Eine Freundin namens Paula

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 21/2013
Liebe Frau Andrea,
ein Freund von uns, er ist Musiker, hat unlängst eine Essenseinladung mit der Ankündigung verknüft, da würden wir seine neue Freundin kennenlernen. Auf Nachfrage, wie sie denn hiesse und was sie mache, entkam ihm nur ein kryptisches, “na sie liegt so rum und sie heisst Paula.” Mitessen werde sie allerdings nicht. Wir sind verwirrt, unser Freund ist nämlich schwul. Müssen wir uns Sorgen um ihn machen?
Liebe Grüsse, Lisi Gulder
per Gesichtsbuch-Direktnachricht
Liebe Lisi,
ich möchte meine ferndiagnostische Vermutung, bei ihrem Freund dürfte es sich um einen Gitarristen handeln mit der Entwarnung verknüpfen, seine sexuelle Orientierung könnte sich verändert haben. Die neue Freundin ihres Freundes scheint ein Gitarrenmodell der US-amerikanischen Herstellerlegende Gibson zu sein. Einem Abendessen in sorgloser Stimmung dürfen sie getrost entgegensehen. Mit “Paula” bezeichnet der deutschsprachige Elektrogitarrenspieler das Gibson-Modell der mannigfaltigen Solid-Body-Serie “Les Paul”. Es ist neben der “Stratocaster” des Konkurrenzunternehmens Fender “die” Elektrogitarre schlechthin. In Form und Anmutung dürfen Les Pauls als konservativ bezeichnet werden – “Paulas” sehen aus wie kleine, brettdicke Konzertgitarren, in deren untere Schulter ein Horn gefräst wurde. Benannt wurde die Ikone unter den “Singenden Brettern” nach dem US-amerikanischen Jazz- und Countrygitarristen Lester William Polsfuss, genannt Les Paul. Lange Zeit hässliches Entlein unter den Stromgitarren, entdeckten britische und US-amerikanische Blues- und Rockmusiker in den späten 60ties die Les-Paul. Für die, bis heute anhaltende Renaissance der Gitarre sorgten besonders die in den Jahren 1958 bis 1960 erzeugten Exemplare. Der Ton und die abenteuerlich geflammten Ahorn-Decken dieser Produktion-Marge – nicht mehr als 1700 Exemplare verliessen die Fabrik – begeisterten Gitarrenhelden vom Schlage Keith Richards, Eric Claptons, Jeff Becks, Duane Allmans, Peter Greens und Jimmy Pages. Bei der Paula ihres Freundes, liebe Lisi, dürfte es sich um eine Les Paul aus den vier Jahrzehnten nach ihrer Wiederentdeckung handeln. Für eine Original-Les-Paul der Jahre 58, 59 und 60 muss man heute den Gegenwert von mehreren Aston Martins hinlegen. Exemplare wie Billy Gibbons “Pearly Gates” oder Jimmy Pages “Number Two” gelten als unbezahlbar.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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