Alles über den Aufdrahdn

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 08/2018 zum 21.2.2018.

Liebe Frau Andrea,
wir waren soeben bei unserem Mittagsstammtisch, als wir unsere Kellnerin ein drohendes Ungemach mit den Worten „Wenn das passiert, dann hast den Aufrahd’n“ kommentieren hörten. Zwar sind wir uns der Existenz (und mutmaßlich auch der Anwendung) dieser Redewendung bewusst, allerdings fragen wir uns, was es damit genau auf sich hat – wer oder was ist aufgedreht und warum ist das schlecht? In Erwartung Ihrer geschätzten Aufklärung drehen wir einstweilen ahnungslos am Rad.
Mit herzlichen Grüßen,
Lukas Nohynek, per Email

Lieber Lukas,

zur Erschließung der warnenden Redewendung vom „Aufdrahdn“, wörtlich: dem „Aufgedrehten“ zirkulieren verschiedene Erklärmodelle. Mit geringer Wahrscheinlichkeit hat der Aufdrahde mit Kalamitäten durch Mitglieder der Installateurbranche zu tun. Das Ungemach des (unkontolliert) aufgedrehten Wasser- oder Gashahnes und seiner Konsequenzen wird gerne einer ähnlichen Begrifflichkeit zugesellt, nämlich „in Schlauch z’hom“, also „den Schlauch zu haben“. Obschon wir den ärgerlichen, wutentbrannten Wiener kennen, den, der „aufdraht“, sich echauffiert, kommt der „Aufdrahde“ nicht vom Aufdrehenden. Auch der Hut, dessen Krempe (Ranfd, Rand) sich bei Gegenwind aufstellt, sich wienerisch „aufdrahd“, also aufdreht, verspricht keine brauchbare Enträtselung. Wechseln wir das sprachliche Milieu und begeben wir uns in den Dschumpas, in den Häfen (ins Gefängnis) und drehen wir das Rad der Zeit zurück. In die Epochen vor der Motorisierung. Hier begegnen wir einem weitverbreiteten Züchtigunsmittel, dem Ochsenziemer, wienerisch dem „Oksndseam“, eine Schlagwaffe, die aus dem gedörrten Ochsenpenis hergestellt wurde. Der „Dseam“ war etwa einen halben Meter lang, sehr elastisch und schwer, und auf der ganzen Länge verdreht wie ein Seil, „aufrahd“ eben. Der „Aufdrahde“ ist damit Synonym für das Geschlagenwerden mit der Rinderrute. Aus der genitalen Herkunft des Ochsenziemers erklärt sich auch der andere schon erwähnte Begriff: „Den Schlauch zu haben“. Den Aufdrahdn haben in einem ganz anderen Sinn unsere caninen Freunde. Aus Rinderpenissen werden heute vorrangig Kauspielzeuge für Hunde hergestellt.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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