Komplikationen

Unter Komplikationen verstehen die Uhrmacher Zusatzfunktionen des mechanischen Uhrwerks, die über den kontinuierlichen Antrieb von Stunden- und Minutenzeigern hinausgehen. Das Anzeigen des Datums etwa, des Wochentags, oder den Sekundenstopp – komplikationsverschärfend mit Rattrapante oder Schleppzeiger. Ausgeheckte Komplikations-Module stehen im Dienst astronomischer Spielereien wie dem Anzeigen von Mondphasen, Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangszeiten, andere berücksichtigen die Schaltjahre und erlauben den galoppierenden Luxus, das Datum nur dreimal alle 400 Jahre einstellen zu müssen. Am anderen Ende des Gemütlichkeitsspektrums steht die Messung von Viertel-, Zehntel- oder sogar Zehntausendstelsekunden. Sämtliche Uhrmacherkunst gipfelt in der „Grande Complication“, einer Uhr, in der Dutzende dieser Funktionserschwernisse in untergebracht sind. Man versteht, dass Österreich hier nicht in der ersten Liga spielt. Komplikationen sind zu kompliziert für das Land der Normalitäten. Zuviel Fizzelei. Österreich wandte sich früh größeren Erfindungen der Schweizer zu. Den Skipisten. Hier geht es schließlich auch um Hunderstelsekunden – gemessen in Schischuhlängen.

Dass Österreich keine chronometrischen Komplikationen braucht, beweist die Wiener Stunde, die aliquote Aufteilung der Blockredezeit auf die Fraktionen im österreichischen Parlament. Für die aktuelle 27. Gesetzgebungsperiode wurde sie auf 62 Minuten festgelegt, davon entfallen 19,5 Minuten auf die ÖVP, 13,5 Minuten auf die SPÖ, 11 Minuten auf die FPÖ, 10 Minuten auf die Grünen, und 8 Minuten auf die NEOS.

Klingeling.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 12. August 2023.

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