Yeah! Yeah! Schnee im Tee

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 03/2011
Liebe Frau Andrea,
ich trinke im Winter viel (ungesüßten) Grünen Tee mit Hibiskus und nehm’ den auch immer mit. Bei einer meiner Wanderungen im Wienerwald (in der Nähe der Höhenstraße) war ich im relativ frisch gefallenen Tiefschnee unterwegs und da der Tee noch mörderisch heiß war, hab ich einfach ein bisschen Schnee zum Kühlen in die Tasse zugefügt. Großes Erstaunen: Der Tee schmeckte süß! Dasselbe Resultat bei einem Test in einem Wiener Park: Mit zugefügtem Schnee schmeckte der Tee richtig süß! Leide ich unter Wahnvorstelllungen oder war mein Gaumenmilieu durch die anstrengenden Wanderungen verändert? Oder hab ich (schädliche) Luftschadstoffe, die sich am Schnee abgelagert hatten, durch den Schnee ins Getränk gekriegt? Voll Rätsel und Zweifel hoffe ich auf Ihre Aufklärung!
Mit lieben Grüßen,
Inge Mayer, per Elektronachricht
Liebe Inge,
ich darf Ihnen die Angst vor Wahnvorstellungen nehmen – zumindest in Bezug auf ihren Teekonsum. Aus Ihrer Erzählung schliesse ich, dass Sie in Wien leben und Ihre Tees daher mit Wiener Leitungswasser zubereiten. Dieses gilt wegen seines hohen Gehalts an Magnesium- und Calciumionen als hart. Nun hat aber die Wasserhärte einen entscheidenden Einfluss auf den Geschmack von Tees. Nach gängiger Chaiisten-Meinung sollte man für Grüntee stets weiches Wasser nehmen. In der klassischen chinesischen Literatur gibt es mindestens so viele Aufsätze über das Teewasser wie über den Tee selbst. Unter Teeliebhabern kursierte sogar eine Liste von Quellen, deren Wasser sich durch ihre besonders hohe Eignung zum Teekochen auszeichnete. Regenwasser und frisch gefallener Schnee eignen sich hervorragend zum Teekochen, weil sie reines Wasser darstellen. In der chinesischen Literatur gehört das Teezubereiten mit geschmolzenem Schnee zu den romantischsten Szenen. Beim Aufbrühen von Grünem Tee sollte Wasser mit einer Temperatur von höchstens 72 °C verwendet werden, denn wenn das Wasser zu heiß ist, zersetzen sich viele der im Grünen Tee enthalten Stoffe, der Tee wird bitter bis ungenießbar, viele der gesundheitlich wertvollen Wirkungen gehen verloren. Der zugefügte Schnee hat den Tee in ihrer Thermoskanne nicht nur verdünnt und abgekühlt, sondern auch die Wasserhärte verändert und so ein Süsserwerden hervorgerufen. Womit wir wieder beim Gaumen wären.
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