Österreichs wichtigste Immobilien

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 23.8.2014.

Kurz vor der Jahrtausendwende liess der Wiener Maler Rudi Holdhaus, von Bewunderern in seinem Stammlokal, dem Café Salzgries liebevoll “der Pinselschwinger” genannt, mit einer ebenso wahnsinnigen wie grandiosen Idee aufhorchen. Er wolle, so Holdhaus in einer Pressekonferenz, den höchsten Berg Österreichs, den 3.797 Meter hohen Großglockner vergolden. Großvergolden. Der Plan, anlässlich der 200jährigen Wiederkehr seiner Erstbesteigung gemeinsam mit dem Kärntner Goldschmied Sepp Pulferer ausgeheckt, sah vor, die obersten 30 Meter des schwarzgrünen Urgesteins mit 20 Kilogramm Blattgold zu überziehen. Eine Aurifizierungsarmada aus 150 Bergsteigern hätte, an Seilen hängend, den höchste Ort des Landes erst mit 15o Kilogramm Leinöl befeuchten sollen, um anschliessend das hauchzarte Blattgold aufzutragen. Dieses hätte sich durch Windes Kraft an den leinölklebrigen Berg geschmiegt und wäre mit diesem eine barocke Allianz eingegangen. Nach Schätzung des technischen Leiters der geplanten Aktion hätte die Vergoldung zumindest sieben bis zehn Jahre lang gehalten. Die Verbeugung vor der Natur (so der Slogan der Vergolder) scheiterte an den Verwaltern der Natur. Der Grundeigentümer des Nationalgebirges, der Österreichische Alpenverein, verweigerte seine Zustimmung. Neidvoll muss dem Projekt auch in der Nachschau höchste künstlerische Qualität attestiert werden. Die geplante Vergoldung hätte Österreichs größte und höchste Immobilie mit einem einzigartigen architektonischen Signal ausgestattet. Im Schatten dieses Plans verbirgt sich eine, der Großglockensucht ebenbürtige österreichische Eigenart. Die Verhinderungswut. Die Freude am Grau. Man wäre geneigt, diese im bäuerlichen Stand zu vermuten und des kargen Lebens an Grates Schneide, hängender Wiese und murendem Feld zu zeihen. Indes, das Verbot jeglicher Farbe ist habsburgisch. Joseph der II. war chromophob und liess sämtliche Gebäude des Landes (bis auf die eigenen) grau tünchen. Diese Eleganzvorschrift gilt noch heute. Schade eigentlich.

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