Freundschaft oder Freundschaft?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 04/2017 zum 25.1.2017.

Liebe Frau Andrea,

gibt es eigentlich Benimmregeln für Facebook-Freundschaften? Darf ich einen Freund aus dem wirklichen Leben entfreunden? Muss ich mit meinen wirklichen Freunden auf Facebook befreundet sein?
Mit freundlichen Grüßen,
Tina Zeitlinger, Brigittenau, per Facebook-Direktnachricht

Liebe Tina,

in seinen Anfängen war Facebook noch kein weltumspannender Milliardenmoloch, sondern ein simpler Studentenjux. Ein Harvard-Bummelstudent hatte eine schnellgeschriebene Seite ins Netz gestellt, auf der man Komilitonen-Portäts bewerten konnte. Es waren jene Fotos, die in den offiziellen Jahresberichten (vulgo Facebooks) der jeweiligen Colleges Verwendung fanden. Der Like-Daumen wurde zu einem Distinktionswerkzeug. Auch in Hinblick auf Mechanismen des Mobbens und Diskriminierens. Facebook trägt Aspekte des Asoziale also in den Genen. Schon die Klientel von Zuckerbergs erster Kommunikationsplattform, facemash.com, gossipsüchtige Jungstudiosi (und das mitlesende akademische Personal) wurden auf der Seite aufgefordert, die Attraktivität von zwei zufällig ausgewählten Personen des Campus anhand von Fotos zu bewerten. Das Institut der “Freundschaft” hat auf Facebook also mehr mit Darstellungskonjunkturen zu tun, als mit der Verinnerlichung realer Beziehungen.

Virtuelle Facebook-Kameradschaften sind auf trügerischem Sand gebaut. Ohne das initiale und konstitutive Element realen Kennenlernens, ohne die viszerale Erfahrung von Sympathie und Körperlichkeit lassen sich echte Freundschaften kaum etablieren. Nicht selten kommt es zwischen Facebook-Freunden zum Bruch, offenbaren sich Differenzen, die im realen Leben durch Höflichkeit, Respekt und zeitliche Absenzen verhandelt und abgebaut werden. Facebookfreundschaften, die keine Entsprechungen im Leben haben, erscheinen oft und bald als Tand. Es ist indes das Medium und nicht seine Benutzer, das solche Wahrnehmungen befördert.

Für die Spiegelung echter Freundschaften in soziale Medien und umgekehrt gibt es noch keine belastbare Etiquette. Echte Freunde werden nicht beleidigt sein, auf Facebook nicht zum Kreis der Erwählten zu gehören. Echte Facebook-Groopies sehen in der Transformation des Virtuellen ins Reale keinen forderbaren Vorteil. Aber was ist schon echt?

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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