Angeben wie Reibsand

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 41/2012
Liebe Frau Andrea,
sehr geehrte Allwissende, der Ausspruch “Gib net so an wia a Packl Reibsand” bereitet mir einiges Kopfzerbrechen, was seine Herkunft betrifft. Der Sinn ist mir vollkommen klar und ich habe diesen Satz auch schon öfters verwendet, aber wieso Reibsand? Der wäre doch billig und effizient. Woher die unterstellte Arroganz?
Mit hoffnungsvollen Grüßen
Ihre neugierige Margarete Schmalhofer, per Email
Liebe Margarete,
vor der Einführung moderner Reinigungschemikalien gehörte die Verwendung von Asche und Sand zum Alltag aller Waschenden und Putzenden. In Wien kam der Sand vom Såndmå (Sandmann). Er wurde auf der Strasse angeboten oder direkt frei Haus geliefert. Der Kaufruf des Såndmå war simpel und einprägsam: “Kafts an Sånd, kafts an Sånd!” Der feinkörnige Reibsand (deutsch: Scheuerpulver) wurde von Hausfrauen und Bediensteten zum mechanischen Reinigen von Wäsche und Geschirr verwendet. Nachdem in der Zwischenkriegszeit das Waschmittel den Markt erobert hatte, liess der Absatz von Sand als Reinigungsmittel nach. Reibsand fand anderweitig Verwendung, zum Einstreuen in Vogelkäfigen und als Sediment in Aquarien. Nur im Aufreibfetzen, mit dem man ursprünglich den Sand über den Boden rieb, blieb der Reibsand erhalten. Länger hielt sich seine ursprüngliche Bestimmung noch am Land, in der Autowerkstätte und als Campingutensilie. Die Bedeutung des Auspruchs, den Sie überliefern, ist nicht ganz so klar, wie Sie vermuten. Es ist weniger der Hochmut oder die Angeberei, die mit dem Packerl Reibsand verbunden wird, als das Aufgedrehtsein, der Zustand manischer Entrückung. Die ursprüngliche Funktion des Scheuermittels “Reibsand” als passives Ingrediens in einem mechanischen Repetitions-Vorgang verweist auf die sexuelle Bedeutung des Ausspruchs. Reim (reiben) ist neben schöön (schälen) und wixn (wichsen) ein Wienerisches Wort für Masturbation. Wir erinnern uns an den Schüttelreim: “Ein Leibesriese ging auf Liebesreise, er sagte: ‘reib’ es, Liese’, und sie rieb es leise.” Zu “grinsen, wie ein Packerl Reibsand” mag von Aussenstehenden als Akt der Arroganz gedeutet werden, praktizierende Selbstbeschäftiger würden, hier dringen wir wieder in die Mitte des Sprachbildes, vom Zeugnis billigen Glücks sprechen. Billig wie das sprichwörtliche Packl Reibsand.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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