Die Franzosen, traditionell unser Geheim-Vorbild in Sachen Nation und Verwaltung kennen den Schreibtisch als Bureau. Im Laufe der Zeit ist daraus unser Büro geworden, die private wie die amtliche Schreibstube. In den Begriff wurden bald auch die Mitarbeiter einbezogen. In gegenläufiger Weise wurde aus dem Kabinett, dem kleinen Zimmer, der kleinen Kabine die Ministerrunde des absoluten Monarchen (das Geheim-Vorbild aller Regierenden), und aus dieser das Büro des demokratisch legitimierten Premiers, bei uns Kanzler genannt (vom lateinischen „cancellarius“, dem Kanzleileiter der Urkundenbehörde).
Der Kanzleileiter von heute amtiert nicht mehr am Bureau im Büro, sondern am Sozius der Dienst-Limousine, in der Polstermöbelecke der VIP-Lounge und am Fenstersitz im Flieger nach Brüssel. Seine Arbeit besteht nicht mehr aus Schreiben und Diktieren, sondern aus der Lektüre von Briefings und aus Telefonaten mit anderen Diensthandyhaltern.
Die Kabinette von einst sind heute reisende Bureaus, die Limousine eine geheime Kanzlei auf Reifen, der Flieger eine ungeheime auf Flügeln. Der Schreibtisch, das Bureau, ist auf den Klapptisch im Flugzeug geschrumpft und so es Empfang gibt, auf das Handyarsenal des persönlichen Assistenten. Die Büroteams moderner Kanzleichefs halten sich nicht mehr in Büros auf. Und noch seltener an Bureaus, an den ursprünglich so genannten Möbeln. Das sieht man den Räumen auch an, die für Repäsentationszwecke und Interview-Großereignisse als „Büros“ fungieren. Sie sind überaufgeräumt und steril. Fake Rooms.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 24.11.2018.