Apropos Prozent: Punkt oder nicht

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 42/2013
Liebe Frau Andrea,
 
nach jeder Wahl verwirrt er mich: Der Prozentpunkt. Habe ich in der Schule zu wenig aufgepasst? Wie ist er verwandt mit dem gewöhnlichen Prozent? Oder sind sie gar eines und es geht – wie so oft – mehr um Schein als um Sein?
 
Mit Dank und Grüßen,
Brigitte Guschlbauer, Mödling, per Smalt
Liebe Brigitte,
Bevor wir in den Elfenbeinturm der Erkenntnis hochsteigen, müssen wir uns kurz im Souterrain der Erklärungen aufhalten. Es gibt zwei Möglichkeiten der Verwirrung im Umgang mit den Begriffen Prozent und Prozentpunkt. Die erste liegt in der eigenen Unklarheit über den semantischen Unterschied zwischen beiden. Die zweite Konfusion ergibt sich aus der Wahrnehmung der falschen Anwendung derselben. Klären wir erstmal den Begriff Prozent, letterntechnisch ‘%’ geschrieben. Deutschsprechende fiele es wesentlich leichter, statt ‘Prozent’ das Wort ‘Vonhundert’ zu verwenden. 5% wären also 5 ‘Vonhundert’, fünf von Hundert. 17% wären 17 ‘Vonhundert’, Siebzehn von Hundert. Und so weiter und so fort. Klären wir nun den Begriff des Prozentpunktes. Die Pipsipartei war brav und hat ihr Wählerpotential ausgeschöpft, sie hat im Vergleich zur Wahl davor weder dazugewonnen noch Stimmen verloren. Sie steht bei 10% der abgegebenen Stimmen. Die Pipsipartei hat also 10 Prozent. Anders die Situation bei der Volltrottelpartei. Sie stand bisher ebenfalls bei 10%. Sie hat aber zugelegt und bekam nun 15%, ein Drittel an Stimmen mehr. Die Volltrottelpartei – jetzt wird es spannend – hat um 5 Prozentpunkte zugelegt, von 10% auf 15%. Die Schnarchnasenpartei, bisher hatte sie 20% Wählerzuspruch, hat ebenfalls um 5 Prozentpunkte zugelegt. Sie liegt nun bei 25%. In Prozentpunkten ausgedrückt, haben Volltrottelpartei und Schnarchnasenpartei gleich viel gewonnen, nämlich 5% (der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen). Relativ gesehen ist der Gewinn der Volltrottelpartei aber ein grösserer. Aus 10% machte sie 15%, sie steigerte sich (in Bezug auf die eigenen Stimmen) um 50%. Anders die Schnarchnasen. Ihre Steigerung von 20 auf 25% entspricht zwar ebenfalls 5 Prozentpunkten des Gesamtwahlergebnisses, aber nur 25% der eigenen Ergebnisse. Die Verwirrung zwischen Prozent und Prozentpunkten wird von parteipolitischen Akteuren gerne dazu verwendet, Verluste kleinzureden und Gewinne aufzubauschen.
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