Nimm keine Sprichwörter gefangen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 41/2013
Liebe Frau Andrea,
gerade höre ich Frau Minister Schmied im Radio sagen, sie scheide mit großer Grandezza aus dem Amt. Ist das Verfügen über Grandezza nicht etwas, das jemandem grundsätzlich nur von außen zugesprochen werden kann? Lässt nicht die Aussage “Ich scheide mit großer Grandezza aus dem Amt” genau jene Grandezza vermissen, die es bräuchte, um mit großer Grandezza aus dem Amt zu scheiden?
Frägt David Wagner aus Linz, per Smalt
Lieber David,
‘Grandezza’ bemüht in meist ironischer Umschreibung das Bild ‘großartigen Benehmens’. Über die italienische ‘grandezza’ ist sie der spanischen ‘grandeza’ entlehnt. Beide kommen vom lateinischen ‘grandis’, groß. Grandeza strahlten naturgemäss die Granden aus, die Vertreter des höchsten spanischen Adels. Sie übten die höchsten Staatsämter aus, hielten in Gegenwart des Königs das Haupt bedeckt und mussten mit ‘Mi Primo’ angeredet werden. Neben einer Vielzahl anderer Privilegien genossen sie Steuerfreiheit und hatten Anrecht auf die Proskynese, den Fußkuss. Grandez(z)a ist also beides – ein Beleuchtungsvorgang und das Produkt innerer Strahlkraft.
In besagtem Interview, es wurde am 30.9.2013, einen Tag nach der Nationalratswahl in der Ö1-Nachrichtensendung ‘Mittagsjournal’ ausgestrahlt, stellte Bildungsministerin Claudia Schmied im Gespräch mit ORF-Radio-Innenpolitikredakteur Peter Daser zu ihrem Ausscheiden aus der Ministerial-Politik fest: “Also ich gehe mit großer Grandezza und Souveränität aus dem Amt.” Hier wäre semantisch zu beklagen, dass der Begriff der Grandezza, wollte man ihn nicht seiner Dimension berauben, keiner Steigerung bedarf. Grandios ist schon groß. Bildungspolitik sei “wirklich kein Spaziergang”, verteidigt sich Schmied und macht dafür neben den “Zwängen des Föderalismus”die “stundenlangen Verhandlungen mit der Lehrergewerkschaft” namhaft. Hier also festigte Schmied jene ‘grosse Grandezza’. Nicht der Fusskuss liess Schmied Souveränität zuwachsen, sondern ‘stundenlange Verhandlungen’. Es gebe, verrät Schmied eine metahispanische Quelle ihrer Grösse, “im Türkischen ein Sprichwort: Nimm keine Gefangenen, das heisst, beschäftige Dich nicht und belaste Dich nicht mit Deinen Gegnern.” Hier darf mit einem weniger martialischen osmanischen Aphorismus geantwortet werden: “Ayının kırk türküsü var, kırkı da ahlat üstüne” – der Bär hat vierzig Lieder, alle handeln von der Holzbirne.
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