Geheimnisse in der Schweizerjacke

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 47/2012
Mammut-Jacke.jpgLiebe Frau Andrea,
ich besitze für meine Winterwanderungen eine schwarze Daunenjacke, der Schweizer Firma ‚Mammut‘, die als Bergsportausrüster einen sehr guten Ruf hat. Diese Jacke hat eine Innentasche mit Reißverschluss und da drauf ist ein kleines Fach genäht mit einem Klebeverschluss und einer Aufschrift ’save your secrets‘! Ich frage mich schon lange, was sich die Schweizer gedacht haben, was ich da deponieren sollte. Meine Adresse, meine Schlüssel? Für ein Taschenmesser ist das Fach zu kurz. Was meinen Sie?
Ihre ratlose Rosmarie Moser,
Innsbruck-Pradl, per Brief.
Liebe Rosmarie,
die Schweizerinnen und Schweizer, im Laufe dieser Erörterung ‘die Schweizenden’ genannt, sind bekannt für Ihre Diskretion. Wo man hinsieht, haben sie Kompartments für Geheimnisse eingebaut. Ihre Berge sind durchlöchert, ebenso ihr Käse. Unter ihren Chalets befinden sich komfortable Bunker, die Banken sind in unerreichtem Ausmass mit Schliessfächern, Tresoren, Geheimschliessfächern und Geheimtresoren unterkellert. Konsequenterweise dehnen die Schweizenden die arkane Verstausucht auch auf Alltagsgegenstände aus. Im Rahmen ihrer Verbergekunst haben sie etwa das Taschenmesser erfunden, ein Gerät, dass sich nicht nur in der Hosentasche oder in der Handtasche verstecken lässt, sondern auch noch in sich selbst. Die Schweizenden leiden allerdings auch am Markierwahn, was bedeutet, dass jedes Geheimfach mit einer Aufschrift oder dem Schweizerkreuz bezeichnet ist. So darf es nicht wundern, dass Schweizerjacken ebenfalls mit beschrifteten Geheimfächern versehen sind. Den Phantasien, was man in einem markierten schweizer Jackengeheimfach unterbringen kann, sind nur technische Grenzen gesetzt. An Name und Adresse, beziehungsweise Tarnname und Tarnadresse ist im Falle von Einsätzen im James-Bond-Millieu immer zu denken. Auch der Schliessfachschlüssel und der USB-Stick mit den lebenswichtigen Unterlagen oder die aktuelle Medikation, ja vielleicht sogar Marihuana, Kokain, Heroin oder LSD fände gewiss willkommenen Platz in einem klettverschliessbaren Sekretversteck. Tatsächlich hat die Firma Mammut, wie unsere Nachforschung ergeben haben, das kleine Fach ’save your secrets‘ für einen profanen Zweck vorgesehen. Es dient der Unterbringung von Damenhygieneartikeln.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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