeglichen Vorrang hat das Land der Berge (Ischlg, Kitzloch, Fremdenverkehr), gefolgt vom Land am (Luft-)Strome (Austrian Airlines). Dem Land der Äcker (Fußball, Golf und Landwirtschaft) folgen das Land der Dome (Gottesdienste), und das Land der Hämmer (Baumärkte). Zukunftsreich ist das Kleinwalsertal und seine Besucher, als große Töchter und Söhne verstehen sich die Mitglieder der Bundesregierung. Das Volk, begnadet für das Schöne, kommt zuletzt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 30. Mai 2020.

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