Franziskusaudienz im Höllenkrater

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 46/2014
Liebe Frau Andrea,
2013 widmete die Presse dem neu gewählten Papst Franziskus einen Artikel: “Papst ohne Pomp?” Herrlich verstörend war der Text mit einem Bild illustriert, das Franziskus ganz klein vor einer riesigen Skulptur zeigt, er weiß gekleidet, die Skulptur riesig, schwarz und – ja, was eigentlich darstellend? Verschlungene Schlangen, die in einem hundsköpfigen Höllenfürsten gipfeln? Das Fegefeuer, die Hölle? Wieso sitzt der neue Papst vor dieser Skulptur? Und wo steht sie (Buenos Aires?) Wer hat sie erbaut? Das Bild hängt immer noch in unserer Küche, Bitte um Aufklärung!
Liebe Grüße, Gregor Birkhan, per Email
Lieber Gregor,
das herrlich verstörende an dieser Kolumne liegt in ihrer Unillustriertheit. Wir können uns hier nur der Sprache bedienen. Das von Ihnen vorgelegte, hochsymmetrische Bild zeigt vor enormer Kulisse neben Sparpapst Franziskus und zwei klerikalen Trabanten auch zwei grellkostümierte Landsknechte. Die Schweizergardisten verweisen auf den Ort, an dem wir uns befinden: Der Vatikan in Rom und ebendort die vatikanische Audienzhalle, nach ihrer Funktion als “Aula delle Udienze Pontificie“ und nach ihrem Bauherrn als “Aula Paolo VI“ bekannt. Die mächtige Einfunktionshalle aus Stahlbeton wurde 1971 vom italienischen Architekten Pier Luigi Nervi errichtet. Das Fassungsvermögen der Halle (sie liegt zum Teil auf extraterritorialem, nämlich italienischem Staatsgebiet) ist enorm. Bei jenen päpstlichen Mittwochmorgen-Generalaudienzen, die nicht am Petersplatz stattfinden, finden unter ihrer sanft geschwungenen, parabolisch gewölbten Decke 6327 Personen einen Sitzplatz. Stehend könnten bis zu 25.000 Besucher an einer Generalaudienz des Nachfolgers Petri teilnehmen. Als Bühnenbild dient der Audienzhalle seit 1975 eine hypertrophe Metallskulptur von enormen Ausmassen und ausgesuchter Hässlichkeit: Aus 40 Tonnen Bronze und Messing schuf der italienischen Bildhauer Pericle Fazzini auf 21 Metern Breite, sieben Meter Höhe und drei Metern Tiefe ein grausames Gußmetallgestrüpp mit dem Titel “La Resurrezione”. Das Kunstwerk stellt die Auferstehung Jesu dar, der sich aus dem Krater einer nuklearen Explosion erhebt. Die Arbeit an der monströsen Visualiserung katholischer Ängste dauerte sieben Jahre.
www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert