Die weissen Pferde der Nation

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 46/2013
Liebe Frau Andrea,
letztens hatten wir (mein Freund und ich) wieder ziemliche Diskussionen. Anlass: Eine Twittermeldung, wonach die Lipizzaner Wiener seien und westlich der Liptauerbrotgrenze niemanden interessiere. Die Lipizzaner sind doch Spanier, oder irre ich da? Bitte um Aufklärung!
 
Sonja Staininger, per Smalt
Liebe Sonja,
die springenden Pferde aus der Stallburg sind so ziemlich alles, nur Wiener sind sie nicht. Die weltberühmten Showrösser kommen dunkel zu Welt und nehmen meist erst im Erwachsenenalter die Farbe frisch gefallener Hagelschloßen an. Die 1572 gegründete Pferdelehranstalt ist die älteste Institution der Welt, in der die hohe Schule der klassischen Reitkunst betrieben wird. 1580 wurde im rauen Karstgebiet des Herzogtums Krain eine eigene Zucht gegründet. Gestüt und Stadt Lipica (kleine Linde) in der Nähe von Triest heissen auf italienisch Lipizza. Es wurden neun Hengste und vierundzwanzig Mutterstuten aus Spanien importiert und die Rasse zunächst „Pferd der Karster Rasse, Lipizzaner Zucht“ genannt. Grundlage der Zucht waren das Karstpferd, das Spanische Ross sowie die Pferde aus der Poebene. Erst im 18. Jh. kamen die Neapolitaner dazu. Und Deckhengste altspanischer-italienischer Abstammung aus dem dänischen Gestüt Frederiksborg, der deutschen Zuchtstätte Lippe-Bückeburg und dem Böhmischen Hofgestüt Kladruby. Die Hengste der Spanischen Hofreitschule stammen heute alle aus dem Gestüt Piber in der Steiermark, wo man sie nach dem Ende der Monarchie interniert und austrifiziert hatte. Die sechs- bis siebentausend Lipizzaner weltweit stammen von genau sechs Hengsten ab. Ihre Namen dürfen durchaus als Familiennamen verstanden werden, denn männliche Lipizzanerfohlen erben den Vatersnamen. Die sechs Urlipizzaner waren alle Ausländer. Pluto, 1765 geboren, war ein spanischer Schimmel aus Dänemark, Conversano, zwei Jahre jünger, ein neapolitanischer Rappe. Braun und von derselben Herkunft war Neapolitano, 1790 geboren. Maestoso, 1773 geboren, war ein neapolitanisch-spanischer Schimmel aus dem böhmischen Hofgestüt Kladruby. Ebenso der Falbe Favory, 1819 geboren. Der jüngste Stammvater ist der syrische Araberschimmel Siglavy, 1810 geboren. Levade! Kapriole!
www.comandantina.com dusl@falter.at

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