Linkslinke Haschtrafikanten und dunkelschwarze Gummistiefler

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 42/2011
Liebe Frau Andrea,
auch witterungsbedingt beschäftigt mich seit geraumer Zeit die Frage nach der Herkunft des Begriffs „Gummistiefler“. Ich habe das Gefühl, dass nicht modebewusste Damen damit gemeint sind, sondern jemand anderes.Täusche ich mich, wenn ich meine, dass der Ausdruck eher despektierlich ist? Bitte um Aufklärung und Dankesehr!
Ergebenst Ludmilla Waldstein,
Wien Simmering, per Schmelzglas
Liebe Ludmilla,
Sie täuschen sich nicht. Die österreichischen Bundes-Regierungen Schüssel I und Schüssel II, zwischen 2000 bis 2007 von gelernten und ungelernten Fachkräften aus ÖVP und FPÖ (später BZÖ) gebildet, ist in der Bevölkerung, je nach politischer Grundeinstellung als “Zeit der Reformen” (Eigeneinschätzung), beziehungsweise als “Schwarzblau” und “Schüsselzeit” in Erinnerung geblieben. Der Protest gegen Schwarzblau fand nicht nur auf der Strasse, sondern auch in den Onlineforen der österreichischen Tageszeitungen, und hier bevorzugt auf “derstandard.at” statt. Poster gaben im Schutze anonymisierter Pseudonyme ihrem Mut und Unmut fast unzensierten Lauf. Galten Regierungsgegner als “Nestbeschmutzer”, “linkslinke Chaoten”, “Haschtrafikanten”, “grünrosa Träumer”, “Donnerstagsmarschierer”, “Lichterlanzünder” und generell als “Gutmenschengesindel” und “rote Gfrieser”, so differenzierte das oppositionelle Lager. Die Blauen um Jörg Haider wurden in Postings als “Buberlpartie”, “Blaumiesen”, “Blaune” und nach der Umfärbung ins BZÖ als “Bienenzüchter Österreichs” bezeichnet. Für die Klientel der ÖVP und ihrer Teilorganisationen zirkulierten Bezeichnungen, die weniger urbane, denn rurale Assoziationen wachriefen. ÖVP-Politiker und ihre Hintermänner galten, in Anspielung auf das Raiffeisen-Logo als “Giebelkreuzler”, als “Lagerhäusler” und wegen ihres, als “Schweiger” bezeichneten Masterminds als: “Schüsselbande”. Meinte das Synonym “Furchengänger” noch eindeutig die schwarzwählenden Bauern, war der von ihnen erfragte Ausdruck wesentlich diffuser, in seiner ballistischen Komponente aber durchaus zielgenau. “Gummistiefler” bezeichnet alles vom misthaufenkletternden Kleinbauern bis zum weihrauchtrunkenen Forstgrafen, von der konservativen Döblinger Heurigentante bis zur nachtaktiven Veldener Schickimickitussi.

www.comandantina.com dusl@falter.at

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert