Sieben gefährliche Orte um Schwimmen zu gehen

Schwimmen ist nicht Schwimmen. Schon gar nicht dort, wo man keinesfalls schwimmen sollte.
Pribaltiskaya.jpgFinnischer Meerbusen
Sankt Petersburg, Russland

St. Petersburg ist berühmt für seine weißen Nächte. Die heißen so, weil dort im Sommer die Sonne erst gegen elf, halb zwölf Uhr abends untergeht. Das Gefühl von so einer weißen Nacht ist wie ein Turbo-Jetlag ohne anstrengendes Reiseerlebnis. Und die passende Droge für so eine weiße Nacht ist Wodka. Während einer weißen Nacht in St. Petersburg ist Wodka Pflicht.
Also dachten wir uns, gehen wir runter zum Strand, denken daran, daß sie in Kalifornien alle schon Taschenlampen brauchen um diese Zeit und trinken ein bißchen von dem netten Wodka, Pflicht ist schließlich Pflicht. Vom Hotel Pribaltiskaja, wo wir wohnten, ist es nicht weit zum Strand, denn das Hotel Pribaltiskaja liegt direkt am Industriehafen. Und der Industriehafen ist ja sowas wie ein Strand.
Die Droge Wodka hat nun wiederum den Nachteil, daß sie ungeheuer schnell wirkt. Wir waren also schon sehr betrunken, als wir die 50 Meter zum „Strand“ hinter uns gebracht hatten. Wir, das waren ein paar Tiroler, zwei ereignisscheue deutsche Pärchen und ein karfunkeläugiger Korse. Weil Wodka sehr von innen wärmt, wollte ich unbedingt schwimmen gehen. Wo doch da ein Meer war. Also zog ich mich aus, >>>


>>> bestieg ein rostiges Ladawrack und sprang nixenhaft in den finnischen Meerbusen. Nach dem Auftauchen warf ich den Tirolern Feigheit vor dem Wasser vor. Und daß sie keine Tiroler wären. Mit nichts kannst du Tiroler mehr ärgern, als wenn du ihnen ihre Tirolerischkeit absprichst. „Bisch a Tiroler?“ sagst du, und schon hüpfen sie. Die Tiroler. Mehr brauchen sie nicht, als „bisch a Tiroler?“
Normalerweise. Aber heute war nicht normalerweise. Die Tiroler standen bis zu den dürren Unterschenkeln im Wasser und grinsten alpin. Denn mehr noch als stolz sind die Tiroler vorsichtig. Da war der Korse aus anderem Holz. Seltsam warm war es, das Schwimmen im finnischen Meerbusen, und seltsam fluoreszierend war sein Wasser. Am Strand, der im wesentlichen aus Beton gegossen war, tanzten wir dann auf Glasscherben bis in den sehr sehr frühen Morgen. Und seither weiß ich, daß es richtige Männer nur in Korsika gibt.

Ismailia.jpgSuezkanal
Ismailiya, Ägypten.

Ich glaube nicht, daß es viele Menschen gibt, die schon einmal im Suezkanal gebadet haben. 1997 im Februar war das, und es war ein kaurismeskes Erlebnis, wie Queen Cleopatra im Brackwasser zu treiben und alle zwei Minuten einen anderen rostigen Öltanker, Bananendampfer oder Mitsubishi-Frachter passieren zu sehen. Erstaunlicherweise schlagen die dicken Pötte kaum Wellen. Die Krokodile allerdings auch nicht.

Aberdeen.jpgNordsee
Aberdeen, Schottland.

1976 hatte ich mir eingebildet, die obligate Sprachreise in Schottland zu verbringen. Daß Sprachreisen in einer Region angeboten werden, die Englisch schlechter spricht als Wiener Hausmeister, ist an sich schon ein Rätsel.
Noch rätselhafter war das Pärchen, in dessen Einfamilienhaus mich das Sprachinstitut einquartiert hatte. Bruce war trotz meiner Mädchenhaftigkeit einen Kopf kleiner als ich, studierte Pornohefte im achten Semester und war Schweißer in einer Ölplattform-Zusammenbau-Fabrik (wie sowas genau heißt, wußte ich schon damals nicht).
Weil er in seinem früheren Leben Soldat gewesen war (mit 17 in Nordirland, bei den gefährlichen Katholiken, wie er heldenhaft erzählte, in Nordirland, wo die Kugeln „nur so pfiffen“), weil Bruce also ein ganzer Bursch war, nahm er mich unter Zurücklassung seiner teigigen Frau Janice einmal nach Aberdeen. Zum Schwimmen.
4° Grad (vier Grad!) hatte das Wasser, und ich solle nicht länger als zwei Minuten drinnenbleiben, sonst würde ich s t e r b e n , warnte Bruce. In Aberdeen habe ich zum ersten Mal lebende Robben gesehen. Und verstanden, warum sie im Wasser Pelz tragen.

Donaukanal.jpgDonaukanal
Wien.

