Postfaktische Zeiten

Wir leben momentan weder in guten, noch in schlechten Zeiten. Wir leben in postfaktischen Zeiten. Wahrheit und Lüge verschmelzen zu einem Kontinuum.

Die Bedeutung des Adjektivs “postfaktisch” ist indes nicht allen Protagonisten klar. Das war in der Postmoderne nicht anders. Sichtbare Verstrickung in dieses Dilemma war jene architektonische Attitude, die hierzulande als der “späte Raiffeisen-Stil” in Provinzhotels, Bankfilialen und Gemeindeämtern manifest wurde. Die soziale Komponente postmoderner Kultur durchdrang die Gesellschaft mit Coaches und Beratern, Kursleitern und Trainern, kolumnisierte die Zeitungen und vertalkshowte das Fernsehen. Die Suppe hat uns Margret Thatcher eingebrockt, die der Fraktionierung der Gesellschaft mit dem neoliberalen Credo „There is no such thing as society“ die Sporen gab. Seither galoppieren wir durch Echokammern. Manchen ist das bewusst, manchen nicht, manche ahnen, dass die Zurufe aus dem Publikum nur der trügerische Wiederhall der eigenen Brüllerei ist.

Donald Trump, frischinaugurierter Präsident der Verunreinigten Staaten Amerikas hält sich für den Augustus der Postmoderne, ist aber nur der Nero dieses Stils und wird diesen mit großem Pomp in den Untergang führen. Wie immer, wenn sich Todgeweihtes gegen das Verlöschen wehrt, äussert es sich noch mit testamentarischer Wut und einem letzten, spukhaften Aufflackern von Lebensgeist. Donald Trump trägt mit dem Postfaktischen, dem Glauben an das Meinbare und dem rastlosen Furor wider das Gute das Zeitalter der Messingzierleisten, der Silikonbrüste und der Großbuchstabensucht zu Grabe.

In einer stillen Ahnung, auf letzter Fahrt zu sein, haben Trumps Sprecher die Postfaktenlage um ein neues Institut bereichert, die “alternativen Fakten”. Den Gelegenheits-Clowns, die unbeholfen mit Begriffen würfeln ist nicht klar, dass sie hier den Garten Hegels betreten. Indem sich Trump als Antithese zu seinen Vorgängern begreift, ermöglicht er die Sicht auf Drittes. Das Postamerikanische Zeitalter.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28.1.2017.

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