Österreichische Verhältnisse

Es ist ein zerrissenes Land. Unversöhnlich vertöchtert sind Stadt und Land, Berg und Tal, Linke und Rechte, Mitte und Rand, Frau und Mann, Me und Too, Tee oder Kaffee. In der Ambivalenz zwischen Ja und Nein hat sich’s der Kompromiss häuslich eingerichtet, unterkellert von der Ideolgie des Sowohl-als-auch, überdacht im Diktum „Sitzt, passt und hat Luft“.

Fuzzy Logic, verschwommene Logik, nannte man das in den postmodernen Zeiten. Deren große Wirkung entfaltete sich bekanntlicherweise darin, dass Sachen gleichzeitig schön und hässlich sein konnten, gut und böse, alt und neu. Eine Verfasstheit, in der sich Österreich stets als Großmacht empfinden durfte. Wie so oft hat auch der Zuendedenker Hegel Philosophisches zum Thema entwickelt und mit dem Begriff der Gedoppelte Mitte die Einheit zweier Extreme zu fassen versucht, den dialektischen Gegensatz von Sprache und Gedächtnis, Arbeit und Werkzeug, Theorie und Option.

Vereinfacht gesagt geht es um den Zauber des Unverbindbaren. Das eine zu sagen und das andere zu meinen, alles zu tun, um nichts zu bewirken. Damit werden Schlagzeilen gefüllt, Parteiprogramme, Regierungsabkommen. Dabei werden zwei Österreichkonstituenten gleichzeitig wirksam, das Paradigmenpaar des „Das haben wir schon immer so gemacht“ und „Es muss sich was ändern“. Egal, welcher Satz als erster in Stellung gebracht wird, der zweite folgt sogleich.

Beobachter der hiesigen Verhältnisse sind sich nicht klar, ob sie das Modell der unvereinbaren Gegensätze mit kritischer Euphorie oder gelassener Skepsis betrachten sollen. Der gelernte Österreicher wüsste eine Antwort: Mit beiden.

Wie verhält es sich mit der „Gedoppelten Mitte“? Wächst hier zusammen, was nicht zusammengehört? Oder fällt hier auseinander, was sich als Einheit begreift? Der österreichische Gelehrte Karl Farkas hat zum Tema geforscht und eine Zusammnfassung angeboten: “Optimisten leiden, ohne zu klagen, Pessimisten klagen, ohne zu leiden.“

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 24.2.2018.

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