Nichtwiener müssen wissen, daß der Donaukanal kein Kanal ist, sondern ein alter, aber dünner Seitenarm der Donau. Nichtwiener müssen weiter wissen, daß die Donau bei Wien nicht fließt wie die Moldau, nicht fließt wie die Seine, nicht fließt wie die Elbe oder der Rhein oder wie andere Flüsse, die fließen, sondern daß sie schießt. Sie schießt dahin. Und ebenso tut das der Donaukanal. Wo er doch eigentlich die Donau ist. In diesem schießenden Gewässer gibt es kein Leben. Es ist tot und braun.
Das einzige Leben, von dem ich weiß, sprang an einem heißen Junimorgen, nach einer heißen Nacht im Underground-Club „Flex“ von der Kaimauer vor dem Lokal aus in den Donaukanal. Sein G’wand gab er einer verdatterten Tanzpartnerin mit den Worten: „Du, mir is haas, I schwimm jetzt zaus, a bißl schlafen.“
„Zaus.“
„Zaus“ war drei Brücken weiter flußabwärts, gegenüber der Urania. Wienkenner brauchen dafür mit dem Auto zehn Minuten. Gernot Mooshammer war in zwei dort. Er hat überlebt. Und er würde es nie wieder tun. Denn das Duschen dauerte Tage.

Augstsee.jpgAugstsee
Altaussee, Steiermark

Der kleine Bergsee auf dem Loser (einem hoch- aufragenden karstigen Kalkstock) liegt auf etwa 1500 m Seehöhe und ist nur vier Monate im Jahr ein See. Normalerweise ist er bis zum Grund eingefroren und mit acht Metern Schnee bedeckt (der Loser gilt als Schneeloch).
Hier schwamm ich an einem heißen Samstagmorgen im September 19irgendwannundneunzig, nach einem komplizierten Aufstieg von der legendären Loserhütte und seinen gefährlichen Zirbenschnapsnächten. Es gehört nicht viel Mut, dort zu baden, aber viel Lust..

Stockholm.jpgRiddarfjärden, Strömmen, Saltsjön
Stockholm, Schweden.

Jedes Jahr fahren meine Zeichnerfreunde Tex Rubinowitz und Tom Kussin nach Stockholm und schreiben sich in die Teilnehmerliste des Stockholmer Schwimm-Marathon ein.
Der Schwimm-Marathon führt durch ganz Stockholm, das im Grunde nur aus Inseln besteht und nicht umsonst das Venedig des Nordens genannt wird. Tex, der ein ausgesprochenes Schwimmtalent ist, wurde letztes Jahr Siebenunddneunzigster, Tom Vorletzter. Mitschwimmen tun 3268. Ungefähr. Und Dabeisein ist alles. Für Tex und Tom.

Kohl.jpgIschlbach, Helmut Kohl
Bad Ischl, Oberösterreich.

Die Ischl ist ein reißender Bach, der das Wasser des Wolfgangsees führt und bei Bad Ischl (dort wo die Sisi-Filme spielen) in die Traun fließt. Am Wolfgangsee urlaubt der frühere deutsche Helmut Kohl. Seit 45 Jahren.
Und dort badet er natürlich auch. Helmut Kohl. Wie Gott ihn schuf, mit einer grossen Badehose drum herum.
Man könnte also sagen, daß wenn Helmut Kohl im Wolfgangsee badet, sich Moleküle vom Exkanzler lösen und im Wolfgangsee umhertreiben, und selbst dann, wenn Helmut Kohl längst wieder in Berlin weilt, noch immer im Wolfgangsee treiben. Bis sie dann irgendwann in die Ischl treiben und in die Traun gespült werden.
In der Ischl habe ich einmal an einem nebeligen Oktobernachmittag, wo es vom Garten der Dirndlmacherin Hanni Zauner aus prima ins Wasser geht, gebadet. Obwohl es dabei sehr kalt war, ist es nicht unwahrscheinlich, daß dabei auch Moleküle Helmut Kohls an mir vorbeigeschwommen sind und ich daher taxfrei behaupten kann: An einem nebeligen Oktobernachmittag bin ich in Helmut Kohl geschwommen.

© Andrea Maria Dusl
geschrieben für Peter Praschl’s

Sofa

2 Gedanken zu „Sieben gefährliche Orte um Schwimmen zu gehen“

  1. comandantina, also wirklich:
    „Nichtwiener müssen wissen, daß der Donaukanal kein Kanal ist, sondern ein alter, aber dünner Seitenarm der Donau. “
    also: der donaukanal war bis anfang des 18. jhd der schiffbare hauptarm der donau. aus dieser zeit stammt auch das gerücht, dass wien an der donau liegt, weil es das damals ja auch tat, während wien jetzt eher neben der donau liegt, denn die donau trotzte den regulierungsversuchen und wanderte weg von der stadt gen osten.
    während der zweiten donauregulierung konnten sich die stadt wien und die donau auf einen kompromiss einigen, weshalb der hauptstrom der donau jetzt zwischen dem mittelalterlich gezwungenen hauptstrom (donaukanal) und dem rebellisch selbstgewählten haupstrom (alte donau) liegt.
    diesen seit 150 jahren stabilen kompromiss ausnützend, lässt die stadtverwaltung jetzt die donauplatte modern-urban behausen, damit wir wieder stolz von „wien an der donau“ sprechen können.

  2. Der „Donaukanal“ war schon im Mittelalter nicht mehr so knuspi schiffbar, wie zur Römerzeit, der Hauptstromstrich führte in einem grossen Fragezeichen an Fluridsduaf vorbei und näherte sich mit dem anderen Bauch der Leopoldstadt, am nächsten war er ihr, wo die Taborstrasse auf die Nordwestbahnstrasse trifft. Dazwischen waren immer wieder kleine verschlungene Äste, die romantische Inserln umspülten, die alle „Haufen“ oder „Häuf“l hiesen. (Gänsehäufl heisst noch heute einer dieser ehemaligen Inseln.) Net tun’s immer aus die falschen Heftl aussezitieren, Herr Stefan!

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