Nackte Zahlen zum Eiskübelwahn

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 34/2014
Liebe Frau Andrea,
alles badet in Eiswürfel. Wenn der Erfinder der Ice Bucket Challenge drei Personen nominiert hat, sind das am Tag 3 neun, am 4. Tag 27 und am Tag 10 bereits 19.683. Wenn keiner die Kette unterbricht, wären am Tag 22 bereits 10 Milliarden Personen nominiert, also mehr, als die Erde EinwohnerInnen hat. Wenn nur ein Teil davon auf YouTube geladen wird, wird doch damit das Internet kaputt. Und wieviel Energie benötigt die Produktion von Milliarden Eiswürfel? Was meinen Sie?
Liebe Grüße,
Siegi Lindenmayr, Alsergrund, per Email
Lieber Siegi,
die Kollegen der Los Angeles Times haben als Erfinder der Eiskübelherausforderung den 29jährigen ALS-Patienten Peter Frates ausgemacht. Der frühere Captain des Boston College Baseball Teams nominierte am 15. Juli einige lokale Sportler, sich eiskübeln zu lassen. Dann ging alles recht schnell und überaus öffentlich. Bis dato haben über 740.000 Spender an die 42 Millionen Taler an die Nervenforscher überwiesen – mehr als das Doppelte des üblichen Jahresspendenaufkommens. Soweit die guten Nachrichten. Das exponentielle Anwachsen von Spenden, Küblern und Beweisvideos sollte längst die gesamte Erdbvökerung erfasst haben. Wie jedes Pyramidenspiel knickt auch die Ice Bucket Challenge vor der normativen Kraft des Faktischen ein. Irgendwann laufen sich Schneeballsysteme tot. Die Anzahl der Aufnahmegeräte wäre dabei kein Hindernis. Weltweit gibt es nach Berechnungen der Softwareindustrie inzwischen mehr Mobiltelefone als Zahnbürsten. YouTube würde Eiskübelvideos jedes Erdenbewohners locker wegstecken. Pro Minute werden dort 100 Stunden Videomaterial hochgeladen, in einem Monat sind das 43.829.063.900 Stunden. Die reale Energiebilanz der gutgemeinten Aktion ist jedenfalls erschütternd. Die Produktion eines einzigen Eiskübels verbraucht etwa 1,43 Millionen Joule – eine Energiemenge, mit der gut 1,4 Millionen Tafeln Schokolade um einen Meter angehoben werden könnten. Klimaforscher haben den ökologischen Fußabdruck der „Ice Bucket Challenge“ errechnet, er entspricht mittlerweile dem Energieverbrauch einer Kleinstadt. Tendenz steigend. Wir berichten weiter.
www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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