Wahlkampf – Ein Buch mit 7 Siegeln

Die kommende Auseinandersetzung wird als Mutter aller Wahlkämpfe in die Geschichte eingehen. Das wünschen sich jedenfalls Boulevardmedien, Umfrageinstitute und das wachsende Heer der Politastrologen. Sie leben von Abstimmungen. Das Volk selbst darf nach einem ganzen Jahr anstrengenden Wahlkampfs um das Amt des Bundespräsidenten als stimmmüde angesehen werden und wird sich nur mit einiger Mühe in die Wahllokale schleppen. Die Kassen der wahlkämpfenden Listen (Partei sagt man nicht mehr) sind leer, und sollten sie nicht leer sein, gäbe es Grund zur Beunruhigung. Die Lust am Urnengang entspringt der Lust an der List. Und wo die List ihren Zauber entfaltet, kann wer wenn nicht Er nicht weit sein: Wolfgang Schüssel. Der große Unsichtbare. Der Stratege hinter so vielen vorgezogenen Nationalratswahlen.

Der Infant hat die Rolle des Parzivals gewählt, er soll für seine Ritterrunde den heiligen Gral Bundeskanzleramt heimholen. Dem amtierenden Kanzler kommt das nicht zupaß, im Plan K setzt er auf das freie Spiel der Kräfte im Nationalrat, zwar nicht verkennend, aber verschweigend, dass man mit Feuer nicht spielt, mit Kräften schon garnicht. An Christian Kern imponiert dennoch die Kühle, mit der er sich einer Lose-Lose-Situation stellt. Unter Rotblau zerreißt es seine Partei, unter Schwarzblau das Land. Nur die Anzüge sitzen momentan. Immerhin. Irmgard Griss hadert noch mit ihrer Rolle als Stimmenbringer. Wird sie sich selbst bewegen, dem Generalvollmachtsbesitzer folgen oder den Pinken? Als Richterin ist sie gewohnt, Entscheidungen erst nach Studium aller Akten, der Vernehmung aller Zeugen und der Anhörung aller Schlussworte vorzunehmen. Ex-Umfragekaiser Heinz-Christian Strache hat neuerdings einen Sehbehelf und sieht zum ersten mal klar. Was er sieht, kann ihm nicht gefallen. Seine Felle schwimmen gerade mit Sebastian Kurz davon. Das Bild zu Ende gedacht, werden Felle und neuer Besitzer nicht ewig auf den Wellen tanzen.

Was wurde eigentlich aus den Grünen? Die haben sich gerade verdoppelt! An der Spitze.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27.5.2017.

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