Gesichter, Gebisse, Stern und Turbane

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 04/2011Lieber Jan,
das hochbarocke Haus “Zum Weissen Stern” lag vor der Schleifung der Stadtmauern direkt am Glacis und hatte freie Sicht auf die Stadt. Die fabelhafte Aussicht war offenbar der Grund, warum es um ein Stockwerk und ein Dachgeschoss erhöht wurde. Als sein Erbauer gilt Donato Felice d’Allio, Mitglied einer ursprünglich aus Como stammenden, ebenso berühmten wie weitverzweigten italienischen Architektenfamilie. D’Allio dürfte 1711 ein hier schon im Mittelalter stehendes Haus um- und ausgebaut haben. Darauf lassen die tiefen mittelalterlichen Keller unter dem Gebäude schliessen. Von einem dieser Keller soll früher ein Gang in die Innenstadt, gerüchteweise zur Hofburg geführt haben. D’Allio war Polier beim Bau der Piaristenkiche, errichtete Kirche und Kloster der Salesianerinnen am Rennweg und war am barocken Ausbau von Klosterneuburg beteiligt. Auf seine Rolle als kaiserlicher Fortifikationsbaumeister dürfte der Keilstein der Wageneinfahrt seines Hauses anspielen: Ein Türke mit Turban und langem dreadgelocktem Bart sieht mit müden Augen direkt auf die Basteien vor der Hofburg und spielt damit auf die Türkenbelagerung von 1683 an. Über das Programm der fünf Fenstergiebelgrotesken ist ausser gelegentlichen Irritationen Frischgeimpfter nichts näheres bekannt, Kunsthistoriker halten sie für Dekorationselemente. D’Allios eingerauchte Osmane bewacht seit 1984 den Eingang zu den Couleurtreffen der Hausbesitzer – der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung Rudolfina. Als deren bekannteste Mitglieder gelten die Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und Josef Klaus, sowie der Erzbischof von Wien, Franz Kardinal König. www.comandantina.com dusl@falter.at

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