Baren Fußes oder bloßen Hauptes

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 48/2018 zum 28.11.2018.

P.t. Comandantina,
die Gymnopedien von Erik Satie sind (für?) die Bloßfüßigen. Woher aber der altwiener Ausdruck dafür: bloßhapert?
AK
Alfredo Kampolo, Floridsdorf, per Email

Lieber Alfredo,

als der französische Tondichter Erik Satie 1888 drei Klavierstücke mit dem Titel Gymnopédies komponierte, war in bürgerlichen Kreisen noch weitgehend bekannt, welches Bild sich damit verbinden sollte. Unter Gymnopaedie verstand man das Ende Juli zu Ehren Apollons stattfindende Fest der antiken Spartaner, bei dem sich nackte Jünglinge in Tänzen und Wettbewerben produzierten. Der Begriff leitet sich von den altgriechischen Wörtern gymnos (nackt) und pais (Junge) ab. Ob die Nacktheit auch die Bloßfüßigkeit mit einschloß, blieb in der Forschung Randthema, auf Friesen und Vasenbildern sind die springenden Jungkrieger jedenfalls schuhlos dargestellt.

Im Wienerischen würden die Protagonisten als „nockate Buam“ bezeichnet werden, jedenfalls nicht vorrangig als „Bloßhaperte“. Damit verstehen die Wiener heute fälschlicherweise die Unbeschuhten, Bloßfüßigen. Warum Fälschlichweise? Korrekterweise wäre die angesprochene Fußmode als „bloßfuassat“ anzusprechen. Wegen der lautlichen Ähnlichkeit mit blass (bloss) kam es schon im alten Wien zur Ansicht, damit wären eventuelle Blassfüßige gemeint, also Leute akuter Unbeschuhtheit. Bloßhapert wiederum bezeichnete ursprünglich das unbedeckte Haupt, hochdeutsch etwas holprig mit „bloßhäuptig“ wiedergegeben. Wir kennen den Bezug zum Kopf aus dem wienerischen dramhapert (traumhäuptig, schlaftrunken).

Möglicherweise ist an der Begriffsverwirrung das Verb hapern (stocken, nicht vom Fleck kommen) beteiligt, das auf das tastende Gehen der Bloßfüssigen übertragen wurde. Die Sprachpolizisten plädieren für Milde. Ist doch „bloßhapert“ aus der Wiener Alltagssprache schon wegen seiner Wirkmächtigkeit als Beleidigungsvokabel nicht wegzudenken. Favoritenweit war das N-Wort mit dem B-Wort ident. Nicht besser geht es am Fußballplatz zu, wo unwürdige oder als schwach erachtete Gegner als Bloßhaperte bezeichnet werden. Bis diese die Frucht gymnopädisch im Schuhträgertor versenken.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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