Weiß in Österreich

Entfernt man aus der Österreichischen Fahne das gefährliche Rot (Achtung Sozialdemokratie! Vorsicht Kommunismus!), bleibt ein blütenweißer Streifen. Ein Farbton, auf den sich alle einigen können, durch Kochwaschgänge und Bleichmittel jederzeit erneuerbar. Die Couleur tritt uns als jene der politisch Weißen Weste entgegen und ohne jede Konkurrenz als nationale Unterwäschefarbe. Im Tourismus geht nichts ohne weiße Pisten und die blendende Schönheit frischbezogener Hotelbetten.

Auch Neutralität und Friedensnähe wird gerne mit der Farbe Weiß verbunden, in österreichisches Tun gefallen war sie jahrzehntelang die Leitkolorierung eines erleuchteten Orginals. Ludwig „Wickerl“ Weinberger, Schildermaler in Rente, erarbeitete sich als Friedensapostel internationalem Ruhm. Tagaus, tagein spazierte er Ende des vergangenen Jahrhunderts durch die Touristengruppen der Wiener Fußgängerzone, in den ausgestreckten Armen eine Friedensfahne mit dem Spruch Waluliso (für Wasser-Luft-Licht-Sonne) und einen Apfel haltend. Sandalen und eine blütenweiße Tunika waren dem Olivenzweigbekränzten sommers wie winters die einzige Bekleidung. Waluliso verließ Wien aber auch gerne und wurde so international bekannt. Er fuhr zu Gipfeltreffen nach Genf und Reykjavík, kletterte nach dem Fall der Berliner Mauer auf das eingerissene Bollwerk, und schüttelte die Hände von Weltpolitikern. Die schüttelten die Köpfe.

Ein anderer Nationalheld wurde mit eindeutig zweideutigen Texten weltberühmt. In seinem hedonistisch-verrätselten Weltschlager „Der Kommissar“ besang Hans Hölzel vulgo Falco die hellste der österreichischen Farben: „… sie war jung, das Herz so rein und weiß, und jede Nacht hat ihren Preis, (…) den Schnee auf dem wir alle talwärts fahr’n, kennt heute jedes Kind.“

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 20. Jänner 2024.

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