Es ist kalt

Die Sibirische Kälte sei da, schlagzeilen die Boulevardblätter, sie holen Luft zwischen Landtagswahl-Akrobatik, Burschenschafter-Domptur und Zigarettenrauch-Clownerie. Dabei verkennen sie, dass die Kälte im Land eine österreichische ist. Kalt ist es hier seit Jahrtausenden. Immer wieder. Auch im Winter. Die Zapfen an den Dachrändern sind keine Immigranten, das Eis auf Seen und Lacken ist nicht auf geschlossener Route hereingeschlichen, der Schnee auf Feldern und Fluren ist aus hiesigem Himmel gerieselt. Und dann doch nicht. Hängt doch alles mit allem zusammen. Das Wetter weiß das. Und es hält sich nicht an Einwanderungsbestimmungen. Also doch transuralischer Frost im heimatlichen Forst?

Das Weltenwetter ist ein System fragiler Zusammenhänge. Wenn in der Südsee ein Schmetterling hustet, fällt bei uns ein Schneebrett aus den Wolken. Was die umfallenden Räder und Reissäcke in China hierorts anrichten, ist Legion. Und zu jeder Legion gibt es ein Lied. Kurzum, an einer Welt der Wechselwirkungen ist auch das Wetter beteiligt. Wind wird nicht von Naturgöttern herumgeblasen, sondern manifestiert sich in Luftverschiebungen, deren spukhafte Fernwirkung in den Rechenzentren der Meteorologen vorausberechnet wird. Das auch noch. Wir wissen, was kommt. Früher nahte das Unvermeidliche im Kleide der Überraschung.

Es ist also kalt, und die Landeier gefallen sich darin, den Stadtdeppen auszurichten, sie seinen ein verweichlichtes Gesocks, weil sie bei Temperaturen den Notstand ausriefen, zu denen sie draußen im Gai gerade mal mit dem Haubenstricken anfängen. Die frierenden Städter, so der Bergler Hohn, ängstigen sich vor Eisblumen an den Fenstern. Das sind nur unsere kleinen Probleme, sagen die Städter. Den Tomatentöpfen auf unseren Terassen ist kalt! Das Salz auf den Gehsteigen frisst uns die Sohlen von den Designerstiefletten!

Ein Gutes hat der Kälteschock. Er liefert uns wertvolle Erinnerungen. Von ihnen werden wir einst zehren. In der nächsten Hitzewelle. Sie kommt ganz sicher.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 3.3.2018.

Ein Gedanke zu „Es ist kalt“

  1. In seiner Freizeit treibt er gern Sport und verbringt viel Zeit in der Natur, sofern er das als Städter einrichten kann und das Studium es erlaubt.

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